Im jüngsten Quartalsbericht der Stadt Leipzig war es schon Thema: Leipzig wächst weiter. Seit 1999 hält das Leipziger Bevölkerungswachstum an, mal mit einem Sprung nach oben, mal wieder gelinder. Aber es lässt sich immer schlechter voraussagen, stellte jüngst erst der Leiter des Amtes für Statistik und Wahlen, Dr. Christian Schmitt fest.
Der Grund ist in der zunehmend von Konflikten belasteten Weltpolitik zu suchen. 2015 waren es vor allem Menschen, die vor den Bürgerkriegen in Syrien und Afghanistan geflohen waren, die für steigende Zahlen in Deutschland sorgen. 2022 war es der russische Ãœberfall auf die Ukraine, der wieder vermehrt Menschen in Leipzig Zuflucht suchen ließ.Â
Flucht als unkalkulierbares Ereignis
Aber eben nicht nur aus der Ukraine. Auch aus anderen Weltregionen nahmen die Geflüchtetenzahlen wieder zu. Bürgerkriege und Kriege sind ja oft nur Ausdruck anderer sich verschärfender Krisen, die gerade im Schatten der Erhitzung des Klimas weiter zunehmen werden.
Weshalb es ziemlich sicher ist, dass es in Zukunft mehr unvorhersehbare Ereignisse geben wird, die Menschen auch in Leipzig Zuflucht suchen lassen, so Schmitt. Aber man kann diese Ereignisse nicht kalkulieren.
Was dann die nächste Bevölkerungsvorausschätzung wieder recht aufwendig und kompliziert machen wird. Die soll 2023 passieren. Aber vor dem Sommer wird es wohl keine abgestimmten Ergebnisse geben, meint Dr. Andrea Schultz, die im Amt für Statistik und Wahlen mit dem Thema beschäftigt ist.
Nur eines steht fest: Die Bevölkerungsentwicklung 2022 entspricht wieder vollkommen der letzten Vorausschätzung aus dem Jahr 2019. Und zwar der obersten der drei damals berechneten Varianten.
Ein Jahr früher als gedacht bei 624.000
In der Hauptvariante hatten Leipzigs Statistiker damals für das Jahr 2022 eine Zahl von 619.800 Einwohnerinnen und Einwohnern berechnet. 624.000 waren dann für 2023 erwartet worden.
Doch zum Jahresschluss 2022 verzeichnet das Leipziger Melderegister nun genau 624.689 Einwohner. Im oberen Szenario war dieser Wert schon für 2023 für möglich gehalten worden.
Dass Leipzig wieder auf dem höheren Wachstumspfad ist, hat natürlich zuallererst mit den nach Leipzig geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainern zu tun. Rund 10.000 haben seit März in Leipzig eine Zuflucht gefunden.
Der Blick auf den Wanderungssaldo zeigt natürlich, dass sie allein nicht für das doch wieder erstaunlich hohe Wanderungsplus von 16.399 verantwortlich sind. Darin stecken eben auch über 6.000 Menschen, die aus Sachsen und anderen Teilen Deutschlands zugewandert sind, aber auch weiterhin viele Geflüchtete aus den krisengeschüttelten Regionen der Erde. Die Fluchtbewegungen haben 2022 auch außerhalb der Ukraine wieder deutlich zugenommen.
Was dann eine Grundannahme der Bevölkerungsvorausschätzung von 2019 bestätigt: Dass Leipzig auch in den nächsten Jahren mit einem jährlichen Zuwachs von rund 5.000 Menschen rechnen kann, der sich aus einem positiven Wanderungssaldo ergibt.
Die singulären Ereignisse – wie der Ukraine-Krieg – werden trotzdem immer wieder für Spitzen sorgen, sodass die Stadtplanung gut daran tun, die Infrastrukturen für eine 700.000-Einwohner-Stadt bis 2030 zu bauen. Denn genau dahin ist Leipzig auf dem Weg.
Sorge um den fehlenden Nachwuchs
Nur eins bereitete den Leipziger Statistiker/-innen schon 2019 Sorgen: Dass die Geburtenrate wieder abfällt. Und zwar so heftig, dass die Geburten nicht mehr die Sterbefälle ausgleichen. In den Corona-Jahren wurde das sofort augenfällig. Bis 2019 trugen die Geburtenzahlen noch mit rund 300 zum jährlichen Bevölkerungswachstum bei.
2020 gab es zum ersten Mal ein leichtes Minus – 86 Lebendgeborene weniger als Gestorbene. 2021 und 2022 sorgten dann die stark steigenden Sterbezahlen durch Corona dafür, dass sich das Minus deutlich vergrößerte. 2021 starben 836 Leipziger/-innen mehr als geboren wurden. Und in der aktuellen Hochstimmung, dass die Corona-Pandemie scheinbar ausgestanden ist, vergisst man oft, dass der vergangene Winter noch einmal heftig gerade unter älteren Menschen gewütet hat. Das Ergebnis sind 1 .244 Gestorbene mehr als Geborene.
Und das hat eben auch mit der deutlich gesunkenen Geburtenzahl in den beiden Corona-Jahren zu tun.
Wurden 2020 noch 6.468 Kinder in Leipzig geboren, so sank diese Zahl schon 2021 deutlich ab auf 6. 252. Im Jahr 2022 ging diese Entwicklung mit nur noch 5. 862 Neugeborenen weiter. Und das liegt augenscheinlich eben nicht nur an der Zurückhaltung in der Corona-Zeit, die ja besonders junge Familien mit Kindern belastet hat. Es liegt auch an der schon vorher deutlich gesunkenen Fertilitätsrate, wie es die Statistiker nennen, also der pro Frau geborenen Kinder.
Und so kamen auch 2022 auf 7.106 Todesfälle nur 5.806 Neugeborene.
Was eben zugleich bedeutet, dass wieder mehr junge Menschen das Kinderkriegen auch als Risiko auffassen und den Kinderwunsch vertagen – oder ganz und gar auf Kinder verzichten.
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