Sie setzt auf die vielen Leipziger, "die zu Recht unzufrieden sind und endlich eine andere Politik wollen", sagt die linke OB-Kandidatin Dr. Barbara Höll. Im Wahlkampf will die Bundestagsabgeordnete von der Verwaltungserfahrung der Bürgermeister Heiko Rosenthal und Michael Faber profitieren und "keine realitätsfernen Forderungen erheben".
Frau Dr. Höll, was ist für Sie das Besondere an Leipzig?
Mich fasziniert der Charme und das Selbstbewusstsein der Menschen in unserer Stadt – verbunden mit dem weichen Leipziger Dialekt. Man spürt die fast tausendjährige Tradition einer selbstbewussten Bürgerschaft, die eine bemerkenswerte Weltoffenheit und enorme Kulturvielfalt hervorgebracht hat.
Bei letzterem denke ich vornehmlich an das Gewandhaus und den 800 Jahre alten Thomanerchor sowie die bunte Freie Szene, zu der ich auch die tolle, bundesweit einmalige Kabarettlandschaft in der Innenstadt zähle.
Sie bewerben sich nun zum zweiten Mal nach 2005 um das Amt des Leipziger Stadtoberhauptes. Warum suchen Sie diese erneute Herausforderung?
Leipzig nutzt zu wenig seine Potenziale, weil der Amtsinhaber kein Kreuz gegenüber der Landesregierung hat und die Kommunalpolitik nicht nur nach meiner Überzeugung viel zu sehr von Luftschlössern, Nebelkerzen und Jubelarien geprägt ist. Das will ich gemeinsam mit vielen Akteurinnen und Akteuren der Stadtgesellschaft ändern, und dafür trete ich mit meinem ganzheitlichen Politikansatz an: Leipzig ist für mich Solidarstadt, Bürgerstadt, Kultur- und Kreativstadt sowie Wirtschaftsstadt.
Im Oberbürgermeisterwahlkampf 2006 hatte man bei den Auftritten des Linken-Kandidaten Dietmar Pellmann mitunter den Eindruck, sein erstes Wahlziel sei es, die Linken als Partner des späteren Oberbürgermeisters Burkhard Jung und der SPD zu empfehlen. Setzen Sie dieses Mal wirklich auf Sieg, oder nur auf einen besseren Platz der Linken im örtlichen Parteiensystem?
Ich habe ganz klar die Punkte genannt, die mir für Leipzig wichtig sind. Und damit kämpfe ich mit aller Ernsthaftigkeit um das höchste politische Amt in dieser Stadt.
Mittlerweile wirken in Leipzig mit Heiko Rosenthal und Michael Faber zwei Bürgermeister, die auf Vorschlag der Linken ins Amt kamen. Wie werden die Erfahrungen der beiden Herren aus ihrem Verwaltungshandeln und dem politischen Umgang mit ihnen den Wahlkampf einer Oberbürgermeisterkandidatin der Linken prägen?
Ich schätze beide menschlich und fachlich sehr. Sie leisten hervorragende Arbeit und haben nachgewiesen, dass linke Bürgermeister sehr wohl im Interesse der gesamten Stadtgesellschaft agieren können. Als Oberbürgermeisterkandidatin werde ich wesentliche inhaltliche Positionen natürlich mit beiden konstruktiv abstimmen und keine realitätsfernen Forderungen erheben. Und von ihrer Verwaltungserfahrung hoffe ich natürlich schon im Wahlkampf zu profitieren.
Wie wird sich im Wahlkampf die Zusammenarbeit mit der Linken-Ratsfraktion und deren Vorsitzenden Ilse Lauter gestalten, mit der Sie sich einen Wettstreit um die OB-Kandidatur Ihrer Partei geliefert haben?
Die Zusammenarbeit möchte ich mit der Fraktion als Ganzes intensivieren. Mein Wahlprogramm wird in enger Abstimmung und Kooperation mit unseren 17 Stadträtinnen und Stadträten entstehen, so dass wir dann im Wahlkampf programmatisch an einem Strang ziehen.
Auf welche Unterstützergruppen außerhalb des unmittelbaren Parteiumfeldes werden Sie in Ihrem Wahlkampf setzen?
Ich setze auf die vielen Menschen in unserer Stadt, die zu Recht unzufrieden sind und endlich eine andere Politik an der Stadtspitze wollen. Das reicht von den zahlreichen Bürgervereinen, die nicht genügend einbezogen werden, über die vielfach unbeachteten Kleinst- und Kleinunternehmer bis hin zu all denjenigen, die ein Ende der zahlreichen Skandale – ich nenne als Stichworte nur die Pension von Herrn Hanns oder die “herrenlosen Häuser” – herbei sehnen. Mit vielen Leipzigerinnen und Leipzigern, Verbänden und Unternehmen besteht ja bereits seit Jahren ein enger Kontakt, den ich den folgenden Wochen und Monaten intensivieren werde.
Welche Aufgaben würde eine Oberbürgermeisterin Barbara Höll als Erste angehen?
OBM-Wahlkampf 2013: Grünen-Vorstand nominiert den Nachhaltigkeitsforscher Felix Ekardt
Seit Mittwoch, 21. März, steht jetzt auch fest …
Mit 48 zu 40 Stimmen nominiert: Barbara Höll ist die Linke-Kandidatin zur OBM-Wahl 2013
Seit Freitag, 9. März, ist die erste Herausforderin …
Am ersten Tag nach der Wahl würde ich mich zunächst den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rathaus persönlich vorstellen, ihnen meine Vorstellungen erläutern und mir ihre Überlegungen anhören. Daraus resultiert dann eine Bestandsaufnahme, welche Punkte aus dem Wahlprogramm, das ja bekanntlich erst noch erarbeitet werden muss, zuerst angepackt werden sollten. Auch würde ich sofort eine Sprechstunde für die Angestellten der Stadtverwaltung einrichten, damit etwaige Probleme schnellstmöglich gelöst werden oder einfach nur mal etwas von der Seele geredet wird.
Den neuen Bundespräsidenten Joachim Gauck haben Sie als Mitglied der Bundesversammlung wahrscheinlich nicht gewählt. Welche Schwerpunkte würde eine Oberbürgermeisterin Barbara Höll bei der für 2014 geplanten Einweihung des Freiheits- und Einheitsdenkmals setzen, zu der wohl auch Bundespräsident Joachim Gauck kommen dürfte?
Das Denkmal, das bekanntlich von der Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt wird, ist beschlossen und wäre damit gewissermaßen eine “Erblast”.
Die Stadt Leipzig und ihre Bürgerinnen und Bürger sind zu Recht stolz auf ihren Beitrag zur friedlichen Wende. Ich würde in meiner Rede zur Denkmalseinweihung an den Kerngedanken vom Herbst 1989 “Wir sind das Volk” erinnern und deutlich machen, dass diese Gesellschaft 25 Jahre später leider viele damalige Hoffnungen und Erwartungen nicht erfüllt hat.
Und an Herrn Gauck adressiert: In der Armutshauptstadt Leipzig fühlen sich viele Menschen aufgrund ihrer schwierigen Lebenssituation ausgeschlossen und können die gewonnene politische Freiheit kaum nutzen, weil sie sich schon eine Fahrt ins Stadtzentrum kaum leisten können.
Diese wachsende Diskrepanz zwischen individuellen, persönlichen und sozialen Freiheitsrechten darf nicht länger ignoriert, beziehungsweise schön geredet werden. Das betretene Schweigen der Vielen wird von der politischen Klasse in diesem Land und auch in unserer Stadt oftmals als Zustimmung der Mehrheit zur herrschenden Politik missdeutet.
Sie wollen im Wahlkampf auf Ihre besonderen Kompetenzen als Frau setzen. Wünschen Sie sich eigentlich weitere Frauen in dem Bewerberfeld?
Ich weiß zwar nicht, auf welche besonderen Kompetenzen Sie anspielen. Allerdings ist es in der Tat so, dass Frauen durch ihre breitere Lebenserfahrung gegenüber Männern – Stichwort Doppelbelastung in Beruf und Familie – ein etwas anderes Herangehen an Probleme haben. Als Mutter von drei Kindern weiß ich, wovon ich rede.
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