Die Leipziger Grünen-Fraktion ist froh, dass endlich eine Vorlage zur Einführung einer Informationsfreiheitssatzung für Leipzig im Umlauf ist. Immerhin hatte sie schon im November 2010 ihren Antrag "Gläsernes Rathaus: Informationsfreiheitssatzung für Leipzig" ins Verfahren eingebracht. Am 20. Juni 2012 könnte Leipzig nun als erste ostdeutsche Kommune und als zweite deutsche Großstadt eine Informationsfreiheitssatzung bekommen.
Tim Elschner, Vorstandsmitglied der Leipziger Grünen und Stadtbezirksbeirat in Leipzig-Mitte, treibt das Thema seit 2009 voran: “Damals noch hat der zuständige Bürgermeister Müller keinen Bedarf an einer solchen gesehen. Insofern habe ich mich über den grundsätzlich bejahenden Verwaltungsstandpunkt zum Grünen-Antrag vom März 2011 gefreut. Die jetzige Vorlage zeigt nun aber, dass Politik stets ein starkes, langsames Bohren von harten Brettern bedeutet, wenn es um mehr Transparenz und Partizipation geht.”
Verwaltungen bewegen sich ungern. Aber sie bewegen sich. Manchmal hilft sogar die Rückschau, um zu sehen, was passiert ist. Aber auch das 2006 eingeführte Ratsinformationsprogramm eRis ist Teil der allmählich entstehenden Transparenz in der Verwaltungsarbeit. Mittlerweile beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe mit der Weiterentwicklung des auch aufgrund der Grünen-Initiative 2006 eingeführten Ratsinformationssystems. Denn da findet man zwar alle möglichen Unterlagen zu Ratssitzungen, Dienstversammlungen und Ausschüssen. Aber man muss schon wissen, wo sie behandelt wurden, sonst findet man sie nicht. Auch die Stichwortsuche liefert eher einen Berg Daten als eine saubere Auflistung.
Ziel muss sein, dass unterschiedlichste kommunale Informationen nicht nur irgendwie und irgendwo verstreut und eher zufällig ins Netz gestellt werden, sondern strukturiert, nutzerfreundlich und umfassend verfügbar sein müssen. Tim Elschner bedauert, dass die Verwaltung noch nicht darauf eingerichtet ist, dass grundsätzlich jedes Dokument im Einklang mit Datenschutz und Rechten Dritter auch zur Veröffentlichung bestimmt ist. Seiner Ansicht bedarf es einer “Open Data”-Strategie der Verwaltung, denn Transparenz sei nicht eine Holpflicht der interessierten Öffentlichkeit, sondern eine Bringschuld der Verwaltung.
Heißt: Alle relevanten Informationen liegen schon öffentlich bereit, bevor ein Thema zur Beschlussfassung geht. Und sie sind für den Bürger leicht zu finden. Dafür muss auch das gegenwärtige eRis neu gedacht werden. Nutzerfreundlicher, logischer und auch so, dass ein fehlendes Stichwort nicht daran hindert, den Verwaltungsvorgang zu finden.
Das spielt auch schon bei der neuen Informationsfreiheitssatzung eine Rolle. Die enthält sogar noch einige zusätzliche Hürden – wie die neue Gebührentabelle, die parallel zur Satzung verabschiedet werden soll und Kosten von 5 bis 500 Euro pro Abfrage vorsieht.
“Ein Unding”, findet Ingo Sasama, verwaltungspolitischer Sprecher der Grünen-Stadtratsfraktion. “Wir fordern, um das Informationsrecht nicht zu behindern, dass mündliche und einfache schriftliche Auskünfte auch bei Aushändigung von wenigen Abschriften grundsätzlich gebührenfrei sein müssen. Dies vor dem Hintergrund, dass bereits heute schon Einwohneranfragen gebührenfrei sind und dementsprechende Tätigkeiten ohnehin ständiges Verwaltungshandeln sind.”
Ihr Paket von Änderungsanträgen hat die Grünen-Fraktion am 15. Mai ins Verfahren gegeben. Denn ohne Logik und Barrierefreiheit macht die ganze Informationsfreiheit keinen Sinn. Die Stadt will, dass die informationssuchenden Bürger die zuständige Stelle aufsuchen, um nachzufragen. Das ist “von Amts wegen” gedacht: Nicht der Beamte bewegt sich, sondern der Bürger hat zu laufen.
Quatsch, finden die Grünen. Sasama: “Um interessierten Personen die Antragstellung weiter zu erleichtern, aber auch die Verwaltung zu entlasten, schlagen wir vor, eine zentrale Anlaufstelle zu etablieren.”
Möglich wäre das Stadtbüro, wichtig die Anbindung im Dienstbereich des OBM. Denkbar ist Vieles, auch eine Kopplung mit dem Bürgertelefon. Denn das logische Modell heißt: Der Bürger wendet sich mit seiner Frage an eine einzige zentrale Stelle, die ihm die verlangten Informationen besorgt. Und wenn es doch mehr sein sollten als zwei, drei Kopien einer Akte, soll er mindestens einen Kostenvoranschlag bekommen, damit er weiß, ob es den Aufwand auch lohnt.Nur Leipziger sollen Informationen abfragen dürfen, meint der Verwaltungsvorschlag.
Die Grünen: “Einen Antrag auf Zugang zu Informationen soll jedermann stellen können, unabhängig davon, ob er Einwohner der Stadt Leipzig ist oder nicht. Außerdem sollen auch juristische Personen, Bürgerinitiativen und Vereine ein Antragsrecht erhalten.”
Laut Vorlage dürfen Anträge auf Zugang zu Informationen nur schriftlich oder in elektronischer Form gestellt werden. Für die Grünen eindeutig eine künstlich aufgebaute Barriere. Sasama: “Dies beeinträchtigt jedoch Menschen, die egal aus welchen Gründen, Probleme mit dem Schreiben haben. Für uns ist hier ebenso wenig nachvollziehbar, weshalb die Stadtverwaltung diese unnötigen Barrieren aufbaut. Wir fordern deshalb: Die Antragstellung soll auch zur Niederschrift gestellt werden können.”
Und da gerade wieder einmal die Verkaufspläne der Stadt für zwei Tochterunternehmen der Stadtwerke die Öffentlichkeit beschäftigen, stellt sich für Elschner und Sasama auch die Frage: Warum gilt der Informationsanspruch nicht für städtische Beteiligungsgesellschaften, an denen die Stadt mit mindestens einem Anteil von mindestens 50 Prozent beteiligt ist? Oder für alle einer Aufsicht der Stadt Leipzig unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechtes? – Dies ist für uns unverständlich, denn auch hier fließen Steuergelder der Leipziger BürgerInnen hin.”
Natürlich berührt das auch den Bereich von Betriebsgeheimnissen. Wo zieht man die Grenze? Und: Was sind eigentlich die schützenswerten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die die Verwaltung in § 9 schützen will? – Wie so etwas ausgenutzt werden kann, hat ja ein derzeit vor Gericht zitierter ehemaliger KWL-Geschäftsführer mit aller Unverfrorenheit vorgemacht. Selbst den Aufsichtsrat scheint er an der Nase durch die Manege geführt zu haben.
Hier wollen die Grünen freilich noch nicht drauflospreschen. Aber ein einfaches “No!” aus einer der städtischen Firmen reiche auch nicht. Sasama: “Wir meinen: Hier fehlt es an einer Abwägungsklausel, die eine Interessenabwägung möglich macht! Denn das Interesse der Allgemeinheit an der Offenlegung der Information kann wichtiger sein, als das Geheimhaltungsinteresse von Stadtverwaltung, städtischen Eigenbetrieben oder städtischen Beteiligungsgesellschaften. Es sei denn, bei den letzten beiden könnte durch eine Veröffentlichung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ein wirtschaftlicher Schaden entstehen.”
Aber wenn es um das Hab und Gut und das Wohlergehen der Leipziger geht, müsse deren Anliegen im Vordergrund stehen. Sasama: “So wollen wir in diesem Zusammenhang in der Informationsfreiheitssatzung geregelt haben, dass künftig Verträge der Daseinsvorsorge grundsätzlich veröffentlicht werden können.”Nächste Hürde, die die Verwaltung aufgebaut hat: die Zeit. Ein Monat Bearbeitungsfrist ist nach dem Verwaltungsvorschlag vorgesehen. Was Unfug ist. Selbst der aktuelle Skandal um die “Herrenlosen Grundstücke” zeigt, wie schnell Verwaltungsentscheidungen gefällt werden können, wenn diverse Interessen ins Spiel kommen. “Informationen müssen sofort herausgegeben werden”, sagt Sasama, “alles andere macht keinen Sinn.”
Deswegen sei eine kompetente Anlaufstelle notwendig. Und eine Schulung der Rathausmitarbeiter sowieso. Denn sie müssen wissen, wie sie auf Anfragen reagieren müssen, welche Akten zur Veröffentlichung freigegeben sind – und welche nicht. Auch darüber muss der Bürger eine Auskunft bekommen. Wenn er das Notwendige nicht sogar schon im Internet findet. Das wäre das Ideal.
“Prinzip der maximalen Öffentlichkeit” nennen es die Grünen. Sasama: “Das heißt, alle rechtlichen Ermessensspielräume werden ausgeschöpft, um eine frühestmögliche elektronische Veröffentlichung aller den Entscheidungsprozessen des Rates zugrunde liegenden Informationen zu ermöglichen.”
Denn es geht ja nicht nur um Neugier oder einige einzelne ärgerliche Vorgänge. Es geht um eine andere Art von Politik, bei der die Amtsinhaber nicht immer wieder ihren Informationsvorteil gegen die Bürger ausspielen. Auch gegen qualifizierte Bürger. Das wird oft vergessen. In der Politik mögen die aktiven Bürger Amateure sein – auf ihren Berufsfeldern aber sind sie oft größere Profis als jeder Amtsleiter: Architekten, Unternehmer, Umweltschützer, Rechtsanwälte …
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Ziel ihres Vorstoßes ist für die Grünen “die Etablierung einer proaktiven Veröffentlichung von unterschiedlichsten Informationen, wie zum Beispiel Dienstanweisungen, Gutachten, Geodaten, Baumkataster, Gerichtsentscheidungen oder Verträgen. Ziel: Förderung der Meinungs- und Willensbildung sowie Ermöglichen einer Kontrolle des Verwaltungshandelns.”
Und das Vorbild jener Kommunen, die schon seit Jahren solche Transparenzsatzungen haben, zeigt: Sie werden nicht mit Bergen von Anfragen überhäuft. Die Zahl der Anfragen ist durchaus überschaubar. Der Bürger ist kein wildgewordenes Wesen, dass den armen Amtsschimmeln nun noch mehr Arbeit aufbürdet.
Dafür werde Entscheidungsprozesse nachvollziehbarer. Und es wird auch sichtbarer, wie kompetent die unterschiedlichen Ämter arbeiten.
Und wenn sich Verwaltungsinstanzen scheinbar zu Unrecht hinter Persönlichkeits- oder Geheimnisschutz verstecken, braucht es natürlich eine Instanz, die der Bürger anrufen kann. Deswegen fordern die Grünen zusätzlich die Einrichtung einer Schiedsstelle. Das könne durchaus der Datenschutzbeauftragte der Stadt sein.
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