Manche haben dieser Tage eine reich gedeckte Ostertafel. Andere feiern das Fest ohne besondere Gaben, hängen vielleicht die Plastikostereier in die Birkenreiser, die sie sich in eine Vase gestellt haben. Und das war es dann. Mehr ist nicht drin. Zum Beispiel, weil sie nur die Grundsicherung als Rente bekommen. Ein ganzes Arbeitsleben auf Beihilfe geschrumpft. Am 5. April veröffentlichte das Statistische Bundesamt neue Zahlen zum wachsenden Phänomen.
Paul M. Schröder vom Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ) hat die Zahlen noch einmal genauer untersucht und in den Jahresvergleich gestellt. Denn dann wird sichtbar, wie die Zahl der Bedürftigen wächst, die im Alter die Grundsicherung beantragen müssen.
Bürokratische Zumutung
Dass dahinter auch noch ein großes Dunkelfeld zu vermuten ist, macht die Sache nicht besser. Denn natürlich ist es schambehaftet, wenn man nach einem 40-jährigen Arbeitsleben trotzdem nur mit einer Armutsrente abgespeist wird und jetzt auf einmal auf Betteltour durch die Ämter ziehen soll.
Denn anders als in der Schweiz gibt es in Deutschland keine Mindestrente, die jedem zusteht, egal, wie mies oder gut er oder sie im Arbeitsleben bezahlt wurde. Oder wie lückenhaft die Erwerbstätigkeit war – ein Thema, das gerade Ostdeutsche nur zu gut kennen.
Scham ist das eine Thema, das viele von der Antragstellung abhält. Das andere ist die überbordende Bürokratie, welche die aktuelle Ampelregierung zumindest bei der Kindergrundsicherung endlich abschafen will. Denn so ganz grundlos ist das bürokratische Dickicht bei den vielen Unterstützungsleistungen ja nicht geschaffen worden. Wer solche Gesetze schreibt, weiß, dass er damit die meisten Menschen überfordert und regelrecht abschreckt, überhaupt einen Antrag zu stellen.
Genau das wirkt auch bei der Grundsicherung im Alter. Welche bürokratische Zumutung es für die Antragsteller/-innen ist, macht die Deutsche Rentenversicherung auf ihrer Website sehr schön deutlich. Als wenn die Antragsteller einen Millionenkredit bekommen sollten und nicht nur die kärglichen 500 Euro im Monat.
Da geh’ ich lieber jobben
Darin kommt das ganze Misstrauen deutscher Behörden gegenüber den Bedürftigen zum Ausdruck. Und das wollen sich auch in Sachsen viele Ältere einfach nicht antun. Lieber arbeiten sie, bis sie umfallen oder verdienen sich das Nötige mit Nebenjobs hinzu.
Die jüngsten Zahlen für das Jahr 2022 hat die Landtagsabgeordnete der Linken Susanne Schaper bei der Landesregierung abgefragt. Das Ergebnis ist deutlich. 11.935 Personen, die die Regelaltersgrenze schon hinter sich hatten, haben 2022 in Sachsen weiterhin in Vollzeit gearbeitet. Eine deutliche Steigerung etwa zum Jahr 2017, als es noch 5.436 waren.
Das freut natürlich viele Unternehmen, die unter zunehmendem Personalmangel leiden. Manch einer arbeitet auch gern weiter, wenn er gesundheitlich fit ist und seinen Beruf mag. Aber eine andere Zahl lässt dringend vermuten, dass viele Rentnerinnen und Rentner weiter arbeiten, weil ihre karge Rente zum Leben nicht reicht.
Das sind nämlich die Nebenjobs. 2017 arbeiteten 6.443 Menschen im Rentenalter in einem solchen Nebenjob. Doch binnen fünf Jahren ist diese Zahl deutlich gestiegen, auf mittlerweile 45.938 Männer und Frauen im Rentenalter, die geringfügig entlohnt beschäftigt sind – also in Nebenjobs.
Wenigstens die Würde bewahren
Die Zahl fällt auf, wenn man dann die Zahlen zur Grundsicherung daneben legt. Auf den ersten Blick scheint es auch hier ein starkes Wachstum zu geben, stieg die Zahl der Menschen, die in Sachsen Grundsicherung erhalten, von 12.755 im Jahr 2021 auf 16.335.
Aber das Bundesamt für Statistik weist darauf hin, dass darin auch der starke Effekt der Ukrainerinnen und Ukrainer im Rentenalter steckt, die in Deutschland und eben auch in Sachsen Zuflucht gefunden haben. Weshalb allein die Zahl der Ausländer/-innen, die in Sachsen Grundsicherung beziehen, von 3.170 auf 6.215 gestiegen ist.
Die Zahl der deutschen Bezieher von Grundsicherung stieg in Sachsen nur von 9.585 auf 10.120.
Wenn man diese Zahl neben die rapide gewachsene Zahl der Nebenjobber im Rentenalter legt, ahnt man, wie sich die deutsche Politik ihre Sozialleistungen spart, indem sie die Antragshürden hoch legt und die Antragsstellung zu einem entwürdigenden Verfahren macht. Ein Verfahren, das vor allem Menschen kränkt, die jahrzehntelang gearbeitet haben – oft zu miserabelsten Bedingungen und Löhnen. Und denen nun das geballte Misstrauen der Ämter entgegenschlägt, sie hätten nicht einmal die geradezu kärgliche Grundsicherung verdient.
Dazu noch die Zahl der Leipziger Nebenjobber im Rentenalter: 2017 waren es noch 608 Frauen und Männer im Rentenalter, die sich etwa dazu verdienten. Fünf Jahre später ist diese Zahl auf 4.581 gewachsen. Womit Leipzig in Sachsen keine Ausnahme bildet. Das Phänomen gilt im gesamten Freistaat.
Es gibt 2 Kommentare
Wieso sollte das ein Widerspruch sein? Beide Phänomene können gut parallel steigende Zahlen ausweisen; das eine am unteren Ende der Lohnskaka und das andere am oberen.
Denn die Gesamtheit der Rentenempfänger/-innen steigt ja gerade (Demografie), also auch die beiden Gruppen. Nur: während man einem Ostrentner kaum helfen muss, der es nach oben geschafft hat und den früheren Renteneintritt wählen kann (oder gesundheitlich muss – was dann also darauf verweist, dass 63 nicht immer ein Signal für eine tolle Rente ist), spielt sich mangels echter Mindestrente das Drama „unten“ ab. Da, wo die Notwendigkeit zum Weiterarbeiten zuschlägt.
Boomt nicht gerade im Osten die Rente mit 63? Diese Rentner müssten ja mindestens 45 Arbeitsjahre haben. Das widerspricht sich doch mit dem Artikel?