Wenn die Hütte brennt, ist immer gut Reden: Ach, hättest du doch gelöscht, als das Feuer noch klein war! - Das "du" groß geschrieben: DU. - Fast hat man das Gefühl, in Sachen Schulbau und Schulsanierung zeigen in Sachsen und Leipzig alle Parteien nur noch auf eine Partei: die SPD. "DU hättest löschen müssen!" - So peinlich kann Politik sein.
“Drei schulische Einrichtungen wurden aus brandschutztechnischen Gründen teilgeschlossen. Bildungspolitisch ein Skandal, aber das Ergebnis von jahrelangen zu geringen Haushaltsmitteln in der Werterhaltung der Schulen”, ruft Margitta Hollick, schulpolitische Sprecherin der Linksfraktion in den Wald.
Skandal klingt immer gut.
Würde über die Investitionsmittel für Schulen nicht jedes Jahr der gesamte Stadtrat entscheiden. Der Oberbürgermeister (SPD) und der Finanzbürgermeister (CDU) können zwar Vorschläge machen, Planzahlen reinschreiben und begründen. Ob es so kommt, entscheidet aber die Stadtratsmehrheit.
Die Stadträte können die Vorschläge ablehnen oder sich enthalten, wie es die Linksfraktion gern tut.
Sie können auch Änderungsanträge einbringen. Wenn sie zum Beispiel der Meinung sind, dass 30 Millionen Euro im Jahr für Schulbau in Leipzig zu wenig sind. Sind sie auch. Jahrelang war die Summe noch niedriger. Denn wenn Leipzig um seinen Haushalt ringt, geht es immer um zu wenig Geld. Auch um zu wenig Geld, das eigentlich der Freistaat Sachsen an die Kommunen weiterreichen müsste. Das mahnte am 28. April zuletzt Leipzigs Sozialbürgermeister (SPD) an. Und erntete wieder mal einen Aufschrei. Wie kann er nur!
Zum Beispiel von Rene Hobusch, Stadtrat der FDP: “Mit dem neuerlichen Verweis auf die Landesebene unterschreibt Schulbürgermeister Fabian den Offenbarungseid für den Oberbürgermeister. Burkhard Jung ist seit mehr als dreizehn Jahren für Leipzigs Schulen verantwortlich: Erst als Schulbürgermeister, jetzt als Oberbürgermeister. Er trägt damit die Verantwortung für das Schulschlamassel. Es ist zwar richtig, dass er in einer Stadtratsvorlage die Herausforderungen benennt. Nur fehlt es weiterhin an einer Umsetzungsstrategie inklusive finanzieller Untersetzung. Durch Lippenbekenntnisse und Sonntagsreden löst man keine Probleme, Herr Oberbürgermeister.”
Er rechnet dem OBM und dem Sozialbürgermeister vor, wie viel Vorlauf sie hatten für ihre Planungen: sechs Jahre.Die haben, wie man weiß, nicht mal zum Ausbau der Kindertagesstätten gereicht. Unter anderem, weil auch hier der Freistaat Gelder zurückbehält, die der Bund für die vorschulische Betreuung ausreicht. Leipzig wächst zwar. Aber die Finanzen wachsen nicht mit. Und die Fördergelder in Sachsen fließen seltsame Wege. Mindestens 300 Millionen sind in Leipzig nicht angekommen, weil ein Sachbearbeiter in Dresden beschloss: Der Topf ist überzeichnet. Erst bekommen mal die Kollegen in Dresden und Bautzen was.
Deswegen war es schon ein Kraftakt, als Leipzig im letzten Jahr den Schulbauetat auf 30 Millionen Euro erhöhte. Es waren die Stadträte selbst, die den zusätzlichen Reparaturetat für die Schulen auf 10 Millionen Euro erhöhten. Immer noch zu wenig, wie Margitta Hollick feststellt, denn zwei Jahrzehnte Sparflamme machen sich in der Substanz bemerkbar. “Diese Summe hat aber nicht ausgereicht, um die brandschutztechnischen Mängel an allen Schulen zu beseitigen. Dabei ist noch keine Rede von den kaputten Fenstern zum Beispiel in der Mittelschule am Adler oder im Klingergymnasium. Die Beispiele lassen sich fortsetzen”, sagt Hollick. “Aus städtischen Mitteln wird jetzt die 21. Grundschule auch brandschutztechnisch saniert. 30 Millionen Euro werden für Investitionen und 10 Millionen Euro für die Werterhaltung mindestens jährlich gebraucht, ohne Wenn und Aber. Es ist kaum zu glauben, es gibt in der Stadtverwaltung schon wieder ‘Spielchen’, wie man diese Verabredung umgehen kann.”
Das “Spielchen”: 30 Millionen Eigenmittel sollen 2013 für die Kindertagesstätten und Schulen zusammen eingestellt werden. Hört man. “Das ist gegen die Verabredung und Zusicherung des Oberbürgermeisters. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass selbst die SPD-Fraktion ‘ihrem’ Oberbürgermeister nicht glaubt, dass er die in mehreren Interviews gegebenen Versprechen zu den 30 Millionen für Schulen einhält. Die SPD-Fraktion hat jetzt einen Antrag eingebracht, diese Summe festzuschreiben. Die gegenwärtige Situation und Diskussion in der Verwaltungsspitze zeigen, dass der Ernst der Situation nicht erkannt und die Lage unterschätzt wird.”
Die SPD-Fraktion geht noch weiter. Sie will Zahlen haben, mit denen in Dresden Druck gemacht werden kann. Sie hat für die nächste Ratsversammlung am 16. Mai eine Anfrage hinsichtlich der Schülerzahlen an Gymnasien und Mittelschulen in den kommenden Schuljahren eingereicht.”Seit 2000 steigen die Geburtenzahlen in Leipzig Jahr für Jahr. Vor allem in den Gymnasien führt dies zunehmend zu Kapazitätsengpässen”, stellt Ute Köhler-Siegel, schulpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, fest, die die Welle – nachdem sie Nöte in den Kindertagesstätten und dann Engpässe in den Grundschulen ausgelöst hat – nun in den Gymnasien ankommen sieht. Denn die sechs Jahre Puffer, die Rene Hobusch nachträglich beschwört, sind längst vorbei. Leipzig befindet sich im Jahr 12 des Geburtenaufschwungs. Und obwohl die Landesregierung die Zugangskriterien für das Gymnasium verschärft hat, sind die Leipziger Kapazitäten praktisch ausgereizt. “Diese sind in den Eingangsklassen im neuen Schuljahr 2012/13, trotz der Eröffnung eines gymnasialen Standortes in der Bornaischen Straße, mit durchschnittlichen 26,7 Schülern pro Klasse schon jetzt praktisch voll”, sagt Köhler-Siegel.
Und deswegen fragt die SPD-Fraktion die Stadtverwaltung nun ganz konkret:
1. Wie viele Eingangsklassen können an Mittelschulen und Gymnasien in den Schuljahren 2012/13, 2013/14, 2014/15 und 2015/16 gebildet werden? (Bitte getrennt nach Schulträger staatliche und freie Trägerschaft angeben)
2. Wie viele Eingangsklassen müssen an Mittelschulen und Gymnasien in den Schuljahren 2012/13, 2013/14, 2014/15 und 2015/16 gebildet werden bei einer angenommen Übergangsquote von 50/50?
3. Ab welchem Schuljahr reichen die Kapazitäten an Mittelschulen und Gymnasien nicht mehr aus?
Das wird ein ganz spannendes Jahr.
Christopher Zenker, Mitglied im Fachausschuss Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule: “Neben dem Neubau und der Reaktivierung von geschlossenen Schulen brauchen wir dringend ausreichend Mittel zur Werterhaltung der Schulen, da weitere Kapazitätseinschränkungen bei den bestehenden Schulen vermieden werden müssen. Es ist daher notwendig, dass die Steuermehreinnahmen aus 2011 prioritär für Instandsetzungsmaßnahmen an Schulen verwendet werden. Die SPD-Fraktion hat außerdem im März einen Antrag ins Verfahren gebracht, nachdem jährlich mindestens 30 Millionen Euro städtische Eigenmittel für Schulinvestitionen und für die bauliche Wertunterhaltung für Schulen und Schulsporthallen in den Haushalt der Stadt Leipzig eingestellt werden sollen. Wir sind zuversichtlich, dass die Verwaltungsspitze dazu die richtigen Weichenstellungen für den Haushalt 2013 stellen wird.”
Das ist der Antrag, der Margitta Hollick so verärgert hat.
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Aber wie viel Spielraum hat Leipzig tatsächlich? – Zenker: “Wichtig ist jedoch auch, dass der Freistaat seinen Worten endlich Taten folgen lässt und neben der notwendigen Erhöhung der Lehreranzahl auch die bauliche Kapazitätserweiterung in den stark wachsenden Oberzentren Leipzig und Dresden mit einem Sonderprogramm Schulhausbau unterstützt.”
Jüngst erst durfte Sachsens Innenminister Markus Ulbig in Leipzig den Grundstein für die neue Sporthalle am Rabet legen. Freundlich lobte er dabei Leipzig für seinen Geburtenzuwachs. Darauf könne man stolz sein. Nach Hilfe klang seine Rede aber nicht. Nicht einmal nach einer Änderung der sächsischen Förderpolitik. Denn das hatte ja eine Nachfrage des SPD-Landtagsabgeordneten Holger Mann ergeben: Durchschnittlich bekamen etwa der Landkreis Bautzen im Zeitraum 2006 bis 2011 rund 2.011 Euro Schulbauförderung pro Schüler und der Vogtlandkreis sogar pro Schüler rund 2.313 Euro. Leipzig wurde im gleichen Zeitraum mit nur 747 Euro abgespeist. Das reicht nicht, um den von Rene Hobusch beschworenen Bedarf abzubauen.
Und so appelliert Christopher Zenker an jene, die in Dresden dafür verantwortlich sind, dass zumindest das Notwendige getan wird: “Der Freistaat hat allein in Leipzig in den letzten sechs Jahren die Schließung von 19 Schulen veranlasst. Jetzt ist er auch gefordert, wenn es darum geht, neue zu bauen beziehungsweise wieder ans Netz zu nehmen.”
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