Es war eine wilde Aufholjagd. Doch so langsam scheint Leipzigs Spurt zurück unter die größten deutschen Städte seine Dynamik zu verlieren. Die Geburtenraten sinken, die Zuwanderung wird geringer, junge Familien wandern ab ins Umland. Da versteht man schon, warum das Amt für Statistik und Wahlen für die Verwaltungsspitze jetzt einmal einen aktuellen Vergleich der größten deutschen Städte erarbeitet hat. Was macht eine Stadt überhaupt dynamisch und attraktiv?
Die Zahlen hat Lars Kreymann in einer neuen „Analyse zur Stadtgesellschaft“ zusammengetragen.
Die Stadt Leipzig ist mit ihrer amtlichen Einwohnerzahl von 616.093 zum Jahresende 2022 die acht-größte Stadt Deutschlands. Vor zehn Jahren, im Jahr 2013, lag sie mit 531.562 Einwohnern noch auf Rang 11. Inzwischen hat die Stadt aber die drei westdeutschen Städte Dortmund, Essen und Bremen überholt, liegt jetzt dicht hinter Stuttgart und Düsseldorf.
Die kleinste der hier verglichenen 15 größten deutschen Städte ist Duisburg mit 502.211 Einwohnern. Die größte deutsche Stadt ist Berlin mit 3.755.251 Einwohnern.
In der die Städte vergleichenden Analyse zur Stadtgesellschaft steht zudem, dass Leipzig mit jährlichen Zuwachsraten von mehr als zwei Prozent in den Jahren 2011 bis 2015 die Stadt mit dem schnellsten Bevölkerungswachstum unter den deutschen Großstädten war. In den Jahren danach stieg Leipzigs Bevölkerungszahl auf geringerem Niveau (0,7 Prozent im Jahr 2021) weiter – im Gegensatz zu leichten Rückgängen in den meisten anderen Städten.
In den letzten zehn Jahren nahm die Leipziger Bevölkerungszahl insgesamt um 15,9 Prozent zu. Unter den deutschen Großstädten hat nur Frankfurt a. M. mit 10,2 Prozent eine zweistellige Wachstumsrate für diesen Zeitraum zu vermelden. Im Jahr 2001 hatte Leipzig mit 493.000 seine geringste Bevölkerungszahl.
Seitdem ist sie um 25 Prozent angestiegen. Vergleichbare Wachstumsraten für diesen Zeitraum können lediglich München (23,2 Prozent) und Frankfurt a. M. (20,6 Prozent) verzeichnen.
Deutlicher Zuwachs an sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung
Leipzig ist gemeinsam mit Berlin die Stadt, in der die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten am Wohnort am stärksten zunimmt. Zwischen 2017 und 2022 lagen die Zuwachsraten beider Städte bei mehr als 13 Prozent und zwischen 2013 und 2022 jeweils bei 32,6 Prozent. Beim Vergleich der Arbeitslosenquote belegt Leipzig gemeinsam mit Düsseldorf Platz 6 unter den 15 Vergleichsstädten mit einer Arbeitslosenquote von 6,5 Prozent Ende 2022.
Und dennoch ist das verfügbare Einkommen je Einwohner in Leipzig mit 20.545 Euro das zweitgeringste. Nur die Einwohner Duisburgs haben mit 18.829 Euro noch weniger Geld zur Verfügung. Der Zuwachs beim verfügbaren Einkommen fiel mit +0,8 Prozent in Leipzig deutlich geringer aus als in den anderen Städten und im Bundesschnitt (+2,1 Prozent).
Was natürlich mit dem in der Stadt erwirtschafteten Bruttoinlandsprodukt (BIP) zu tun hat. Das BIP je Erwerbstätigem ist in den beiden sächsischen Städten Leipzig und Dresden – unter den fünfzehn größten deutschen Städten die einzigen aus den sogenannten neuen Bundesländern – im Jahr 2021 am geringsten unter den hier verglichenen Städten. Und das hat wieder mit dem Fehlen größerer, leistungsstarker Konzerne am Standort zu tun.
Hatten die ähnlich großen Städte Düsseldorf und Stuttgart 2021 ein BIP von über 54 Milliarden Euro, so lag es in Leipzig lediglich bei 23,8 Milliarden Euro – auf ähnlicher Höhe wie in Dresden und Dortmund. Das begrenzt natürlich die Spielräume im Stadthaushalt, aber auch die Möglichkeiten vieler Leipziger, auf den heftige Preisanstieg auf dem Leipziger Wohnungsmarkt zu reagieren.
Migration und Geburtendefizit
Aber Leipzig ist auch so stark gewachsen, weil die Stadt über 20 Jahre von Zuwanderung profitierte.
Was Leipzig heute neben Berlin zu der Stadt in Ostdeutschland mit dem höchsten Ausländeranteil macht. Was schon ein Blick in die Zukunft ist, denn die Großstädte sind es, die zeigen, wohin sich ein Land entwickelt. Und wenn die Geburtenrate der heimischen Bevölkerung geradezu im Keller ist, wird eine Gesellschaft zwangsläufig bunter und internationaler.
Es sei denn, man sperrt das Land einfach zu, wie es die Rechtsextremen wollen, die tatsächlich glauben, das Land wäre dann noch überlebensfähig. Doch schon heute würde in Deutschlands ohne die vielen Menschen mit Migrationshintergrund nichts mehr funktionieren. Oft stecken sie genau in den Jobs, die Einheimische gar nicht (mehr) machen wollen, sind Pflegekräfte, Logistiker, Dienstleister aller Art.
„Ende 2022 betrug der Anteil der in Deutschland lebenden Ausländer 14,6 je 100 Einwohner. Allerdings stellte sich die Verteilung unter den Großstädten unterschiedlich dar. In den beiden sächsischen Städten Leipzig und Dresden lebten mit 12,9 Prozent bzw. 10,8 Prozent weniger Ausländer als im bundesdeutschen Durchschnitt. In Essen und Hamburg lagen die Quoten bei 18,7 und 19,2 Prozent.
In den anderen hier verglichenen Städten lagen die Ausländeranteile an der jeweiligen Gesamtbevölkerung darüber. Die meisten Ausländer bezogen auf die Gesamtbevölkerung lebten in Frankfurt a. M. (30,9 Prozent), München (27,9 Prozent) und Stuttgart (27,0 Prozent)“, schreibt Lars Kreymann.
Aber „Grenzen dicht“ ist garantiert keine Lösung. Was schon mit dem Blick auf das Geburtendefizit auch in Leipzig deutlich wird. „Während alle Städte 2022 sehr deutliche positive Wanderungssalden verzeichneten, fielen die Geburten-Sterbefälle-Salden bei allen Städten bis auf München und Frankfurt a.M. negativ aus. Die Gründe hierfür sind aber weniger in der erhöhten Zahl von Sterbefällen, sondern in der sinkenden Zahl von Geburten zu suchen.
Sind die Raten der Gestorbenen pro 1.000 Einwohner in den meisten Städten nahezu gleich bis unauffällig steigend, sank die Zahl der Geburten pro 1.000 Einwohner in den Städten deutlicher“, schreibt Kreymann.
Die Großstädte leben also geradezu vom Zuzug, auch und gerade aus dem Ausland. Wobei es verblüfft, wie wenig auch die Großstädte heute schon international denken. Was aber oft mit Landespolitikern zu tun hat, die – wie in Sachsen – noch immer Bilder einer „homogenen Wertegemeinschaft“ propagieren, die mit der Realität nichts zu tun haben.
Bilder, die sich zwingend ändern müssen, damit die Menschen, die in Deutschland ein neues Zuhause suchen, nicht schon im Bildungsweg ausgegrenzt werden und dann keine qualifizierte Arbeit auf einem Arbeitsmarkt finden, in dem praktisch alle Unternehmen händeringend nach Fachkräften suchen.
So richtig ist dieses Umdenken nicht zu sehen. Stattdessen schwenken die Parteien schon wieder auf einen Migrationswahlkampf ein, der den Wählern ein trügerisches Bild einer Welt zeichnet, in der sie von den weltweiten Veränderungen (und der eigenen Überalterung) verschont werden.
Der gesamte Städtevergleich steht im Internet auf der Seite www.leipzig.de/statistik in der Rubrik Analysen zur Stadtgesellschaft.
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