Fast alle Monate des Jahres 2024 waren zu warm, drei sogar extrem zu warm. Zu dieser Einschรคtzung kommt das Landesamt fรผr Umwelt, Landwirtschaft und Geologie in seine Bilanz des Wetters im vergangenen Jahr. Das Jahr 2024 war geprรคgt von groรŸen Gegensรคtzen. Extrem zu trockene und viel zu nasse Monate folgten direkt aufeinander.

Den extremsten Wetterumschwung gab es im April. Er startete sommerlich mit Temperaturen teils um die 25 Grad und mรผndete in der zweiten Hรคlfte in einem auรŸergewรถhnlichen Spรคtfrostereignis, das insbesondere im Obst- und Weinbau zu massiven Schรคden bis hin zum Totalausfall fรผhrte. Das stellt Landnutzer und die Gesellschaft gleichermaรŸen vor groรŸe Herausforderungen. Sie mรผssen sich kรผnftig auf eine weiter steigende Variabilitรคt der Witterung einstellen und an die Folgen des Klimawandels anpassen.

Dieses Fazit zogen das Sรคchsische Landesamt fรผr Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) und der Deutsche Wetterdienst (DWD) beim 13. Pressegesprรคch โ€žWetter trifft auf Klimaโ€œ am Donnerstag, 23. Januar, in Dresden. Vorgestellt wurde, wie sich die Witterung 2024 im Vergleich zur Klimareferenzperiode 1961โ€“1990 klimatologisch einordnen lรคsst und welche Auswirkungen die von starken Gegensรคtzen geprรคgte Witterung auf Umwelt, Land- und Forstwirtschaft hat.

Das wรคrmste Jahr seit 1881

Danach war das Jahr 2024 mit +2,8 Grad das wรคrmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1881 in Sachsen und wurde als โ€žextrem zu warmโ€œ eingestuft. Der Erwรคrmungstrend setzt sich damit nicht nur fort, sondern nahm noch einmal deutlich an Fahrt auf im Vergleich zu den letzten beiden wรคrmsten Jahren 2023 (+2,3 Grad) und 2022 (+2,1 Grad).

Zudem waren mit Ausnahme der Monate Januar und November alle Monate mindestens โ€žzu warmโ€œ, wobei die Monate Februar, Mรคrz, Mai und August โ€žextrem zu warmโ€œ waren. Besonders heraus stechen der Februar und der Mรคrz, die mit +6,7 Grad beziehungsweise +4,1 Grad als die wรคrmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in die Statistik eingehen.

Besonders markant war der April, der mit mehreren Sommertagen (Lufttemperatur โ‰ฅ 25 ยฐC) startete und in der zweiten Aprilhรคlfte einen auรŸergewรถhnlich starken Temperatursturz erfuhr mit dem Hรถhepunkt der Frostnacht vom 22. auf den 23. April 2024 mit erheblichen Schรคden im Obst- und Weinbau.

Die Anzahl der Sonnenstunden ist im Vergleich zur Referenzperiode um 20 Prozent angestiegen, sodass das Jahr 2024 als โ€žviel zu sonnenreichโ€œ eingestuft worden ist. Mit einem Plus von 24 Prozent war der Sommer โ€žextrem zu sonnenreichโ€œ. Interessanterweise war auch die Anzahl der Sonnenstunden im regenreichen September 29 Prozent hรถher als im Referenzzeitraum 1961โ€“1990.

Negative Wasserbilanz

Beim Jahresniederschlag wurde ein geringer รœberschuss mit +1 Prozent registriert. Deutlich verรคndert hat sich die innerjรคhrliche Verteilung des Niederschlags, die zunehmend ungleichmรครŸiger wird. So resultiert der leichte Niederschlagsรผberschuss 2024 zu einem groรŸen Teil aus Starkregenereignissen, einerseits aus flรคchigem Dauerregen und andererseits aus konvektivem Starkregen. Die hรถchsten Monatsniederschlรคge mit einem รœberschuss von 117 Prozent traten im September auf, der als โ€žextrem zu niederschlagsreichโ€œ eingestuft wurde. In die andere Richtung schlรคgt der Mรคrz aus mit einem Niederschlagsdefizit von 61 Prozent, der damit โ€žextrem zu niederschlagsarmโ€œ ausfiel.

Der Jahresniederschlag 2024 (Abweichungen im Vergleich zur Referenzperiode 1961โ€“1990). Grafik: LfULG
Jahresniederschlag 2024 (Abweichungen im Vergleich zur Referenzperiode 1961โ€“1990). Grafik: LfULG

Trotz des ausgeglichenen Niederschlags 2024 weist die klimatische Wasserbilanz (Niederschlag minus Verdunstung) in Sachsen gegenรผber der Klimareferenzperiode 1961โ€“1990 ein Bilanzdefizit von 105 Litern pro Quadratmeter aus. Dieses Defizit resultiert ausschlieรŸlich aus der auf mittlerweile +23 Prozent gestiegenen potenziellen Verdunstung. Zum Vergleich: Im Jahr 2023 lag der Verdunstungsรผberschuss bei 11 Prozent. Dieser Effekt wird maรŸgeblich durch das weiterhin steigende Temperaturniveau sowie durch die Zunahme der Sonnenstunden (Globalstrahlung) verursacht.

Weiter zu niedrige Grundwasserstรคnde

Aus atmosphรคrischer Sicht ist festzustellen, dass sich die im Jahr 2023 vorรผbergehend eingestellte Entlastung der seit mindestens 2018 sichtbaren Trockenphase im Jahr 2024 nicht weiter fortgesetzt hat. Durch die hohen Verdunstungsraten und das damit einhergehende unterdurchschnittliche potenzielle Wasserdargebot ist zudem nicht davon auszugehen, dass sich die hydrologische Trockenheit, gekennzeichnet durch niedrige Grundwasserstรคnde, sehr bald erholen kann. MaรŸgeblich hierfรผr wird der Witterungsverlauf der nรคchsten Jahre sein.

Aus Sicht des Bodenwasserhalts ist die Winterperiode 2023/24 als รผbermรครŸig feucht einzustufen, wรคhrend die Vegetationsperiode 2024 von einem erheblichen Verdunstungsanspruch geprรคgt war. Unter leichten Bรถden (Sand), wie sie in Nordsachsen verbreitet vorkommen, und mittleren Bรถden (Sand-LรถรŸ) im LรถรŸ-Hรผgelland, das sich mรคandrierend von West- nach Ostsachsen erstreckt, waren die beobachteten Sickerwassermengen รผberdurchschnittlich, teilweise auรŸergewรถhnlich.

Hingegen wurde unter den schweren Bรถden des LรถรŸ-Hรผgellands und teilweise auch im Mittelgebirge in den vergangenen Jahren teilweise eine anhaltende, mehrjรคhrige Sickerlosigkeit beobachtet. Das Bodenwasserspeicherdefizit konnte auch 2024 nicht vollstรคndig aufgefรผllt werden und bewegt sich auf einem Niveau, bei dem auch ein รผberdurchschnittlich nasser Winter nicht ausreicht, um den Speicher aufzufรผllen.

Von extrem niedrigen Grundwasserstรคnden im Oktober 2023 ausgehend, fรผhrten รผbernormale Niederschlรคge von November 2023 bis Februar 2024 bei einem gleichzeitig hohen Temperaturniveau zu einer frรผhen und rasanten Auffรผllung des Grundwassers. Im Sommer drehte sich das Blatt und die Grundwasserstรคnde gingen rasant zurรผck. Im Jahresmittel lag der Grundwasserstand knapp unter dem mehrjรคhrigen Mittelwert, sodass sich die 2014 beginnende, ungewรถhnlich lange Phase ohne nachhaltige Erholung des mittleren Grundwasserstands in Sachsen fortsetzt.

Das Grundwasser hat ein langes Gedรคchtnis: In den letzten zehn Jahren dominierten sehr warme Winterhalbjahre mit wenig Schneerรผcklage und einem hohen Regenanteil im Niederschlag sowie unternormale Niederschlรคge insgesamt in dieser Periode bei einem weiter angestiegenen Verdunstungsanspruch der Atmosphรคre, auch โ€žDurst der Atmosphรคreโ€œ genannt.

In den Flรผssen und Bรคchen wechselten sich Niedrigwasser und Hochwasser ab, was die Gegensรคtze des Jahres 2024 untermauert. Mit dem Winterhochwasser im Dezember 2023/Januar 2024 war zum ersten Mal seit 2013 ein รผberregionales Hochwasser zu verzeichnen. Vom Frรผhjahr bis in den Spรคtsommer war das Abflussjahr teilweise von Niedrigwasser geprรคgt. Im September wurde Sachsen, insbesondere im Elbestrom, erneut von einem Hochwasser heimgesucht, das vor allem durch die Starkniederniederschlรคge im tschechischen Einzugsgebiet von Moldau und Elbe ausgelรถst wurde.

Das Vb-Tief รผber Polen, Tschechien und ร–sterreich streifte Sachsen nur am Rande, sodass eine Hochwasserkatastrophe wie an der Oder ausblieb. Dennoch wurden im Elbestrom und in der Lausitzer NeiรŸe Wasserstรคnde im Bereich der Alarmstufe 3 erreicht. Sowohl beim Winterhochwasser 2023/2024 als auch bei sommerlichen Ereignissen konnten die von der Landestalsperrenverwaltung Sachsen als Mehrzweckspeicher betriebenen Stauanlagen, dort wo mรถglich, die Hochwasserdurchflรผsse signifikant reduzieren.

Belastungen fรผr Forst- und Landwirtschaft

In der Wald- und Forstwirtschaft setzt nach wie vor keine nachhaltige Entspannung ein. Trotz gรผnstiger Niederschlagsbedingungen 2024 sind lokal nur minimale Verbesserungen der mittleren Kronenverlichtung auszumachen, sodass sie in allen Regionen auf einem hohen Niveau verbleibt. Die kritische Vitalitรคtsentwicklung der Eichen ist vor allem durch den Witterungsverlauf bedingt. Das Spรคtfrostereignis im April fรผhrte zu massiven Schรคden an den frisch entfalteten Blรคttern.

Der Mehltau-Befall nach erneutem Blattaustrieb verstรคrkte die kritische Situation der Eichen. Auch der Anteil deutlich geschรคdigter Buchen ist im Vergleich zum Vorjahr um knapp zehn Prozent auf 37 Prozent gestiegen.

In der Landwirtschaft fรผhrten die รผberdurchschnittlich milden Temperaturen aller Jahreszeiten und die Schwankungen in den Niederschlagsmengen (mit Starkniederschlรคgen) zu schwankenden Bodenwasservorrรคten und damit regional zu unterschiedlichen Anbaubedingungen. Die extremen Wetterbedingungen sowie eine starke Krankheitsbelastung fรผhrten zu einer sehr differenzierten Ertragslage in allen Kulturen, wobei Wintergetreide durch den Pilzbefall besonders betroffen war.

Trotz regionaler Unterschiede lagen die Ertrรคge fรผr den Winterweizen und den Kรถrnermais leicht รผber dem langjรคhrigen Mittel, wรคhrend Wintergerste, Winterraps und Silomais deutlich unter dem Mittel blieben. Die hohen Temperaturen in Nordsachsen im Frรผhjahr und Sommer 2024 wirkten sich in der Milchviehhaltung noch stรคrker negativ auf die Fruchtbarkeit der Tiere aus als in den Vorjahren.

Im Obst- und Weinbau verursachten Spรคtfrรถste, vor allem in der Nacht vom 22. auf den 23. April, massive Frostschรคden. Im Weinbau wird fรผr das Jahr 2024 die seit Jahrzehnten geringste Erntemenge erwartet: ca. 8.500 Hektoliter. Die Qualitรคt des Jahrgangs wird als gut bis sehr gut eingeschรคtzt. Aufgrund einer schnell voranschreitenden Reife der Trauben, angetrieben durch hohe Temperaturen, begann die Weinlese bereits Anfang September und damit deutlich frรผher als ursprรผnglich โ€“ bedingt durch die Spรคtfrostschรคden โ€“ angenommen.

Mit einer geschรคtzten Menge von 4.096 Tonnen wird bei ร„pfeln die schlechteste Ernte seit Jahrzehnten erwartet. Der Beginn der Apfelblรผte fiel 2024 auf den 7. April und war damit der frรผheste seit dem Beginn der Aufzeichnung am Standort Dresden-Pillnitz vor 32 Jahren. Im Gemรผsebau werden bei Erbsen infolge der hohen Temperaturen eher unterdurchschnittliche Ertrรคge erwartet. Auch die Bohnen litten unter den Hitzetagen des Sommers, sodass die Ertrรคge weniger gut ausfallen werden. Gute Ertrรคge hingegen sind bei den Zwiebeln zu erwarten.

Frรผherer Vegetationsbeginn und Inversionswetterlagen

Auch die Natur bekommt die Klimaverรคnderungen zu spรผren. Tier- und Pflanzenarten kรถnnen sich unterschiedlich gut an verรคnderte klimatische Bedingungen anpassen. Profiteure sind manche wรคrmeliebenden Arten wie der Wiedehopf (Upupa epops). Die Bestandszunahme ist neben der Verfรผgbarkeit geeigneter Habitate mit hoher Wahrscheinlichkeit auch auf die steigenden mittleren Temperaturen und die trockene Witterung wรคhrend der Brutzeit zurรผckzufรผhren.

Bei zahlreichen Arten ist zudem eine Verรคnderung der Phรคnologie festzustellen. Dazu gehรถren ein frรผherer Blรผhbeginn, der zeitigere Blattaustrieb und eine eher einsetzende Fruchtreife bei Pflanzen. Auch bei manchen Vogelarten lassen sich bereits eine frรผhzeitige Rรผckkehr aus den Winterquartieren, ein frรผherer Brutbeginn und verlรคngerte Brutperioden beobachten. So kehren beispielsweise die Mรถnchsgrasmรผcke oder die Mehlschwalbe im sรคchsischen Vogtland heute deutlich frรผher zurรผck als noch vor wenigen Jahrzehnten.

Die Luftqualitรคt nahm im Jahr 2024 gegenรผber 2023 hinsichtlich vieler Luftschadstoffe wieder ab. So fรผhrten Inversionswetterlagen und die Saharastaubepisode รผber Ostern flรคchendeckend zu hรถheren Feinstaub-Jahresmittelwerten und zu einer Erhรถhung der PM10-รœberschreitungstage im Vergleich zu 2023. Der abnehmende Trend der Stickstoffdioxidkonzentrationen setzte sich im Vergleich zu den Vorjahren nur noch an den verkehrsbeeinflussten Stationen fort.

Die Ozonbelastung 2024 blieb in Sachsen, trotz eines ungewรถhnlich frรผhen Anstiegs im April, moderat. Die Jahresmittelwerte lagen an allen Messstationen unter den Vorjahreswerten. Die gesetzlichen Zielwerte, sowohl zum Schutz der Gesundheit als auch zum Schutz der Vegetation, wurden 2024 sicher eingehalten.

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