Nach dem Landesamt für Statistik hat auch das Leipziger Amt für Statistik und Wahlen die neuesten Zahlen zu Geburten und Sterbefällen im ersten Halbjahr 2024 veröffentlicht. Auf den ersten Blick scheint an den Zahlen nichts Besonderes zu sein. Sie liegen ungefähr auf dem Niveau des Vorjahres, bedeuten also erst einmal keinen weiteren Absturz. Aber die Ruhe trügt. Schon der Vergleich mit den Sterbezahlen zeigt das Drama.

Das war auch schon im ersten Halbjahr 2023 so. Da kamen auf 2.417 Geburten deutlich mehr Sterbefälle, nämlich 3.822. Und das Verhältnis ist auch im ersten Halbjahr 2024 nicht viel besser. Da kamen auf 2.473 Geburten immer noch 3.507 Sterbefälle. Es gab also ein paar Geburten mehr in Leipzig und ein paar Sterbefälle weniger.

Aber eine solche kurze Zeitraumbetrachtung zeigt nicht wirklich die Tragödie, die sich auch in der Leipziger Bevölkerungsentwicklung abspielt. Denn Leipzig profitierte in den letzten Jahren immer vom Zuzug junger Alterskohorten. Hier müssten also deutlich mehr Geburten registriert werden. Doch auch Leipzig schafft es nicht, die jungen Frauen zum Kinderkriegen zu animieren.

Die Rolle der Corona-Jahre

Das wird deutlicher, wenn man nicht nur die beiden Halbjahre vergleicht, sondern den Zoom öffnet in die jüngere Vergangenheit. Schon der Blick in die zurückliegenden acht Quartale (wie oben in der Grafik zu sehen) zeigt, dass die Geburtenzahl im Jahr 2022 sichtlich abgefallen ist, während die Sterbefälle zwar saisonal schwankten, aber die ganze Zeit deutlich über den Geburten lagen.

Ohne permanente Zuwanderung würde Leipzig also schrumpfen. Es wird der viel gepriesenen „Boomstadt“ mit der Zeit also genau so gehen wie dem in der Demografiefalle steckenden Freistaat Sachsen.

Aber mit den Daten des Amtes für Statistik und Wahlen kann man den Zoom noch weiter öffnen, so wie hier bis ins Vor-Corona-Jahr 2019, ein Bild, das sehr deutlich zeigt, wie die Zahl der Sterbefälle in der Corona-Pandemie deutlich anstieg, während gleichzeitig die Zahl der Geburten anfing, regelrecht in den Keller zu gehen. Die Kurven von Sterbefällen und Geburten schnitten sich. Und lagen die Geburtenzahlen vorher über den Sterbefallzahlen, liegen sie seitdem darunter und gehen sogar noch weiter zurück.

Geburten und Sterbefälle in Leipzig seit 2019. Grafik: Stadt Leipzig
Geburten und Sterbefälle in Leipzig seit dem Jahr 2019. Grafik: Stadt Leipzig

Aber man kann den Zoom noch weiter öffnen, um das Bild noch deutlicher vor Augen zu haben. Hier zum Beispiel bis ins Jahr 2014, in eine Zeit, in der die Geburtenzahlen permanent anstiegen – und zwar bis 2017. Eine Zeit, in der man eigentlich das Gefühl haben konnte, Leipzig wäre eine kinder- und familienfreundliche Stadt.

Doch bekanntlich hat die Stadt selbst kaum Spielräume, tatsächlich etwas für Familienfreundlichkeit zu tun, außer genug Kindertagesstätten und Schulen zu bauen. Und 2017 war der Kita-Bau auf Hochtouren und der Schulneubau kam gerade richtig in Gang. Die Stadtverwaltung rechnete schon mit Einwohnerzahlen jenseits der 700.000 und plante entsprechend auch Kita- und Schulplätze.

Geburten und Sterbefälle in Leipzig seit 2014. Grafik: Stadt Leipzig
Geburten und Sterbefälle in Leipzig seit dem Jahr 2014. Grafik: Stadt Leipzig

Niemand rechnete damit, dass es so bald einen derart deutlichen Rückgang bei den Geburtenzahlen geben würde.

Und die Grafik bis 2014 zeigt noch deutlicher, dass der Geburtenrückgang tatsächlich schon 2018 begann und in der Corona-Zeit nur noch einmal deutlich stärker ausfiel. So stark, dass auch die Statistiker inzwischen darüber grübeln, warum die Geburtenzahlen derart drastisch zurückgegangen sind.

Um das herauszufinden, müssen natürlich die (jüngeren) Leipziger genau danach gefragt werden. Sonst bleibt alles Spekulation. Denn wahrscheinlich stecken mehrere Ursachen dahinter, wie eine andere Vorstellung vom selbstgestalteten Leben, eine nur zu berechtigte Klimaangst, aber auch harte Umstände wie das massive Fehlen von bezahlbaren Wohnungen für Familien mit Kindern.

Es reicht eben nicht, wenn investorenfreundliche Parteien plakatieren „Bauen, Bauen, Bauen“, wenn dabei unbezahlbar teure Wohnungen entstehen, die sich junge Familien gar nicht leisten können. Und mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sieht es in den meisten Branchen nach wie vor nicht so gut aus.

Das Thema wird Leipzig noch richtig zu schaffen machen. Denn mit den Kindern fehlt dann auch der Nachwuchs für all die Wirtschaftszweige, die in Leipzig in den letzten Jahren aufgeblüht sind.

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Problem ist, dass bei steigendem Brutto wenig mehr Netto hängen bleibt und die Lebenshaltungskosten weiterhin durch die Decke gehen.

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