Im Leipziger Süden demonstrierten nach Polizeiangaben 200 Menschen am Dienstagabend gegen Gentrifizierung in Leipzig. Anlass darüber hinaus war der aktuelle Streit um den Erhalt des "Schokoladens" in Berlin-Mitte. Das Wohn- und Kulturprojekt sollte ursprünglich diese Woche Mittwoch geräumt werden. Aufgrund massivem öffentlichen Drucks wurde die Räumung zwischenzeitlich ausgesetzt.
Bis Ende März möchten Nutzer und Eigentümer im Berliner Fall des “Schokoladen” nun eine einvernehmliche Lösung finden.”Solche Verhandlungen sehen wir als sehr kritisch”, erklärte ein Vertreter von “Wir bleiben hier”. Sie seien in der Vergangenheit in der Hauptstadt durchweg gescheitert.
Die Leipziger Initiativgruppe hatte zu dem Protest aufgerufen und die Demo sollte auch einen Bogen nach Leipzig schlagen: Denn in der Messestadt sind längst städtebauliche Prozesse im Gange, die aus Sicht der Organisatoren Verdrängung nach sich ziehen würden. “Wir wollen auch eine Problematik in den Fokus rücken, die seit mehreren Monaten in Leipzig heftig diskutiert wird”, sagte Stadträtin Juliane Nagel (Die Linke) in einem Redebeitrag. “Es geht um Gentrifizierung, womit städtebauliche Aufwertung und mit soziokulturellen Wandel verbundene Verdrängung von Menschen oder Projekten gemeint ist.”
Sie schilderte dieses Phänomen am Beispiel dreier Wohnkomplexe in Windmühlen- und Kantsraße, die jüngst von der städtischen LWB an private Investorien veräußert worden sind. “Die von den neuen Eigentümern avisierten Sanierungen werden unweigerlich Mietsteigerungen nach sich ziehen.” Sollten diese Fälle Schule machen, befürchtet die Politikerin, dass Geringverdienende oder Empfänger von Arbeitslosengeld eines Tages in bestimmten Stadtteilen keinen Zugang zum Wohnungsmarkt mehr haben werden.
“Immobilienverbände haben prognostiziert, dass Leipzig weiterhin mit steigenden Mieten konfrontiert sein wird”, so Nagel. “Auf der anderen Seite gilt Leipzig als Armutshauptstadt Deutschlands. Jeder vierte Einwohner ist hier von Armut bedroht.”
Nicht zuletzt deshalb machten die Demonstranten ihrem Ärger Luft. “Wohnraum für alle – Gentrifizierung stoppen” stand auf ihrem knallroten Fronttransparent. Ab 19.55 Uhr zogen sie damit von von der Wolfgang-Heine-Straße aus über die Karl-Liebknecht-Straße, Richard-Lehmann-Straße, Altenburger Straße, Kantstraße, Arthur-Hoffmann-Straße und Windmühlenstraße in die Innenstadt bis zur Moritzbastei.
Dabei skandierten sie lautstark Parolen wie “Kein Gott, kein Staat, kein Mietvertrag” oder “Die Häuser denen, die drin wohnen.” Eine Samba-Gruppe verlieh ihren Parolen mit wütenden Trommelschlägen Nachdruck. Wegen der Versammlung kam es im Süden und im Zentrum zeitweise zu Verkehrsbehinderungen. Die Veranstaltung verlief aus Sicht der Polizei “ruhig und friedlich” und wurde gegen 21.15 Uhr beendet.
Keine Kommentare bisher