Ich bin seit 2009 selbstständiger Architekt in Leipzig. In den letzten Jahren habe ich mich vornehmlich mit Sanierungsprojekten beschäftigt, weitere vorrangige Arbeitsbereiche sind energieeffizientes und nachhaltiges Bauen. Unter dem Antrieb beschäftigt mich besonders der Umgang mit den Dachgeschossen der Leipziger Gründerzeithäuser. Es gibt noch enorm viele ungenutzte Dachböden und es gibt auch enorm viele nicht genehmigte Ausbauten und Umbauten der Dachböden in Leipzig zur Wohnnutzung.

Letzteres weiß ich, weil ich auch öfter zur Gebäudeprüfung vor einem Immobilienkauf hinzugezogen werde. Aber grundsätzlich ist das in ganz Deutschland bzw. in allen großen Städten der Fall. Sicherlich ist in den Städten des Ostens nach der Wende 1990 mehr unerlaubt gebaut worden … da es fast so eine Art bauordnungsrechtliche Anarchie gab oder es einfach keinen interessiert hat, bzw. niemand wusste, was gesetzlich vorgeschrieben war. Ich schätze, das ist auch heute noch der Fall.

Das ist grundsätzlich kein Problem, denn dafür gibt es aber Fachleute wie mich.

Wenn ein Dachgeschossausbau nicht genehmigt war /ist, kann man diesen nachträglich genehmigen lassen. Und wer ein Dachgeschoss ausbauen will, muss dies in Sachsen nur noch anzeigen. Der Ausbau von Dachgeschossen ist seit 19.03.2024 genehmigungsfrei gestellt.

Das heißt: Es bedarf keiner Baugenehmigung mehr, um ein Dachgeschoss zu Wohnraum umzubauen. Das ist doch super, werden jetzt alle sagen, mich eingeschlossen. Ja, aber die Hürden zum Ausbau eines Dachgeschosses sind damit nicht gefallen.

Gesetzliche Anforderungen an den Brandschutz

Warum? Es gibt zahlreiche gesetzliche/bauliche Anforderungen an den Ausbau, die der Bauherr einhalten muss, um es rechtlich sicher nutzen zu dürfen. Und diese sind keinesfalls erleichtert worden.

Die gesetzlichen/baulichen Anforderungen an ein Gebäude bzw. an den Ausbau sind in Deutschland nach Gebäudeklassen festgelegt. Es gibt im Wohnungsbau Gebäudeklasse 1–5. Die Gebäudeklasse 1, z.B. ein Einfamilienhaus, hat die wenigsten Anforderungen. Je höher die Gebäudeklasse wird, umso höher werden die gesetzlichen/baulichen Anforderungen. Der Großteil der Leipziger Häuser /Gründerzeithäuser ist in die Gebäudeklassen 4 und 5 einzuordnen. Damit sind die gesetzlichen/baulichen Anforderungen an Aus/-Umbau grundsätzlich hoch.

Für uns Architekten war die Erfüllung der Anforderungen planerisch und für den Bauherren finanziell herausfordernd, aber grundsätzlich machbar.

Das hat sich geändert.

Die Herausforderungen im Bestandsbau bzw. beim Ausbau von Dachgeschossen

Neben den allgemeinen Anforderungen an den Wohnraum
1. Statik – sicherstellen, dass das Gebäude nach Umbau immer noch hält
2. Wärmeschutz – sicherstellen, dass die Wärmeschutzverodnung eingehalten wird
3. Schallschutz
4. Brandschutz – sicherstellen, dass im Brandfall Mesnchenleben geschützt werden

Punkte 1-3 sind trotz hoher Anforderung problemlos zu meistern.

Punkt 4, Brandschutz, war schon immer herausfordernd und teuer. Aber unter dem Gesichtspunkt der Rettung von Menschenleben bis zu einem gewissen Punkt verständlich.

Die Probleme der Feuerwehr

Jetzt ist es nicht mehr verständlich. Ich habe mit anderen Architekten, Planern, Brandschutzprüfern und Fachleuten der Branddirektion gesprochen. Und um so mehr ich mich bemühte, eine Logik zu erkennen, umso mehr musste ich feststellen, dass es keine gibt. Alle wissen, dass im Wust der Verordnungen nichts mehr vorwärtsgeht, aber es ändert sich nichts. Das ist Aufgabe der Gesetzgebung, also der Politik.

Für den Ausbau eines Dachgeschosses der Gebäudeklasse 4 ( 3–4-geschossiges Gründerzeithaus) benötigt man ein sogenanntes Brandschutzkonzept, welches darlegt, wie man im Brandfall sicherstellt, dass der Brand sich nicht ausbreitet und wie Menschen gerettet werden können.

Für zweiteres sind in jedem Gebäude Möglichkeiten zur Rettung vorzusehen.

Es sind grundsätzlich zwei Rettungswege vorgeschrieben (die Variante eines Sicherheitstreppenhauses wird hier vernachlässigt, da im denkmalgeschützen Gründerzeitbestand nicht umsetzbar.)

Der 1. Rettungsweg ist das Treppenhaus.

Der 2. Rettungsweg ist das Backup, falls der 1. Rettungsweg – also das Treppenhaus – ausfällt, z.B. weil es brennt oder verraucht ist. Der 2. Rettungsweg ist meist in jeder Wohnung ein Rettungsfenster zur Straßenseite, an dem die Feuerwehr anleitern kann, um die Menschen aus der Wohnung zu retten, oder auch um den Brand zu löschen. Soweit logisch und nachvollziehbar.

Für den 2. Rettungswegen benötigt man die Aussage der Feuerwehr, dass die Rettung über die straßenseitigen Fenster sichergestellt werden kann. Diese Aussage wurde mir in den letzten drei Jahren immer mit „Nein“ beantwortet. Obwohl es vorher fast immer möglich war.

Aussage: Die Sicherstellung der Rettung durch die Feuerwehr kann nur bis zu einer Anleiterhöhe
von 8 m (im Gründerzeithaus 2. Stock) sichergestellt werden. Der Einsatz eines Hubbrettfahrzeuges (das Feuerwehrauto mit der großen schwenkbaren Drehleiter) ist nicht möglich, da die Aufstelllfäche zu gering ist – sprich: Die parkenden Autos versperren den Weg.

Dieses Nein scheint vorerst für den Laien kein Problem, für mich als Planer und den Bauherrn bedeutet es aber in fast allen Fällen das Aus für das Projekt, was angesichts von Wohnungsmangel und den Forderungen zum nachhaltigen Bauen (Nutzung von bestehenden Ausbaureserven und vorhandener Infrastruktur) nicht nachvollziehbar und auch nicht akzeptabel ist.

Warum bedeutet es das in den meisten Fällen das Aus?

Die einzige Möglichkeit, einen 2. Rettungsweg im Bestand zu schaffen, wenn die Feuerwehr nicht von der Straße aus retten kann, ist der Anbau einer außen gelegenen Rettungstreppe. Manchmal auch Flucht oder Feuertreppe genannt. Diese wird dann meist auf der Rückseite des Gebäudes installiert, wenn das Amt für Denkmalschutz dies zulässt.

Der Punkt ist, dass die Treppe mit den benötigten Zugängen je nach Höhe und Anzahl der angeschlossenen Wohnungen zwischen 35.000 und 70.000 € kostet und damit die Baukosten zwischen 10 – 20 % steigen. Zudem ist die optische Wirkung, abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen, wirklich schlimm ist. Aus diesem Grund verabschieden sich vor allem Privateigentümer und Wohneigentümergemeinschaften von der Idee, das Dachgeschoss auszubauen.

Was für mich als Planer nachvollziehbar ist, aber gleichzeitig eine enttäuschende Entwicklung. Angesichts der staatlichen Forderung zur bezahlbaren Wohnraumschaffung und Nachhaltigkeit.

Warum kann die Feuerwehr eine Rettung über die Straßenseite nicht sicherstellen?

1. Straßenbreiten sind für das Lösch- bzw. Rettungsfahrzeug oft zu eng oder die Aufstellfläche wird durch parkende Autos eingeschränkt – in den allermeisten Fällen sind es parkende Autos, welche die Aufstellfläche für den Leiterwagen einschränken. DIN 14090 5,5 m 3,5 m (Fahrzeug + 2m hindernisfreier Streifen hinter dem Fahrzeug).

Wenn ich mich in Leipzig oder anderen Städten umschaue, ist das besonders bei kleinen Straßen mit beidseitig parkenden Autos unmöglich einzuhalten. Als die Häuser gebaut wurden, gab es das Problem für die Feuerwehr nicht, denn es gab kaum parkende Autos. Aber es ist jetzt ein Problem, denn wenn man die Aussagen der Feuerwehr ernst nimmt, fehlt damit geschätzt bei allen Häusern in solchen Straßen ab dem 2. oder 3. Geschoss der 2. Rettungsweg – und wenn man sich umschaut, sind das nicht wenige Gebäude.

Die Feuerwehr sagt: In den meisten Fällen geht das schon, dann werden die Autos eben weggeschoben … aber gewährleisten kann man das nicht und deshalb können sie das auch nicht in die Stellungnahme schreiben. Zum Haareraufen.

2. Es gibt Oberleitungen, z.B. von Straßenbahnen, oder Bäume oder diverse andere Hindernisse, die einen Einsatz des Rettungsfahrzeuges verhindern. Das ist besonders bei großen Straßen mit Straßenbahnschienen oder in Alleen der Fall. Dieses Beispiel hatte ich vor kurzem erst erlebt.

3. Rettung über ein benachbartes Gebäude, z.B. über ein Dach des Nachbarhauses, das beispielsweise anleiterbar wäre, wird kategorisch ausgeschlossen. Da auch hier die Feuerwehr sagt: Wir können nicht garantieren, dass dieser Weg z.B. im Winter bei Schnee und Eis sicher ist. Das wäre für mich jetzt als Lebensretter kein Ausschlusskriterium, wenn es keine Alternative gibt, aber in Grundzügen kann ich es nachvollziehen.

Die Feuerwehr kommt also mit ihrem Gerät aufgrund nachvollziehbarer Gründe, also geänderte Stadtstrukturen und Umgebungsbedingen, an ca. gefühlt 1/3 aller Wohnungen ab dem 3. Obergeschoss nicht ran bzw. kann eine Rettung nicht sicherstellen.

Das hat zur unmittelbaren Folge, dass:
1. die Menschen, die jetzt in den Bestandsgebäuden wohnen, keinen 2. Rettungsweg haben
und im Notfall nicht über diesen gerettet werden können.
2. Bestandsgebäude, deren Dachgeschosse noch Ausbaureserven haben, werden in vielen Fällen nicht ausgebaut, weil die budgetsprengende Rettungtreppe die einzige Alternative ist
3. Nicht genehmigte, aber bestehende Dachausbauten können gar nicht nachgenehmigt werden, da die Eigentümer schlichtweg auch neben all den anderen Kosten die Kosten für die
Rettungstreppe schlicht nicht bezahlen können. (Von diesen Fällen habe ich oft gehört)

Damit fällt ein Großteil der Ausbaureserven, die wirklich nachhaltig sind und auch günstigen Mietwohnungsraum hergeben könnten, sofern keine andere Lösung gefunden wird oder man nicht genügend Geld in der Tasche hat, vorerst weg.

Mögliche Lösungsansätze

In einem hochtechnisiertem Erfinderland wie dem unseren, welches Nachhaltigkeit und Energieeffizienz im Bausektor propagiert, muss es doch andere Möglichkeiten geben, als ein teures, energiefressendes, tonnenschweres Stahlgerüst am Gebäude zu errichten.

Lösungsansätze:

1. Die Feuerwehr bekommt anderes Rettungsgerät, welches an die bestehenden Bedingungen in der Stadt angepasst ist. Somit würde man auch gleich den anderen Menschen, welche in Häusern mit Bestandsschutz ohne 2. Rettungsweg wohnen, eine sichere Rettung ermöglichen.

2. Die Parkplätze verschwinden dort, wo die Feuerwehr eine Aufstellfläche benötigt.

Das geht leider nicht, denn auf Erlass des SMI (Sächsischen Staatsministerium für Inneres) vom 21.06.2017 wurde festgelegt, dass, wenn der 2. Rettungsweg nicht baulich oder auf dem eigenen Grundstück abgesichert werden kann, die Nutzung von Flächen im öffentlichen Straßenraum vor dem betreffenden Grundstück nur möglich ist, wenn diese nicht für den ruhenden Verkehr genutzt werden.

Eine traurige Entwicklung, die parkenden Autos nehmen schon so genug Platz weg und jetzt verhindern sie, dass die Feuerwehr richtig retten kann und dadurch kein Wohnraum im Bestand mehr ausgebaut wird. Parken geht also vor Lebensrettung.

3. Es werden innovative Rettungsmöglichkeiten zugelassen – z.B. Rettungswege über benachbarte Dächer oder einfache Rettungsleitern/Rutschen etc.

4. Der Gesetzgeber ändert die Vorschriften: Nach Statista gab es in Gesamtdeutschland 2022 333 Tote durch Rauch, Feuer und Flammen. Wohlbemerkt für Gesamtdeutschland.

Für Leipzig gibt es offiziell keine Zahlen, aber bei ca. 600.000 Einwohnern sind das 2,3 Tote
pro Jahr bei Bränden aller Art. Wie viele bei Wohnungsbränden aufgrund vom fehlenden zweiten Rettungsweg ums Leben gekommen sind, ist hier noch unklar. Könnte aber eine statistische Auswertung und realistische Gefahrenauswertung der Stadt Leipzig vielleicht zeigen.

Und ja, die Lebensrettung sollte immer im Fokus sein, aber sie darf nicht Hinderungsgrund für die Schaffung neuen Wohnraumes sein. Wir hören ja auch nicht auf, Straßen zu bauen, obwohl jedes Jahr mehr als 2.500 Menschen darauf sterben.

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Es gibt 7 Kommentare

Wunderbarer Kommentar, liebe Userin “Maline”, und ich habe zwar noch das Privileg, einen Dachboden mit Wäscheleinen zu haben, und auch Wäschestangen im Hof. Das Mietshaus wurde in den Neunzigern zwar umbaumäßig maltraitiert, aber nicht ganz totsaniert. “Da geht noch was” mag sich die Wohnungswirtschaft denken. – Jedenfalls kann Leipzig kaum noch Zuzug verkraften. Und wenn ich das weithin gescheiterte sog. Löwitz-Quartier betrachte, kommt in mir der Wunsch auf, hier doch lieber einen Park angelegt zu sehen.

Naja, früher war der Dachboden für Gerümpel – nicht ständig gebrauchte Sachen.
Diese stehen jetzt bei mir in der Wohnung, das ist auch ok, wenns dem Gemeinwohl dient.
Früher diente der Dachboden zum Wäschetrocknen, jetzt wird bei mir in der Wohnung getrocknet, gut, wenns dem Gemeinwohl dient.
Früher hätte man seine Wäsche auch im Hof trocknen können, aber ich finde gar keine Wäschestangen mehr. Aber das ist ok, wenns dem Gemeinwohl dient.

Zur Thematik des Brandschutzgutachtens ein interessanter Beitrag im aktuellen DAB (leider noch nicht online abrufbar) – als Folge der Genehmigungsfreistellung haftet der Planer für die Erstellung notwendiger Gutachten und die Abstimmung mit der Feuerwehr usw. gegenüber dem Bauherrn.

Dadurch bekommt die protokollierte Aussage der Feuerwehr quasi den Status einer baurechtlichen Stellungnahme, den sie aber nicht hat. Aber wer will sich den Stiefel anziehen?

Was die tatsächliche Rettung aus Obergeschossen angeht, so sind die Handyvideos der dramatischen Rettung von Babys während der Brände in Essen vorgestern eine deutliche Warnung, die Gefahren nicht zu sorglos zu nehmen.
Wenn ich so eine Aussage eines Architekten lese: “die Lebensrettung sollte immer im Fokus sein, aber sie darf nicht Hinderungsgrund für die Schaffung neuen Wohnraumes sein”, schäme ich mich für unseren Berufsstand.

Wohnraum durch den Ausbau von Dachgeschossen oder Aufstockung zu schaffen, schafft zunächst erstmal Rendite für den Bauherrn. Ob dann dort Ferienwohnungen oder Sozialwohnungen entstehen, weiss man nicht. Da “interessante” Dachgeschosse gern in eng zugeparkten beliebten Vierteln verortet werden, wird es wohl kaum um Sozialwohungen gehen (Holbeinstrasse usw).

Nachträglich ein Dachgeschoss ausbauen ist es extrem teuer. Das ist einer der Gründe, weshalb man es eben nicht nachträglich macht, sondern im Rahmen der Dachsanierung.
In der Vergangenheit hatte man das Problem mit dem 2. Flucht- und Rettungsweg so gelöst, dass man die Wohnung des 4. OG mit dem Dachgeschoss verbunden hat. Dann gab es eine Treppe im Treppenhaus und eine Treppe in der Wohnung. Hierdurch gab es 2 Rettungswege.
Nachteil für den Investor: Die Wohnungen waren relativ groß und vielen nicht in die damals klassische Zielkategorie 1 – 2 Raum-Wohnung für Singles. Heute müsste man sich über diese Lösung eigentlich freuen, denn Wohnungen für Familien fehlen.

Wenn man richtig isoliert, ist es auch im Sommer erträglich, zumal man dort oben noch eher in der Nacht kalte Luft in die Wohnung bekommt als in der 2. Etage.
Man kann auch mal nach Wien, Budapest oder Rom schauen. Auch dort gibt es ausgebaute Dachgeschosse, die ganzjährig bewohnt werden.

Ich hörte vor einiger Zeit, daß das vor Jahren ausgebaute Dachgeschoß (man sprach früher vom Dachboden, in der CH übrigens Estrich genannt) in der Hillerstraße 8, der Heimstatt des Thomanerchores seit 1881, im Sommer im Grunde nicht wirklich benutzbar ist, es wird dort einfach zu heiß. Das muß einen eigentlich nicht wundern, mit oder ohne Temperaturanstieg.

Die Parkerei nervt so richtig. Aber Dachgeschosse ausbauen in Zeiten von Klimawandel, ist das denn sinnvoll?

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