Eigentlich geht es ihm dreckig. Seit Jahrzehnten schon steht der Feldhase als „gefährdet“ in der Roten Liste in Sachsen. Er hat einen Großteil seiner natürlichen Habitate verloren und findet in den Monokulturen der industrialisierten Landwirtschaft kaum noch einen Platz. Und trotzdem wird er emsig bejagt. Fragt mal ein Abgeordneter im Sächsischen Landtag nach, bekommt er keine ausgewertete Zählung von Naturschützern, sondern die Zahl der erlegten Hasen vom sächsischen Jagdverband.
Was kein Zufall ist. Denn so fragen nun einmal AfD-Abgeordnete. Die wollen nicht wirklich wissen, ob es dem Feldhasen (Lepus europaeus) eigentlich gut geht in Sachsens leergeräumten Fluren, sondern ob man genügend Hasenbraten auf den Tisch bekommt: „Wie haben sich die Jagdstrecken beim Feldhasen in den vergangenen zehn Jahren entwickelt?“ So fragte der AfD-Abgeordnete René Hein.
Der Hase als Jagd- und Unfallopfer
Und da antwortet dann natürlich auch Umweltminister Wolfram Günther mit den entsprechenden Zahlen der Jäger bzw. den gemeldeten Jagdstrecken. Und allein diese Zahlen sind schon erhellend, denn die Zahl der zur Strecke gebrachten Hasen sank von 725 Exemplaren in der Jagdsaison 2013/2014 auf 357 in der Saison 2022/2023.
Die komplette Antwort des Umweltministers zu den Feldhasen in Sachsen
Wobei die mitgelieferte Tabelle noch viel erhellender ist, denn diese Hasen wurden gar nicht alle erschossen. Die meisten wurden Opfer eines Verkehrsunfalls, also Fallwild/Unfallwild. Zumindest, was die Jahre bis 2020/2021 betrifft. In dieser letztgenannten Saison waren von 570 getöteten Feldhasen immerhin 307 Opfer einer anderen Todesart als der durch ein Schießgewehr.
2022/2023 lag dann die Zahl der bei einer Jagd zu Tode gekommenen Hasen deutlich höher als die der verunfallten – von 457 zu Tode gekommenen Langohren waren es trotzdem noch 193, die zumeist Opfer eines menschlichen Fahrgerätes wurden.
Der Blick in die Tabelle zeigt aber auch, dass es sich als Hase im Gebiet von Leipzig oder im Landkreis Leipzig sehr gefährlich lebt. Auf dem Gebiet von Leipzig wurden 2022/2023 nur vier Hasen geschossen, sieben aber ließen ihr Leben im Straßenverkehr. Im Landkreis Leipzig kamen auf 44 geschossene Hasen immerhin 26, die das Überqueren von Straßen, möglicherweise auch die Begegnung mit großen Landmaschinen, mit ihrem Leben bezahlten. In Nordsachsen kamen auf 44 bei der Jagd erschossene Hasen immerhin 21 verunfallte Langohren.
Da fragt man sich, warum Hasen dann überhaupt noch gejagt werden, obwohl sie in der Roten Liste für Sachsen als „gefährdet“ eingetragen sind.
Das Klima stresst auch den Feldhasen
Der Umweltminister sagt dazu: „Der Feldhase kommt im Freistaat Sachsen nahezu flächendeckend vor. Die Population verharrt dabei insgesamt auf vergleichsweise niedrigem Niveau mit möglicherweise leicht sinkender Tendenz.“
Aber die Gelegenheit, auf die prekären Lebensbedingungen des sächsischen Feldhasen hinzuweisen, ließ sich Wolfram Günther nicht entgehen, wenn der AfD-Abgeordnete schon einmal nach dem Trend für die Hasenpopulation fragt.
„Die Populationsentwicklung des Feldhasen ist von verschiedenen Einflussfaktoren abhängig. So trägt eine weitergehende Ökologisierung der landwirtschaftlichen Produktion auch zur Verbesserung des Lebensraums des Feldhasen bei und kann sich folglich positiv auf die Bestandsentwicklung auswirken“, geht Günther auf die dringend notwendigen Veränderungen in der sächsischen Landwirtschaft ein.
Denn gleichzeitig kommt der Feldhase auch durch den Klimawandel unter Druck: „Eine Zunahme trocken-heißer Sommer mit einer einhergehenden Verknappung der Nahrungsquellen bei Gräsern und Kräutern wirkt ebenso gegenläufig wie steigender Beutegreiferdruck in wenig deckungsreichem Gelände. Eine gesicherte Prognose zur Populationsentwicklung des Feldhasen kann seriös nicht getroffen werden.“
Da sollte man Meister Langohr vielleicht doch lieber nicht so emsig bejagen, sondern lieber Feldraine und Landschaftselemente in jenen riesigen Feldflächen anlegen, auf denen der Hase keine Deckung mehr findet.
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