Mit „Schuldenbremse“ und massiven Steuersenkungen für Vermögende und Gutverdienende haben vor allem konservative Regierungen Deutschland in eine scheinbare Notsituation hineinmanövriert. Auf einmal scheint an allen und Ecken kein Geld mehr da zu sein und nicht nur der Bundesfinanzminister macht immer härtere Einsparvorschläge. Konservative Politiker nutzen die „Not“ auch seit Monaten zu einem Bashing von Bürgergeld-Beziehern.

So wie auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), der im Dezember zum Beispiel behauptete: „Wenn beispielsweise eine Million mehr Bürgergeldempfänger arbeiten würden, könnten pro Jahr 30 Milliarden Euro gespart werden.“

Es ist das alte Mantra konservativer Politiker, die lieber auf die Bedürftigen eindreschen und ihnen flächendeckend Faulheit unterstellen, beim Thema Steuererhöhung für die Reiche aber vor Entsetzen in Ohnmacht fallen. Denn die Reichen und Vermögenden können sich wehren, die Bezieher von Bürgergeld nicht. Und viele von ihnen bekommen Bürgergeld, obwohl sie arbeiten.

Fakten statt Vorurteile

Um aber dem wild drauflos argumentierenden Ministerpräsidenten die tatsächlichen Zahlen entgegenhalten zu können, stellte die sozialpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Susanne Schaper, mehrere Anfragen im Sächsischen Landtag.

„Wir fordern Fakten statt Vorurteile: Das Bürgergeld ermöglicht weder ein Leben in Luxus noch ist es die Regel, dass sich die Leute darauf ausruhen. Trotzdem erweckt beispielsweise Ministerpräsident Kretschmer immer wieder diesen Eindruck – das ist ungerecht gegenüber den Betroffenen!“, kommentiert Susanne Schaper das Ergebnis ihrer Anfragen.

In Sachsen haben knapp 250.000 Menschen Anspruch auf Bürgergeld. Davon sind etwa 60.000 nicht erwerbsfähig, weil sie noch keine 15 Jahre alt oder erkrankt sind.

40.000 weitere brauchen Bürgergeld, obwohl sie arbeiten (Drucksache 7/16255).

Und wie ist da mit den Anderen? Sind die faul und ruhen sich in der „sozialen Hängematte“ aus?

„Von den übrigen etwa 150.000 Betroffenen sind weniger als 1.500 sanktioniert, weil sie nicht ausreichend mitwirken – 99 Prozent wirken also mit“, stellt Susanne Schaper mit. „Ganze 49 Personen erhalten sanktionsbedingt derzeit gar kein Bürgergeld neben der Miete und dem Heizkostenzuschuss (Drucksache 7/16603). Die riesige Mehrheit bemüht sich also darum, auf eigenen Beinen zu stehen, und verdient mehr Unterstützung. In Sachsen leben mindestens 110.000 Kinder in Armut, jede dritte alleinerziehende Familie ist betroffen!“

Und wie ist das nun mit den Sanktionen? Treffen die tatsächlich immer die Richtigen? Nicht wirklich, kann Susanne Schaper feststellen: „Dass die Jobcenter keineswegs alles richtigmachen, sieht man daran, dass ein Drittel der Bürgergeld-Klagen für die Betroffenen erfolgreich ausgeht (Drucksache 7/16604).“

Und wo sind die Jobs?

Und auch in Leipzig hat die inflationsbedingte Erhöhung des Bürgergelds zum Jahresbeginn ganz und gar nicht dazu geführt, dass sich die Leipziger jetzt zufrieden auf die faule Bärenhaut legen. Ganz zu schweigen davon, dass der Arbeitsmarkt derzeit überhaupt nicht aufnahmefähig ist: Tausende Menschen suchen eine Arbeit, aber viele Unternehmen halten sich seit Monaten mit Einstellungen zurück.

Michael Kretschmer hätte also nicht einmal die notwendigen Unternehmen bei der Hand, „Millionen von Bürgergeld-Beziehern“ arbeiten zu lassen.

Seine Argumentation stimmt also nicht nur vorne nicht, sondern hinten auch nicht.

Schon im Dezember 2023 thematisierte die Stadtratsfraktion der Linken den sogenannten „Bürgergeld-Effekt“, d.h. die insbesondere von der CDU immer wieder gern kolportierte Falschbehauptung, dass durch die Einführung des Bürgergeldes die Anreize für die Arbeitsaufnahme fehlen würden. Der statistische Nachweis konnte damals von der Verwaltung nicht erbracht werden, wie die Antwort auf die Anfrage der Linksfraktion (VII-A-09429-AW-1) ergab.

„Auch die neuesten Anfragen der sozialpolitischen Sprecherin der sächsischen Linksfraktion Susanne Schaper zum Thema Bürgergeld widerlegen den entsprechenden CDU-Schwindel, dass sich die betroffenen Menschen auf dem Bürgergeld ausruhen würden“, kommentiert Linke-Stadtrat Volker Külow das Thema, das als konservative Wahlkampfargumentation immer wieder auftaucht, egal, wie die Fakten dagegen sprechen.

Auch für Leipzig gelten diese Proportionen, so Külow. Die entsprechenden Zahlen lauten:

Leistungsminderungsquote für erwerbsfähige Leistungsberechtigte mit mindestens einer Leistungsminderung – 423, das entspricht 1,1 Prozent;

Leistungsminderungsquote mit voller Leistungsminderung – 12, das entspricht 0,0 Prozent;

Bestand an Bedarfsgemeinschaften (BG) mit Kindern unter 18 Jahren und mindestens einer Leistungsminderung – 92. 

„Angesichts dieser Fakten fordern wir insbesondere die CDU auf, ihre auf Vorurteilen und Ressentiments basierende Hetze gegen Empfängerinnen und Empfänger von Bürgergeld endlich einzustellen!“, so Külow.

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