Wer - wie Leipzig - auf den Komplettverkauf seiner Stadtwerke oder der Wohnungsgesellschaft verzichtet, der schafft den Schuldenabbau nicht in einem Schwung. Aber schaffbar ist das, ist sich Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) sicher. Erstmals hat er ein Zieldatum genannt für die Null: das Jahr 2037. 25 Jahre.
Ist noch eine Weile hin. Aber ab 2013 soll der Schuldenberg der Stadt jährlich um 25 bis 30 Millionen Euro sinken. 2020, wenn Leipzig ohne Solidarpaktmittel auskommen muss, soll die Pro-Kopf-Verschuldung unter 1.000 Euro liegen. Zum Jahresende 2011 waren es 1.399 Euro. Und damit lag Leipzig knapp unter dem Durchschnitt der deutschen Großstädte. Ab 2013 soll der Schuldenstand jedes Jahr abschmelzen. “Eigentlich sind wir schon mitten im Schuldenabbau”, sagt Finanzbürgermeister Torsten Bonew (CDU), “auch wenn der Schuldenstand in diesem Jahr wieder leicht steigt.” Um 4 Millionen Euro auf 737 Millionen Euro.
Der Grund dafür: Die Stadt nimmt Nettokreditermächtigungen der Vorjahre in Anspruch. “Wir hängen bei den Investitionen ungefähr 18 Monate hinterher”, sagt Bonew. “Hätten wir die Investitionen beginnen können, als sie geplant waren, wäre der Schuldenstand in den Jahren 2009 und 2010 höher ausgefallen – und wir würden jetzt das Abschmelzen beobachten.”
Der Investitionsstau hat mit der restriktiven Genehmigungspolitik für Fördergelder insbesondere beim Freistaat Sachsen zu tun. Wichtige Projekte etwa im Schulbau liegen auf Eis, werden immer wieder verschoben.
Ohne Fördergelder könnte Leipzig aber nicht im notwendigen Umfang investieren. Jung ist schon froh darüber, dass er in den aktuellen Haushalten eine Investitionssumme von 100 Millionen Euro darstellen kann. “Jeder Euro, den wir weniger für Kredite aufwenden müssen, fließt sofort in die so dringend benötigten Investitionen wie Schulen, Kindergärten, Straßen, Brücken …”
Mehr Spielraum bekommt die Stadt aber erst, wenn der Schuldenberg deutlich sinkt.
Andererseits mache sich das straffe Schuldenmanagement seit 2006 längst positiv bemerkbar, so Jung. Als er damals das Amt des OBM übernahm, hatte Leipzig noch 900 Millionen Euro Schulden (der Maximalstand war 2004 mit 911 Millionen). 2009 konnte eine 100-Millionen-Euro-Anleihe zurückgezahlt werden.
Positive Effekte zeigt auch das von Torsten Bonew forcierte Kreditmanagement, mit dem auch die Zinslast gesenkt werden konnte. Dabei konnte er die aktuell niedrigen Zinssätze auf den Märkten nutzen. Was den Zinsdienst von eingeplanten 31,1 Millionen Euro auf 19,5 Millionen senkte. Immerhin eine Ersparnis von 11,6 Millionen Euro.
2013 greift auch erstmals der Stadtratsbeschluss, der eine Forderung der Landesdirektion Leipzig (im Zusammenhang mit der Bürgschaft für das 290-Millionen-Euro-Risiko der Wasserwerke) aufgenommen hat: Die Nettokreditaufnahme wird erstmals auf 25,3 Millionen Euro begrenzt. 2012 nimmt Leipzig noch einmal knapp 66 Millionen Euro auf – tilgt im Gegenzug aber auch wieder Kredite in Höhe von 48 Millionen Euro.
Der Posten, auf den Jung baut, sind höhere Steuereinnahmen. Bis 2020 hofft er auf eine Verdopplung. Das wären 200 Millionen Euro mehr. “Ich denke, das ist realistisch”, sagt er. Auch in den Börsen der Leipziger kommen die Lohnsteigerungen in diesem Jahr endlich an. Gleichzeitig sank die Zahl der Arbeitslosen. “Was auch dazu führte, dass unsere Sozialausgaben sinken konnten”, so Jung. Seit 2010 um rund 10 Millionen Euro.
So dass er bis 2015/2016 auch die Spielräume sieht, stabil jedes Jahr 100 Millionen Euro für Investitionen im Haushalt darstellen zu können. “Danach”, so sagt er, “wäre es mein erklärtes Ziel, diese Summe nach und nach zu steigern.” Auch vorher schon solle jeder Euro, der zusätzlich eingespielt würde, in Investitionen fließen.Gleichzeitig sind auch die kommunalen Unternehmen angehalten, ihre Verbindlichkeiten deutlich abzubauen. Noch trägt die Stadt Bürgschaften in Höhe von 465 Millionen Euro, der größte Posten darin die Bürgschaft für die Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft (LWB). Aber auch die schaffte im letzten Jahr, die notwendige Bürgschaftssumme von 372 auf 307 Millionen Euro zurückzuführen.
Wichtig ist dieser Posten, weil die Stadt Leipzig 2017 auch erstmals einen konsolidierten Gesamthaushalt vorlegen muss – mit ihren kommunalen Beteiligungen. Da soll die gesamte Bürgschaftssumme dann auf unter 300 Millionen Euro gesunken sein, so Jung.
Das nächste große Ziel ist tatsächlich das Jahr 2020. “Bis dahin müssen wir es schaffen, ohne die Gelder aus dem Solidarpakt auszukommen”, sagt Bonew. “Und wir gehen auch davon aus, dass wir ab dann keine Gelder mehr aus dem Solidarpakt bekommen.” Diese Gelder werden nicht 1:1 von den westdeutschen Kommunen an die ostdeutschen weitergereicht, wie oft in diversen Medien kolportiert wird. Sie sind Teil des Finanzausgleiches, der auch nach 2019 bestehen bleibt. Ohne diesen Ausgleich ihrer Steuerschwäche würden gerade ostdeutsche Städte auch dann nicht auskommen.
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Aber schon jetzt schmelzen ja die Summen, die über den aktuellen Solidarpakt II umverteilt werden, jährlich ab. Für Leipzig etwa bedeutet das jedes Jahr ein Abschmelzen zwischen 10 bis 15 Millionen Euro. Bislang war das für Leipzig zu bewältigen, weil in gleichem Maße die Steuereinnahmen stiegen. “Und ich denke, es ist gar nicht so gewagt, davon auszugehen, dass die Steuereinnahmen auch in den nächsten Jahren so weitersteigen werden”, sagt Jung. “Die neuen Produktionsstrecken bei Porsche und BMW gehen erst 2013, 2014 in Betrieb. Das sind auch neue Arbeitsplätze und neue Einkommen.”
1.000 Euro Schulden pro Kopf – das würde 2020 einen Schuldenstand von 525 Millionen Euro bedeuten. “Wir haben ganz bewusst nicht mit einer steigenden Bevölkerungszahl gerechnet”, sagt Bonew, “sondern mit den 525.000 aus dem Juni 2011.” Der Abbau würde schon fast allein aus der gedeckelten Kreditaufnahme von 25 Millionen Euro resultieren, wenn zeitgleich die Kredittilgung bei 50 Millionen Euro bleibt.
“Und jeder Euro, den wir nicht mehr in den Zins-und Kreditdienst stecken müssen, kommt den Investitionen zugute”, sagt Jung. “Nur so verschaffen wir uns die Freiräume, mit denen wir investieren können.”
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