Der Leipziger Arbeitsmarkt hat kaum noch etwas mit dem Arbeitsmarkt vor zehn oder zwanzig Jahren zu tun. Deswegen ergeben auch die alten Erklärmuster wenig Sinn, auch wenn sie naheliegen, wenn die Arbeitsagentur Leipzig am Mittwoch, dem 31. Mai, meldet: „Die Arbeitslosigkeit ist im Mai geringfügig gestiegen, und zwar um 77 auf 23.389. Im Vergleich zum Vorjahresmonat gab es 3.660 Arbeitslose mehr.“
Was dann die Arbeitslosenquote auf Basis aller zivilen Erwerbspersonen im Mai auf 7,0 Prozent sinken ließ. Vor einem Jahr hatte sie sich auf 6,0 Prozent belaufen. Und im April 7,1 Prozent. Was schlicht mit der wachsenden Bevölkerung in Leipzig zu tun hat.
Die Arbeitsagentur Leipzig dazu: „Die Arbeitslosenquote ist in Leipzig geringfügig zurückgegangen, obwohl die Zahl der arbeitslosen Menschen um 77 Personen angestiegen ist. Dieser scheinbare Widerspruch ist auf die jährliche Aktualisierung der Bezugsgröße (jeweils im Mai) für die Berechnung der Arbeitslosenquote zurückführen. Aufgrund des anhaltenden Bevölkerungswachstums in Leipzig hat sich auch die Gesamtzahl der zivilen Erwerbspersonen im Nenner der Formel zur Berechnung der Arbeitslosenquote erhöht.
Dadurch ergibt sich eine leicht gesunkene Arbeitslosenquote, obwohl die absolute Zahl der Arbeitslosen gering gestiegen ist.“
Fachkräfte werden weiter gesucht
„Insgesamt zeigte sich der Leipziger Arbeitsmarkt auch im Mai 2023 stabil, wenngleich die starke Frühjahrsbelebung, so wie wir dies im Frühjahr 2022 nach der Corona-Pandemie gesehen haben, leider bisher ausgeblieben ist. Grund hierfür ist die geschwächte Konjunktur“, versucht der Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Leipzig, Steffen Leonhardi, die Zahlen einzuordnen.
„Gleichzeitig bleibt der Arbeitsmarkt vor Ort weiterhin sehr aufnahmefähig: Die Unternehmen benötigen weiterhin Fach- und Arbeitskräfte. Die Nachfrage liegt mit 9.440 gemeldeten Arbeitsstellen beim gemeinsamen Arbeitgeberservice der Agentur für Arbeit Leipzig auf ausgesprochen hohem Niveau. Das spiegelt sich ebenfalls in der hohen Nachfrage nach Auszubildenden wider.“
Die minimal gestiegene Arbeitslosigkeit sagt also überhaupt nichts über die Nachfrage am Leipziger Arbeitsmarkt aus.
Das wird bei einer anderen Zahl noch deutlicher. Denn in dem Zuwachs der registrierten Arbeitslosen von 23.312 im April auf 23.389 steckt vor allem der Zuwachs an arbeitslos registrierten Ausländern von 6.867 auf 7.030. Im April lag dieser Zuwachs sogar bei 270. Vor allem, weil jetzt immer mehr ukrainische Mitbürger aus ihren Sprachkursen in die Arbeitsvermittlung gelangen.
Speziell zu den aus der Ukraine Geflüchteten schreibt die Arbeitsagentur: „Im Mai waren im Jobcenter Leipzig 4.872 erwerbsfähige Personen aus der Ukraine gemeldet, 7 Personen weniger als im Vormonat. Darunter waren 1.489 Personen als arbeitslos registriert. Dies entspricht einem Anstieg von 97 Personen im Vergleich zum Vormonat.“
Was dann den rein statistischen Effekt hat: „Im Mai meldeten sich 5.574 Personen (neu oder erneut) arbeitslos, das waren 552 mehr als vor einem Jahr. Gleichzeitig beendeten 5.509 Personen ihre Arbeitslosigkeit, 211 mehr als im Mai 2022. Seit Jahresbeginn gab es 28.798 Zugänge von Arbeitslosen, gegenüber dem Vorjahreszeitraum ist das ein Zuwachs von 3.539 Meldungen.“
Es kommen also immer mehr Menschen in Leipzig in Arbeit – trotz „geschwächter Konjunktur“, wie es Leonhardi nennt. Die Zahl der Beschäftigten steigt also weiter an. Aktuelle Beschäftigtenzahlen für das Frühjahr 2023 liegen zwar noch nicht vor. Aber die jüngsten Zahlen aus dem September 2022 sprechen eine klare Sprache.
Da erreichte die Leipziger Beschäftigtenzahl die 290.863. Über 7.000 Menschen mehr als noch im September 2021 waren also in Beschäftigung. Da lag die Beschäftigtenzahl noch bei 283.704. Ein Trend, der seit Jahren anhält. Jedes Jahr entstehen tausende neue Arbeitsstellen in Leipzig, was wieder den Zuzug nach Leipzig am Laufen hält und gleichzeitig die Wohnungsknappheit erhöht.
Und so betont denn auch die Arbeitsagentur Leipzig: „Im Mai meldeten sich 2.019 zuvor erwerbstätige Personen arbeitslos, 157 mehr als vor einem Jahr. Durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit konnten in diesem Monat 1.957 Personen ihre Arbeitslosigkeit beenden, 104 mehr als vor einem Jahr.“
Und weiterhin werden in praktisch allen Branchen Fachkräfte gesucht.
So meldeten Arbeitgeber dem gemeinsamen Arbeitgeberservice der Agentur für Arbeit und des Jobcenters Leipzig 1.563 neue Arbeitsstellen im Berichtsmonat Mai. Das sind 14 Stellen bzw. 0,9 Prozent mehr als im Vormonat und 258 Stellen bzw. 14,2 Prozent weniger als im Vorjahresmonat.
Der Großteil der neu gemeldeten Stellenangebote im Mai kam aus den Wirtschaftsabschnitten der Arbeitnehmerüberlassung (468 neue Stellen), den freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen (310), dem Gesundheits- und Sozialwesen (159), dem Handel (126) und dem verarbeitenden Gewerbe (71).
Im Mai waren 9.440 Arbeitsstellen im Bestand gemeldet, gegenüber April ist das ein Zuwachs von 74 Stellen bzw. 0,8 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahresmonat gab es 952 Stellen weniger (-9,2 Prozent).
Freie Arbeitsstellen gibt es aktuell in allen Wirtschaftsabschnitten. Schwerpunkte bilden weiterhin die Arbeitnehmerüberlassung (3.314 Stellen), die freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen (1.540), das Gesundheits- und Sozialwesen (706), das verarbeitenden Gewerbe (588) und der Handel (508).
Viele freie Stellen sind in der Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit veröffentlicht und können mit der kostenfreien Smartphone-App (Jobsuche – die Jobbörse der BA) zu jeder Zeit, an jedem Ort abgerufen werden.
„Die Unternehmen vor Ort haben weiterhin einen hohen Bedarf an Arbeitskräften sowie Auszubildenden. Es ist daher zu erwarten, dass der Arbeitsmarkt robust und aufnahmefähig bleibt. Jedoch dämpfen insgesamt die globalen Unsicherheiten und der Fachkräfteengpass die aktuelle Entwicklung“, so das abschließende Fazit von Steffen Leonhardi.
Der Leipziger Arbeitsmarkt in Zahlen
Nach Personengruppen entwickelte sich die Arbeitslosigkeit recht unterschiedlich, allerdings waren bei allen Anstiege gegenüber dem Vorjahresmonat zu verzeichnen. Die Spanne der Veränderungen reicht im Mai von +9 Prozent bei Deutschen bis +50 Prozent bei Ausländern.
Derzeit sind im Leipziger Agenturbezirk 2.208 Jugendliche unter 25 Jahren ohne Beschäftigung. Das sind drei weniger als im Vormonat. Im Vorjahresvergleich liegt die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen um 566 bzw. 34,5 Prozent höher.
Die Zahl älterer Arbeitsloser hat sich im Vergleich zum Vormonat um 60 Personen erhöht. Im Mai waren in Leipzig 6.339 Frauen und Männer ab 50 Jahren arbeitslos, 649 bzw. 11,4 Prozent mehr als vor einem Jahr.
Die Zahl der langzeitarbeitslosen Menschen ist im zurückliegenden Monat in Leipzig gestiegen. Im Mai 2023 waren 6.390 Menschen langzeitarbeitslos, 33 mehr als im April. Im Vergleich zum Mai 2022 gab es 441 Langzeitarbeitslose weniger, ein Rückgang um 6,5 Prozent.
Die Unterbeschäftigung – die Summe aus Arbeitslosen, Teilnehmenden an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen und vorübergehend nicht verfügbaren Arbeitsuchenden – lag im Mai bei 32.957 Personen. Das sind 397 Personen weniger als im Vormonat und 4.533 mehr als im Mai 2022. Der deutliche Anstieg gegenüber dem Vorjahresmonat ist hauptsächlich durch die Teilnahme ukrainischer Geflüchteter an Integrationskursen begründet.
Im Rechtskreis SGB III lag die Arbeitslosigkeit bei 7.739, das sind 169 weniger als im Vormonat und 1.380 mehr als im Vorjahr.
Im Rechtskreis SGB II gab es 15.650 Arbeitslose, das ist ein Plus von 246 gegenüber April; im Vergleich zum Mai 2022 waren es 2.280 Arbeitslose mehr.
In Leipzig gab es im Mai 30.479 Bedarfsgemeinschaften. Das waren 536 weniger als im Vormonat und 1.603 mehr als im Mai des Vorjahres.
Das Jobcenter Leipzig betreut aktuell 38.583 erwerbsfähige Leistungsberechtigte. Im Vergleich zum Vormonat entspricht dies einer Verringerung um 541 Personen. Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Zahl um 2.355 Personen.
Im Mai waren 2.699 freie Ausbildungsstellen bei der Arbeitsagentur Leipzig gemeldet. Das sind 171 Stellen bzw. 6,8 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Gegenwärtig sind davon noch 1.335 Ausbildungsstellen unbesetzt. Dem stehen 1.988 Bewerberinnen und Bewerber auf einen Ausbildungsplatz gegenüber. Dies entspricht einem Rückgang von 205 Ausbildungssuchenden bzw. -9,3 Prozent. Von den gemeldeten Bewerberinnen und Bewerbern sind derzeit noch 984 unversorgt.
Die TOP 3 der gemeldeten Ausbildungsstellen zählen zu dem kaufmännischen Bereich: Verkäufer/in (207 freie Stellen), Kaufmann/-frau im Einzelhandel (185), Kaufmann/-frau – Büromanagement (177). Auf der Seite der Ausbildungssuchenden zeigt sich ein ähnlicher Trend: Verkäufer/in (163 Jugendliche), Kfz-Mechatroniker/in – PKW-Technik (124), Kaufmann/-frau im Einzelhandel (101).
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