Einer hatโ€™s gleich gemerkt, dass die vom Flughafen Leipzig/Halle vorgestellte forsa-Umfrage nicht das Papier wert ist, auf dem sie ausgedruckt wird. Wie schon 2022 hat forsa im Auftrag des umstrittenen Flughafens etwas รผber 1.000 reprรคsentativ ausgewรคhlte Personen in Halle, Leipzig und den Landkreisen Nordsachsen, Leipzig und Saalekreis befragt โ€“ nach Fluglust, Betroffenheit und ihrer Haltung zu den Flughafenprotesten. Eigentlich wird mit der Lust am Fliegen schon deutlich, dass den meisten Leuten der ร„rger der Lรคrmbetroffenen vรถllig egal ist. Und das Klima ebenso.

Der Flughafen selbst interpretiert die Befragungsergebnisse natรผrlich in seinem Sinn: โ€žSo geben analog zu 2022 auch 2024 89 % der Befragten an, dass der Flughafen eine sehr hohe Bedeutung im Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung der Region hat.

Insgesamt 71 % (2022: 71 %) der Befragten sieht im Flughafen eine Bereicherung und 84 % (2022: 82 %) der Befragten sehen in der Entwicklung des Airports zu einem Luftfrachtdrehkreuz eher positive Folgen fรผr die Region. Die Ausbauplรคne des Flughafens werden mit 57 % (2022: 58 %) von einer Mehrheit fรผr unbedenklich gehalten. Unverรคndert zu 2022 liegt der Anteil derjenigen, die sich nur selten durch Fluglรคrm gestรถrt fรผhlen bei 70 %.โ€œ

Eine Zahl, die รผberhaupt keinen Sinn ergibt. Das wissen die Flughafenverantwortlichen selbst, denn wozu gibt es ein extra ausgewiesenes Lรคrmschutzgebiet direkt um den Flughafen, dort, wo der Fluglรคrm besonders hoch ist, wรคhrend andere Teile des Befragungsgebietes kaum oder gar nicht vom Lรคrm betroffen sind?

Ist der Flughafen eine Bereicherung oder ein ร„rgernis? Grafik: forsa/FH Leipzig/Halle
Ist der Flughafen nun eine Bereicherung oder ein ร„rgernis? Grafik: forsa/FH Leipzig/Halle

Ein starkes Signal?

Gรถtz Ahmelmann, der Chef der Mitteldeutschen Flughafen AG, interpretiert die Ergebnisse natรผrlich einzig in seinem Sinn: โ€žDie Ergebnisse beider Studien sind ein starkes Signal der Unterstรผtzung aus der Region. Sie bestรคrken uns in unserem Engagement, den Flughafen nicht nur als Verkehrsknotenpunkt, sondern auch als Motor fรผr wirtschaftliches Wachstum und Innovation weiterzuentwickeln.

Wir sehen uns in der Verantwortung, nachhaltige Lรถsungen zu fรถrdern und die Lebensqualitรคt in der Region zu verbessern. Unsere Partnerschaften und Investitionen in Umwelt- und Sozialprojekte sind zentrale Elemente unserer Strategie, um einen positiven Beitrag zur Gemeinschaft zu leisten. Wir freuen uns darauf, diesen Weg gemeinsam mit unseren regionalen Partnern fortzusetzen.โ€œ

Seltsamer klingt dann schon, wenn Thorsten Thierhoff, Geschรคftsfรผhrer von forsa, sagt: โ€žDie Ergebnisse der Untersuchung von 2024 sind eindeutig: Wie schon 2022 gibt es hohe Zustimmungswerte fรผr den Flughafen Leipzig/Halle in seiner Region. Der Airport wird von den Bรผrgerinnen und Bรผrgern nicht nur als wichtiger wirtschaftlicher Kern der Region, sondern auch als verantwortungsvoller nachbarschaftlicher Partner wahrgenommen.โ€œ

Wie stark sind Sie vom Fluglรคrm betroffen? Grafik: forsa/FH Leipzig/Halle
Wie stark sind Sie vom Fluglรคrm betroffen? Grafik: forsa/FH Leipzig/Halle

Was so eben nur in Grenzen stimmt. Denn wer vom Fluglรคrm des Flughafens direkt betroffen ist, hat eine andere Einstellung zu guter Nachbarschaft als Menschen, die davon gar nicht behelligt werden.

Vรถllig verschiedene Betroffenheiten

Genau diese Krux an der Umfrage merkte der Schkeuditzer Oberbรผrgermeister Rayk Bergner an: โ€žDer Flughafen Leipzig/Halle liegt inmitten des Schkeuditzer Stadtgebietes. Seit Jahrzehnten beeinflusst die Entwicklung am und um den Flughafen herum das Leben in unserer Stadt. Hier siedelten sich viele groรŸe, mittlere und kleine Unternehmen an und es wurden tausende Arbeitsplรคtze geschaffen. Alle profitieren vom Erfolg des Flughafens, auch die Stadt Schkeuditz selbst.

Fรผr diese โ€šErnteโ€˜ nehmen die Schkeuditzer Bรผrger einiges in Kauf. Sie sind natรผrlich mehr von Fluglรคrm und hohem Verkehrsaufkommen betroffen als Menschen in den befragten entfernteren Regionen. Ich freue mich freilich รผber die hohen Zustimmungswerte fรผr den Flughafen in unserer Stadt und sehe gleichwohl die Hausaufgaben fรผr unseren groรŸen Nachbarn.โ€œ

Die unterschiedliche Betroffenheit in den Landkreisen und den beiden GroรŸstรคdten. Grafik: forsa/FH Leipzig/Halle
Die unterschiedliche Betroffenheit in den Landkreisen und den beiden GroรŸstรคdten. Grafik: forsa/FH Leipzig/Halle

Die wirtschaftliche Bedeutung fรผr die Region ist das Eine. Aber auch Berkner entlรคsst die Flughafenfรผhrung nicht aus der Verantwortung, ihre โ€žHausaufgabenโ€œ zu machen.

Man kann es auch so formulieren: Die Befragung ist wieder (wie schon 2022) so angelegt, die Probleme des Flughafens kleinzumachen und sich mit der wirtschaftlichen Bedeutung reinzuwaschen.

Wobei die Befragung eben auch deutlich macht, dass eine Mehrheit der Befragten das Fliegen noch lange nicht als klimaschรคdlich begriffen hat. Fรผr 68 Prozent der Befragten gehรถren Flugreisen tatsรคchlich zum modernen Leben, 46 Prozent wรผrden auch nicht auf Flugreisen verzichten.

Die Stellung der Befragten zum Fliegen. Grafik: forsa/FH Leipzig/Halle
Die Stellung der Befragten zum Fliegen. Grafik: forsa/FH Leipzig/Halle

Aber es fรคllt eben auf, dass die Lรคrmbetroffenheit im Befragungsgebiet nicht gleich verteilt ist. Die zweithรถchste Betroffenheit herrscht mit 36 Prozent der Befragten in Nordsachsen โ€“ und man darf ruhig davon ausgehen, dass darunter auch viele Schkeuditzer sind. Die hรถchste Belastung gibt es mit 41 Prozent im Saalekreis. Dass wenigstens versucht wird, die beiden GroรŸstรคdte zu umfliegen, wird an den dort niedrigsten Werten von Lรคrmbetroffenheit deutlich โ€“ in Halle 29 Prozent, in Leipzig 20 Prozent.

Fehlende Betroffenheit

Was auch erklรคrt, warum Fluglรคrmthemen in der Stadtpolitik so wenig Gewicht haben: Die Mehrheit fรผhlt sich einfach nicht betroffen. Und wรคhlt das Thema Fluglรคrm einfach ab. Und sieht auch keine Bedenken bei den Ausbauplรคnen des Flughafens, denn das passiert ja irgendwo da im Leipziger Norden, interessiert unten im Sรผden also nicht.

Motto: โ€žAus den Augen, aus dem Sinn.โ€œ Ergebnis ist โ€“ wenn man die Umfrage so interpretiert, eine verbreitete Gleichgรผltigkeit den Ausbauplรคnen gegenรผber: 57 Prozent der Befragten finden die Plรคne unbedenklich, wรคhrend 27 Prozent die Plรคne bedenklich finden โ€“ nicht nur wegen des zunehmenden Lรคrms, auch wegen zusรคtzlicher Bodenversiegelung und Verlust von Grรผnflรคchen.

Die Haltung der Befragten zu den Ausbauplรคnen des Flughafens. Die Stellung der Befragten zum Fliegen. Grafik: forsa/FH Leipzig/Halle
Die Haltung der Befragten zu den Ausbauplรคnen des Flughafens. Die Stellung der Befragten zum Fliegen. Grafik: forsa/FH Leipzig/Halle

Ein gewisses Umweltbewusstsein ist also da, auch wenn eine Mehrheit noch immer meint, Fliegen sei ein ganz gewรถhnlicher Bestandteil modernen Lebens. Und ihr die Folgen eines ausgebauten Flughafens herzlich egal ist.

Der Protest und die Mehrheit

Stattdessen รผbernimmt man die Sichtweise des Flughafens auf die Proteste gegen die Flughafenpraxis. Und die Frage dazu ist geradezu unverschรคmt, lieรŸ der Flughafen forsa doch fragen, ob die Proteste eigentlich der Mehrheitsmeinung entsprechen. Wenn das so wรคre, brรคuchte es keine Proteste, dann wรคre die Flughafenpraxis schon lรคngst eine andere.

Haltung der Befragten zu den Protesten gegen den Flughafenausbau. Die Stellung der Befragten zum Fliegen. Grafik: forsa/FH Leipzig/Halle
Haltung der Befragten zu den Protesten gegen den Flughafenausbau. Die Stellung der Befragten zum Fliegen. Grafik: forsa/FH Leipzig/Halle

So aber meinen 60 Prozent, dass die Proteste nur die Haltung einer Minderheit ausdrรผcken. Was dann den Flughafen wieder darin bestรคrkt, die Proteste zu ignorieren.

Und wer jetzt nach der eigentlichen Frage sucht, die hier hรคtte gestellt werden mรผssen, der findet sie nicht. Denn die mรผsste lauten: Finden Sie die Proteste gegen den Flughafenausbau berechtigt?

Das ist etwas vรถllig anderes, als nach einer irgendwie duldenden Mehrheit zu fragen. Denn was das Frageschema โ€“ wieder einmal โ€“ suggeriert, ist die Haltung, dass Proteste etwas sind, was sich nicht gehรถrt. Und dass Protestierende einfach im Unrecht sind, wenn nicht die Mehrheit hinter ihnen steht.

Das klingt schon danach, als hole man sich mit der Umfrage die Zustimmung der Leute, beim nรคchsten Protest hรคrter gegen die Protestierenden vorzugehen. Oder die Einsprรผche der betroffenen Kommunen gegen den Flughafenausbau einfach abzuwimmeln, wo das alles doch nur Minderheitenmeinungen sind. So macht man Stimmung, ohne an einer rรผcksichtslosen Betriebspraxis auch nur das geringste รคndern zu wollen.

Die Ergebnisse findet man auf der Homepage der Mitteldeutschen Flughafen AG.

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