Wer in Deutschland besser verdient, lebt länger und hat eine bessere psychische und physische Gesundheit. Bei Frauen zeigt sich der Zusammenhang jedoch nur beim Haushaltseinkommen. Wie hoch ihr individuelles Einkommen ist, scheint keine Rolle zu spielen, bei Männern hingegen schon. Das sind die Ergebnisse einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin).

Dafür haben DIW-Ökonom/-innen berechnet, wie hoch die Wahrscheinlichkeit für unterschiedliche Einkommensgruppen ist, im Alter von 55 bis 76 Jahren zu sterben. Die Berechnungen basieren auf Daten der Längsschnittstudie Sozio-oekonomisches Panel (SOEP) am DIW Berlin für die Jahre 1984 bis 2021.

Bei Frauen ist nicht das individuelle, sondern das Haushaltseinkommen entscheidend

Die Berechnungen zeigen: Bei dem Fünftel der Frauen mit den geringsten Haushaltseinkommen liegt das Sterberisiko bei etwa neun Prozent, beim Fünftel mit den höchsten Haushaltseinkommen nur bei sieben Prozent. Bei Männern sind es etwa 21 Prozent bei Geringverdienern und ca. elf Prozent bei den Besserverdienern.

Bei Männern zeigt sich der Zusammenhang zwischen Einkommen und Sterberisiko auch beim individuellen Einkommen, nicht jedoch bei Frauen.

„Die Lebenserwartung wird maßgeblich vom Lebensstandard der Menschen beeinflusst. Frauen haben durchschnittlich geringere individuelle Einkommen, können dabei jedoch häufig auf die Ressourcen ihres Partners zurückgreifen. Für sie ist daher das Haushaltseinkommen das bessere Maß, um ihren Lebensstandard zu messen“, erklärt Studienautor Johannes Geyer.

Auch einen Zusammenhang zwischen Einkommen und Gesundheit konnten die Wissenschaftler/-innen nachweisen: Mit steigendem Einkommen haben Frauen wie Männer eine bessere psychische wie physische Gesundheit. Dies zeigt sich sowohl beim individuellen als auch beim Haushaltseinkommen.

„Es wird deutlich, dass das Einkommen nur eine Dimension von sozialer Ungleichheit erfasst. Weitere Ungleichheiten bestehen in der Lebenserwartung und der mentalen und physischen Gesundheit“, so Studienautor Peter Haan.

Niedrige Rentenansprüche sollten aufgewertet werden

Ein Grundpfeiler der deutschen Rentenversicherung ist das Äquivalenzprinzip: Demnach hängt die Höhe der Rente von der Höhe der eingezahlten Beiträge ab. Dies basiert allerdings auf der Annahme, dass sich die Lebenserwartung innerhalb eines Jahrgangs nicht nach Einkommen unterscheidet. Dies konnte in der DIW-Studie jedoch widerlegt werden. Die einkommensabhängige Lebenserwartung unterläuft somit das Äquivalenzprinzip.

„Vereinfacht könnte man sagen: Bei der Rente wird teilweise von unten nach oben umverteilt. Unsere Studienergebnisse sprechen daher für eine Aufwertung von niedrigen Rentenansprüchen, wie das etwa bei der Grundrente passiert“, so Johannes Geyer.

Im Interview wird Johannes Geyer noch deutlicher.

„Die Rente ist eine Versicherung gegen Langlebigkeit. Ich versichere mich damit eigentlich gegen eine Zeit, in der ich nicht mehr arbeiten kann, aber trotzdem auf Geld angewiesen bin. Jetzt ist es so, dass die Versicherung zwischen Menschen mit niedrigem und hohem Sterbealter umverteilt“, stellt Geyer dort fest.

„Wenn ich früh sterbe, habe ich viel eingezahlt und kriege wenig raus. Wenn ich lange lebe, kriege ich mehr raus. Der Zusammenhang zwischen Einkommen und Lebenserwartung führt jetzt dazu, dass Menschen mit niedrigen Einkommen von ihrem Einkommen relativ viel in die Rente einzahlen, aber wenig rausbekommen. Bei den Reichen ist es umgekehrt.

Das ist ein wichtiger Punkt, denn wenn die Lebenserwartung mit dem Einkommen korreliert, dann bedeutet das, dass wir hier eine Umverteilung haben, die am Einkommen ansetzt. Dann stellt sich natürlich die Frage, ob es gewünscht ist, dass wir bei der Rente sozusagen eine Umverteilung von unten nach oben haben.“

Und das hat auch noch Folgen für die Krankenversicherung, wie Geyer feststellt: „Nun haben wir ein zweigeteiltes System und auf der einen Seite die gesetzliche und auf der anderen Seite die private Krankenversicherung. Genauso bei der Pflegeversicherung.

Aber tendenziell sind Menschen mit höherem Einkommen eher in der privaten Krankenversicherung, und diese Menschen nehmen tendenziell weniger Gesundheitsleistungen in Anspruch. Die schlechten Risiken sammeln sich in der gesetzlichen Krankenversicherung und dadurch steigen dort natürlich die Beiträge. Dadurch fehlt hier sozusagen der solidarische Ausgleich.“

Hier geht’s zur Studie.

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