โKnapp 2,1 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren in Deutschland waren 2023 armutsgefรคhrdet. Das entspricht einer Armutsgefรคhrdungsquote von 14,0 %โ, meldete das Statistische Bundesamt (Destatis) anhand von Ergebnissen der Erhebung zu Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC) am 1. Juli. Und dann versuchen es die Statistiker irgendwie einzuordnen.
Aber die Wahrheit ist: Fรผr junge Menschen unter 18 Jahren bedeutet โArmutsgefรคhrdungโ tatsรคchlich Armut. Das Herumgeeier ergibt hier keinen Sinn.
Auch wenn die Statistiker dann auch noch feststellen: โIm Vergleich zu anderen Mitgliedsstaaten der Europรคischen Union (EU) lag das Risiko fรผr Armut oder soziale Ausgrenzung fรผr Kinder und Jugendliche in Deutschland 2023 mit 23,9 % unter dem Durchschnitt: EU-weit waren im vergangenen Jahr 24,8 % der unter 18-Jรคhrigen von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Dennoch war der Anteil der armuts- oder ausgrenzungsgefรคhrdeten Kinder und Jugendlichen in mehr als der Hรคlfte aller EU-Staaten niedriger als hierzulande.โ
Das ist eigentlich nur noch peinlich fรผr das reichste Land Europas. Aber es ist das Ergebnis jahrzehntelanger Politik der sozialen Kรคlte, die ja bekanntlich wieder einmal in einem politischen Bashing der Bรผrgergeldbezieher gipfelt. Ein Bashing, in das ja bekanntlich auch Sachsens Tausendsassa Michael Kretschmer eingestimmt hat.

Nur dummerweise sind unter den Bรผrgergeldbeziehern auch haufenweise Alleinerziehende und Familien mit Kindern. Kinder aber, die in Bรผrgergeldhaushalten aufwachsen, sind arm. Sie erleben Ausgrenzung und Benachteiligung von Anfang an. Es sei denn, ihre Eltern werden auf einmal wie durch ein Wunder mit Geld รผberschรผttet. Was aber in der Regel nicht passiert. Lieber machen konservative Politiker immer neue Vorschlรคge, wie man das Bรผrgergeld kรผrzen kรถnnte.
Groรstรคdte tragen die Hauptlast
In Sachsen leben aktuell 78.754 Kinder und Jugendliche in eine Bedarfsgemeinschaft. Die Zahlen hat Paul M. Schrรถder vom Bremer Institut fรผr Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ) in einer neuen Auswertung der Jobcenter-Statistik zusammengestellt. Damit hat Sachsen allein eine Quote von 11,9 Prozent von Minderjรคhrigen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, also arm sind.
Das liegt tatsรคchlich unter dem deutschen Durchschnitt von 13,4 Prozent, aber auch unter dem ostdeutschen Durchschnitt von 15,4 Prozent. Wobei der ostdeutsche Durchschnitt durch den sehr hohen Wert in Berlin geprรคgt wird, wo 23,9 Prozent der Minderjรคhrigen in SGB-II-Familien leben.
Denn es sind die Groรstรคdte, die auch den Groรteil der sozialen Lasten schultern und Lebensort der meisten Menschen sind, die sich am Arbeitsmarkt fรผr schlecht bezahlte Jobs bewerben. Das ist auch innerhalb Sachsens so, wo Leipzig diesen sozialen Brennpunkt bildet. Hier waren Ende 2023 insgesamt 16.798 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren Teil einer Bedarfsgemeinschaft. Das waren 16,9 Prozent aller Minderjรคhrigen.
Damit ist Leipzig in etwa auf einer Hรถhe mit Frankfurt am Main (16,5 Prozent) und Dรผsseldorf (16,7 Prozent). Ein Vergleich, der zeigt, dass gar nicht die wirtschaftliche Prosperitรคt eine Stadt darรผber entscheidet, wieviele Kinder in Armut leben mรผssen.
Bildung als (ungenutzter) Schlรผssel
Das Bundesamt fรผr Statistik hat in seiner Statistik nicht nur die Kinder aus Bedarfsgemeinschaften erfasst, sondern alle Kinder aus Haushalten in Armutsgefรคhrdung. Aber das macht eben auch deutlich, dass Armut eben nicht nur die Menschen betrifft, die als Bittsteller beim Jobcenter vorstellig werden mรผssen, sondern tatsรคchlich deutlich mehr Familien.
Ein Grund dafรผr, so das Bundesamt fรผr Statistik: โWie stark Kinder und Jugendliche von Armut bedroht sind, hรคngt auch von der Bildung ihrer Eltern ab. Die Armutsgefรคhrdungsquote von unter 18-Jรคhrigen, deren Eltern รผber einen niedrigeren Bildungsabschluss wie etwa einen Haupt- oder Realschulabschluss ohne beruflichen Abschluss verfรผgten, lag 2023 in Deutschland bei 36,8 %.
Unter Kindern und Jugendlichen von Eltern mit einem mittleren Bildungsabschluss waren 14,3 % armutsgefรคhrdet. Zu den mittleren Bildungsabschlรผssen zรคhlen beispielsweise eine abgeschlossene Berufsausbildung oder das Abitur. Hatten die Eltern einen hรถheren Bildungsabschluss wie etwa einen Meistertitel oder ein abgeschlossenes Studium als hรถchsten Abschluss, waren 5,8 % der Kinder und Jugendlichen von Armut bedroht.โ
Was eigentlich bedeuten mรผsste, dass sich gerade die Bildungsangebote fรผr Kinder aus armen Haushalten deutlich verbessern mรผssten. Doch stattdessen wird am Bildungssystem gespart und der Lehrermangel schlรคgt auch in den sogenannten โBrennpunktโ-Schulen zu. Mit Folgen, die absehbar sind. Aber dazu brรคuchte es Politiker, die weiter denken kรถnnen als nur bis zur nรคchsten Wahl, um das zu รคndern.
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