Der Großteil der Städte in Deutschland schützt die Menschen nicht ausreichend vor den extrem hohen Temperaturen als Folge der Klimakrise: Sie sind gleichzeitig stark versiegelt und bieten zu wenig kühlendes Grün. Dies ist das Ergebnis des ersten Hitze-Checks der Deutschen Umwelthilfe (DUH) unter den 190 deutschen Städten mit mehr als 50.000 Einwohnerinnen und Einwohnern.

Leipzig hat dabei Glück durch den Auwald, der sich mitten durchs Stadtgebiet zieht und landet deshalb in dieser Erhebung tatsächlich im grünen Bereich. Die Analyse betrachtet Flächenversiegelung und Grünausstattung in den Städten, basierend auf neuen Daten der Potsdamer Luftbild Umwelt Planung GmbH im Auftrag der DUH. Insgesamt erhalten 24 Städte eine Rote Karte, 82 eine Gelbe Karte und 84 eine Grüne Karte.

Besonders schlecht schneiden die Städte Ludwigshafen, Heilbronn, Regensburg, Worms, Mainz, Ludwigsburg und Ingolstadt ab – sie sind besonders stark versiegelt und haben sehr wenig sogenanntes Grünvolumen.

Knapp noch grün

Unter den Städten mit grüner Karte, also vergleichsweise wenig Versiegelung und hohem Grünvolumen, schneiden Detmold, Ratingen, Potsdam und Jena am besten ab. Entscheidend für deren gutes Abschneiden ist der erstaunlich geringe Versiegelungsgrad von nur einem Drittel des Stadtgebietes. Da kommt Leipzig nicht mit, dessen Stadtgebiet zu 44,94 Prozent versiegelt ist. Und das ist verdammt knapp.

Denn ein grünes Ampelzeichen bekommen die Städte nur für unter 45 Prozent Versiegelung. Beim Grünvolumen kommt Leipzig mit 2,57 m³ Grün/m² Fläche sowieso nur zu einem Ampelgelb. Für Grün wären mehr als 4 m³ Grün/m² Fläche notwendig. Ein Wert, auf den die Städte in der Spitzengruppe locker kommen. Sogar Berlin schafft das, das sich ebenfalls in der Spitzengruppe wiederfindet.

Städte wie Sindelfingen oder Kaiserslautern sind zwar extrem stark versiegelt, haben aber viel Grünvolumen. Solche Städte erhalten eine Gelbe Karte. Städte wie Pulheim und Wilhelmshaven, die eine vergleichsweise geringe Versiegelung aufweisen, aber gleichzeitig sehr wenig Grünvolumen besitzen, bekommen ebenfalls eine Gelbe Karte.

Die komplette Liste der untersuchten Städte im Hitze-Check der DUH.

Der Trend zu mehr Beton ist alarmierend

„Wir fordern von der Bundesregierung ein rechtlich verbindliches Ziel, die Flächenversiegelung in Deutschland bis spätestens 2035 zu stoppen. In Zeiten der Klimakrise brauchen unsere Städte unversiegelte Böden zur Versickerung von Wasser und Grünflächen zur Kühlung“, kommentiert Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin der DUH, die Auswertung.

„Grün ist aber nicht gleich Grün: Der Rollrasen kann mit dem alten Baumbestand nicht mithalten, deshalb ist nicht nur entscheidend, dass Versiegelung gestoppt und dort, wo es geht, zurückgebaut wird, sondern dass vor allem neben Rasenflächen auch Bäume, Büsche und Wiesen in unseren Städten zu finden sind. Der anhaltende Trend zu mehr Beton und weniger Grün ist alarmierend.

Statt zu lebenswerten Orten der Erholung entwickeln sich unsere Städte in Hitze-Höllen. Die Bundesregierung muss jetzt wirksame Maßnahmen ergreifen, wie zum Beispiel bundesweite Standards für die Begrünung von Schulhöfen vorzuschreiben. Wir fordern verbindliche Grünanteile auf kommunaler Ebene und Umbau statt Neubau.“

Aktuell werden in Deutschland täglich über 50 Hektar Fläche für Siedlungen und Verkehr versiegelt, dies entspricht pro Jahr einer Fläche der Stadt Hannover. Das stellt in Zeiten der Klimakrise ein enormes Gesundheitsrisiko dar. Besonders folgenreich ist der Verlust großer Bäume. Gerade sie sorgen in der Stadt für einen hohen Kühleffekt. Baumlose Grünflächen haben einen etwa zwei- bis viermal geringeren Kühleffekt als baumbestandene Flächen.

„Gesundheit ist untrennbar mit den klimatischen Umweltbedingungen verbunden. Menschen brauchen Erholungsorte in ihrem engsten Lebensumfeld. Dazu braucht es in unseren Städten mehr Platz für Grünflächen, die für ein gutes Klima und saubere Luft sorgen. Das zeigen wir beispielhaft in unserem gemeinsamen Projekt ‚Gesund unterwegs im Stadtquartier‘ mit der Deutschen Umwelthilfe“, sagt Frank Winkler, Stellvertretender Leiter der vdek-Landesvertretung für das GKV-Bündnis für Gesundheit Baden-Württemberg.

„In den Modellstädten Mannheim und Singen gestalten wir vier Schulhöfe und die umgebenden Stadtviertel gesundheitsförderlich. Die Beteiligung betroffener Zielgruppen, in diesem Fall von Kindern und Jugendlichen, steht dabei im Fokus. Entsprechend dem WHO-Ansatz ‚Health in all policies, Whole of society und Whole of government‘ betrachten wir Gesundheitsförderung als eine politikfeldübergreifende und gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die uns alle angeht.“

Es fehlen vergleichbare Daten

Zentrales Problem bei der Umsetzung notwendiger Maßnahmen ist die uneinheitliche Datenerhebung durch die Bundesländer.

„Satellitendaten bieten eine zugängliche, vergleichbare und kosteneffiziente Möglichkeit, flächendeckende Analysen zu zahlreichen Fragestellungen durchzuführen. Von der Bilanzierung von Versiegelung und Stadtgrün über die Messung von Oberflächentemperaturen bis hin zum zeitlichen Monitoring von Veränderungen“, sagt Sascha Gey, Data Analyst von Luftbild Umwelt Planung. „Sie sind ein immer wichtiger werdendes Planungswerkzeug für Städte und Kommunen bei der Klimaanpassung und Stadtplanung – damit Maßnahmen dort getroffen werden, wo sie am meisten bewirken.“

Zur Methode des Hitze-Checks

Bei der Flächenversiegelung ist die Bewertungsgrundlage der deutschlandweit durchschnittliche Anteil der Versiegelung an der Siedlungs- und Verkehrsfläche in Höhe von 45 Prozent. Zu Siedlungs- und Verkehrsflächen zählen Wohnhäuser, Straßen, genauso wie Parks oder auch Friedhöfe.

Eine Rote Karte erhält, wer mit mehr als 50 Prozent einen deutlich überdurchschnittlich hohen Anteil versiegelte Fläche hat. Eine Gelbe Karte erhält, wer 45 bis 50 Prozent versiegelte Fläche aufweist und eine Grüne Karte, wer mit 45 Prozent unter dem deutschlandweiten Durchschnitt liegt.

Das Grünvolumen betrachtet Grünflächen mit klimaregulierendem Effekt und wird in Kubikmeter pro Quadratmeter angegeben. Ein durchschnittlich hoher Laubbaum hat ein Grünvolumen von etwa 3.400 Kubikmeter. Für die Gesamtbewertung wurden die Flächenversiegelung und das Grünvolumen kombiniert betrachtet, wobei die Flächenversiegelung stärker gewichtet wird.

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