Jahrzehntelang hat es sich deutsche Politik angewรถhnt, die Kosten des Allgemeinwohls vor allem auf die Normal- und Geringverdiener abzuwรคlzen, wรคhrend sich Regierung um Regierung bemรผhte, die Reichen, Vermรถgenden und Gutverdienenden nicht nur zu schonen, sondern auch noch zu entlasten. Und gleichzeitig hat man groรe Teile der Grundversorgung privatisiert und damit dem โfreien Marktโ unterworfen. Arme Miethaushalte bekommen das heftig zu spรผren.
Das untermauert jetzt ein neuer Wochenbericht des Deutschen Instituts fรผr Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. รrmere Haushalte in Deutschland mรผssen einen deutlich grรถรeren Teil ihres Einkommens fรผr Miete aufwenden als reichere โ und die Schere รถffnet sich weiter.
Dennoch ist die Mehrheit der Menschen mit ihrer Wohnsituation zufrieden. Zu diesen Ergebnissen kommen zwei Studien des Deutschen Instituts fรผr Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), die auf Befragungen des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) basieren.
โWohnen entwickelt sich mehr und mehr zur sozialen Frage, da die unteren Einkommensgruppen eine รผberproportional hohe Mietbelastung tragenโ, so Studienautor Konstantin Kholodilin. โHier ist die Politik gefragt, mit gezielten Instrumenten fรผr Ausgleich zu sorgen und den Einkommensschwachen unter die Arme zu greifen.โ
Mietbelastung zuletzt konstant, aber ungleich verteilt
Die Mieten in Deutschland sind in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gestiegen. Angebotsmieten zogen allein zwischen 2010 und 2022 durchschnittlich um 50 Prozent an, in groรen Stรคdten sogar um 70 Prozent. Bestandsmieten kletterten im selben Zeitraum um durchschnittlich 20 Prozent.
Setzt man die Mietkosten ins Verhรคltnis zu den Haushaltseinkommen, ergibt sich folgendes Bild: In den 1990er Jahren nahm die Mietbelastung stark zu โ und zwar insbesondere in Ostdeutschland als Folge der Wiedervereinigung und des รbergangs zur Marktwirtschaft. Anfang der 2000er Jahre brach der Trend und die Quote stabilisierte sich allmรคhlich auf einem hohen Niveau, seit 2015 ging sie leicht zurรผck.
Von den jรผngsten Entwicklungen profitieren allerdings nicht alle Haushalte. Die Analyse zeigt, dass die 20 Prozent der Haushalte mit den niedrigsten Einkommen die hรถchste Mietbelastung schultern mรผssen. Sie zahlten 2021 mehr als ein Drittel ihres Einkommens fรผr Miete, die einkommensstรคrksten 20 Prozent lediglich rund ein Fรผnftel. Der Anteil der sogenannten รผberbelasteten Haushalte, die mehr als 40 Prozent ihres Einkommens fรผr Miete aufbringen mรผssen, wuchs innerhalb von 30 Jahren von fรผnf auf 14 Prozent. Der Sozialwohnungsbestand ist hingegen geschrumpft.
Besonders unter hohen Mieten leiden Alleinerziehende und Einpersonenhaushalte. Ihre Mietbelastung lag 2021 bei durchschnittlich 30 Prozent, bei Paaren oder Familien mit Kindern lediglich bei gut 20 Prozent. In Ostdeutschland ist die Belastung geringer als im Westen, in Groรstรคdten hรถher als in lรคndlichen Regionen.
Die Studienautoren Konstantin Kholodilin und Pio Baake sehen verschiedene politische Instrumente, die Mieter/-innen mit geringen Einkommen gezielt entlasten kรถnnten. Auรerdem sollte der soziale Wohnungsbau gestรคrkt werden, empfiehlt das DIW. Eine Mietpreisbremse oder andere Mietpreiskontrollen wรผrden hingegen nicht gezielt einkommensschwache Haushalte unterstรผtzen.
Beengte Wohnverhรคltnisse grรถรeres Problem als Mietbelastung
Eine weitere DIW-Studie nimmt ebenfalls basierend auf SOEP-Langzeitdaten die Wohnzufriedenheit unter die Lupe. Die Studienautor/-innen Caroline Stiel, Tomaso Duso und Konstantin Kholodilin kommen zu dem Schluss, dass Wohnen im Gegensatz zum Einkommen oder zur Gesundheit eher eine untergeordnete Rolle fรผr die allgemeine Lebenszufriedenheit spielt. Ein grรถรeres Problem als die Wohnkosten stellen beengte Wohnverhรคltnisse dar.

โBesonders Familien in Gemeinden mit angespannten Wohnungsmรคrkten und aus den unteren Einkommensgruppen empfinden ihre Wohnungen als zu kleinโ, sagt รkonomin Stiel. โDie Wohnkostenbelastung wird hingegen insgesamt als durchschnittlich wahrgenommen. Die meisten Menschen sind mit ihrer Wohnsituation zufrieden.โ
Neben der Wohnungsgrรถรe spielt auch eine Rolle, ob die Menschen zur Miete oder in den eigenen vier Wรคnden wohnen: Die Studie zeigt, dass Eigentรผmer/-innen in der Regel mit ihrer Wohnsituation zufriedener sind als Mieter/-innen. Besonders groร ist der Unterschied fรผr die unteren Einkommensgruppen.
Empfohlen auf LZ
So kรถnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstรผtzen:
Keine Kommentare bisher