Bastel dir deine Statistik – dann mach Politik. So ungefähr kann man das Zahlenwerk beschreiben, das die sächsische Polizei alljährlich als Kriminalstatistik herausgibt. Das ist auch bei der am 19. März herausgegebenen Kriminalstatistik für den Freistaat Sachsen nicht anders. Sie suggeriert wachsende und fallende Kriminalitätsentwicklungen in verschiedenen Feldern, wo es tatsächlich nur um polizeiliche Erfassung geht. Beispiel: „ausländerrechtliche Verstöße“.
Das ist eine Kategorie, die eigentlich nicht in die sächsische Polizeistatistik gehört. Nicht nur, weil hier eine Gesetzgebung gilt, die lediglich eine einzige Bevölkerungsgruppe betrifft und markiert. Sondern weil sich gerade hier besonders Politik manifestiert, Parteipolitik, die sich seit Jahren verschärft, weil gerade die in Sachsen regierende CDU überzeugt ist, sie würde Wählerstimmen damit sammeln, wenn sie härter und nachdrücklicher gegen „illegale Migration“ vorgehen lässt.
Denn dazu kann man ja die Polizei beauftragen. Man weiß ja, wo die Menschen auftauchen, die gern nach Deutschland möchten. Nur dummerweise erklärt sie deutsche Gesetzgebung schon beim Grenzübertritt für illegal.
Eine ziemlich nutzlose Statistik
Und das beeinflusst eine wesentliche Zahl in der Kriminalstatistik. Es ist nicht die einzige.
Darauf wies einmal mehr die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Sächsischen Landtag, Kerstin Köditz, hin: „Wie üblich gibt die Kriminalstatistik nur Aufschluss darüber, wie viele Straftaten der Polizei bekannt werden, nicht aber darüber, wie viele Straftaten tatsächlich begangen werden und was aus ihnen folgt. Um die Gesamtentwicklung besser zu bewerten, müsste endlich erhoben werden, wie viele Menschen am Ende aus welchen Gründen tatsächlich belangt und welche Ermittlungsverfahren aus welchen Gründen eingestellt werden. Das leistet die Kriminalstatistik nicht.“
In der Kriminalstatistik geht es also drunter und drüber, stehen angezeigte Straftaten neben solchen, die gar nicht weiterverfolgt werden, und solchen, deren Aufkommen die Polizei einfach dadurch erhellt hat, indem sie verstärkt Kontrollen und Razzien durchführt.
Und während sie in den Vorjahren die Zahlen bei Rauschgiftdelikten (scheinbar) in die Höhe trieb, indem sie öfters entsprechende Großkontrollen umgesetzt hat, so hat sie in den vergangenen zwei Jahren die Zahlen zu ausländerrechtlichen Verstößen in die Höhe getrieben, indem sie verstärkte Grenzkontrollen an der polnischen und tschechischen Außengrenze realisierte.
Ergebnis in der Meldung der Polizei zur Kriminalstatistik: „Entlang der sächsischen Außengrenze wurden insgesamt 39.429 Straftaten registriert, 12.733 Fälle bzw. 47,7 Prozent mehr als 2022. Im Grenzbereich zur Tschechischen Republik hat die allgemeine Kriminalität um 477 Fälle zugenommen (+7,3 %), entlang der polnischen Grenze waren es 1.337 Fälle bzw. 14,8 Prozent mehr.“
Aber in Wirklichkeit weiß auch die sächsische Polizei nicht, ob da etwas zugenommen hat oder gar abgenommen. Denn die Zahlen sind lediglich durch verstärkte Kontrollen zustande gekommen.
Für Armin Schuster ein Sicherheitsgewinn
Erst am 23. Februar hatte sich Sachsens Innenminister Armin Schuster selbst gelobt dafür, dass unter seiner Ägide die Grenzkontrollen verschärft wurden: „Wenn allein in Sachsen an der Grenze alltäglich 30 Personen- und Sachfahndungstreffer erzielt werden, ist das ein entscheidender Sicherheitsgewinn für den gesamten Freistaat.
Mit den Grenzkontrollen erreichen wir eine Doppelwirkung, indem sowohl die illegale Migration gravierend eingedämmt, als auch gesuchte Personen und Sachen mit der Grenzfahndung erfolgreich aufgegriffen werden. (…) Deswegen lautet unsere Forderung weiterhin, dass die Bundesinnenministerin gegenüber der EU-Kommission die Grenzkontrollen für die höchstmögliche Dauer notifiziert, zumindest bis die EU-Außengrenzen wirksam geschützt werden.“
Was im Klartext heißt: Erst die von der EU genehmigten verstärkten Grenzkontrollen haben die Zahlen so ansteigen lassen. Die Polizei hat die „Straftaten gegen das Aufenthalts-, das Asyl- und das Freizügigkeitsgesetz/EU“ in einer Grafik, die wir oben abbilden, extra markiert, sodass der Effekt der verstärkten Grenzkontrollen in der Gesamtstatistik sogar sichtbar wird.
Ob damit das, was der Innenminister „illegale Migration“ nennt, tatsächlich eingedämmt wird, darf man bezweifeln. Eher hat das Ganze einen Placebo-Effekt für die Politik: als Abschreckung nach außen hin und als Versprechen an eine bestimmte Wählerklientel, man „greife hart durch“. Wozu dann die zweite Grafik passt, welche die Polizei mit „unerlaubte Einreise/unerlaubter Aufenthalt“ betitelt hat.
Der steil nach oben weisende Pfeil suggeriert dem naiven Betrachter, die unerlaubten Einreisen hätten um satte 84 Prozent zugenommen. Obwohl die gestiegene Zahl lediglich auf verstärkte Grenzkontrollen zurückgeht, also auf verstärkte Erfassung durch die Polizei, die dann so tut, als hätte sie lauter Kriminelle erwischt.
Obwohl diese Menschen in der Regel etwas später in den Ausländermeldebehörden der Kommunen aufgetaucht wären, um dort dann in der Regel einen Asylantrag zu stellen und damit ihren Aufenthalt zu verrechtlichen. Ihr Aufenthalt wird tatsächlich erst durch die behördliche Prüfung legitimiert oder – abgelehnt.
Das ist ein eigenes Thema, in dem es eben auch deutsche Gesetzgeber waren, die aus transparenten Verwaltungsakten ein Dickicht von Legitimität und Illegitimität gemacht haben. Ein Labyrinth, in dem sich die Sachbearbeiter/-innen in den Ausländerbehörden oft genauso verheddern wie die Menschen, die in Deutschland ihre letzte Hoffnung sahen, ein Leben in Frieden und Freiheit zu leben.
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