Wie berechnet man Reichtum und Wohlstand? Keine leichte Aufgabe, wie Leipzigs Statistiker im jüngsten Quartalsbericht Nr. 3 für 2022 erörtern. Denn die wirklich Reichen haben längst Strategien entwickelt, ihren Reichtum zu verschleiern. Und auch die Definition des Vermögensforschers Wolfgang Lauterbach hilft nicht weiter: „Das Entscheidende ist, dass sie [die Reichen] über etwas verfügen, was anderen nicht möglich ist: einen Alltag ohne Erwerbsarbeit“ (Süddeutsche Zeitung vom 27.09.2016).
Ob das so erstrebenswert ist, ist eine andere Frage. Denn eine gute (Erwerbs-)Arbeit bereichert das Leben ebenfalls. Die Ideale, die so manche Reiche vertreten (und ihre Kofferträger in der Politik vertreten lassen), sind oft nicht die Bohne erstrebenswert und haben mit einem erfüllten Leben nicht viel zu tun. Messen lässt sich der tatsächliche Reichtum dieser Menschen sowieso nicht. Denn wo ist die soziale Dimension dabei, die für Menschen meist viel wichtiger ist als schnöder Mammon?
Der Sache kommt man wohl näher, wenn man messen kann, ob Menschen genug Geld verdienen für ihren Lebensunterhalt, ob es reicht, sorgenfrei zu leben. Oder ob es mehr als das ist.
Da kommt dann die in der Statistik genutzte Reichtumsbemessung ins Spiel. Die beschreibt der Beitrag im aktuellen Quartalsbericht so: „Die Einkommen messen jedoch streng genommen nicht Reichtum, sondern ‚Wohlhabenheit‘, denn es ist oftmals die gut bezahlte Erwerbsarbeit, die zu Wohlstand führt. Zum ersten Ansatz, also der Vermögensbetrachtung, ist die Datenlage für die Stadt Leipzig absolut unzureichend.
Nur zum zweiten Ansatz, der Einkommensbetrachtung, liegen für Leipzig fundierte Daten vor. Nach Definition des Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung gelten als ‚wohlhabend‘ all jene, die über mehr als 200 Prozent des mittleren Einkommens verfügen. Die Reichtumsschwelle wird üblicherweise als 200 Prozent vom bundesweiten Median bzw. vom städtischen Median definiert.“
Wer also ein doppelt so hohes Einkommen hat, wie es im Median aller Einkommen in der Stadt Leipzig errechnet wird, der ist ganz bestimmt wohlhabend.
Ärzte, Beamte, leitende Angestellte
Die Zahlen dazu: „Nach Leipziger Maßstab müsste ein Ein-Personen-Haushalt demnach 3.184 Euro netto (nach Steuern und Transfers) verdienen, um als einkommensreich zu gelten. Die Schwelle auf Basis des Bundes-Medians (Wert für 2019) liegt bei 3.580 Euro. Faktisch heißt das, dass diese wohlhabende Gruppe in Leipzig durch leitende Angestellte, Beamtinnen und Beamte, Ärztinnen und Ärzte, Richterinnen und Richter oder Selbstständige mit kleinen oder mittelständischen Unternehmen definiert sein wird. In Leipzig liegt der Anteil Wohlhabender an der Gesamtbevölkerung nach lokalem Maßstab bei 6,3 Prozent, nach bundesweitem Maßstab bei 4,2 Prozent.“
Bei Haushalten mit mehreren Mitgliedern liegt diese Schwelle logischerweise deutlich höher – bei Zwei-Erwachsenen-Haushalten bei 5.182 Euro (Leipziger Maßstab) und bei zwei Erwachsenen und zwei Kindern bei 7.254 Euro.
Wo wohnen eigentlich die Topverdiener?
Und die Zahlen aus der Bürgerumfrage 2021 ermöglichen es auch, die Verteilung der Wohlhabenheit nach Altersgruppen zu sortieren (danach ist der Anteil der Wohlhabenden in der Gruppe der 54- bis 57-Jährigen mit 13,4 Prozent am höchsten), aber auch nach Wohnorten. Was dann ein sehr vertrautes Bild ergibt: „Insbesondere in den Ortsteilen des Stadtrandes und in innerstädtischen Bereichen ist Wohlstand vergleichsweise häufig ‚zu Hause‘.“
Was übrigens auch Grundlage des derzeit am heftigsten ausgetragenen Konfliktes im Leipziger Stadtrat ist – der um die Mobilitätswende. Denn während die im Stadtzentrum wohnenden Wohlhabenden eher die Mobilitätswende hin zu Fahrrad, ÖPNV und guten Fußwegen unterstützen, beharren die am Stadtrand wohnenden Gutverdiener auf dem Primat des Automobils, mit dem sie täglich zum Geldverdienen in die City fahren.
Die Karte zeigt natürlich nur die „Reichtums“-Quoten, nicht die Armutsquoten. Aber logischerweise sind dort, wo die Anteile der Gutverdiener besonders niedrig sind, die Armuts- bzw. Armutsgefährdungsquoten besonders hoch.
Die meisten Gutverdiener leben danach im Zentrum Ost, also dem einstigen Grafischen Viertel, wo ihr Anteil über 20 Prozent beträgt, in Plaußig-Portitz, im Zentrum-West (Bachviertel und Westvorstadt) und im Zentrum-Süd. Das Waldstraßenviertel gehört dabei überraschenderweise eher nur zur zweiten Liga der Ortsteile mit einem Reichenanteil von 10 bis 15 Prozent, wozu sich auch noch Gohlis-Süd, die City, die Nordvorstadt und Seehausen zählen dürfen.
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