Noch kurz vor Jahresende hat das Amt für Statistik und Wahlen den dritten Quartalsbericht für das Jahr 2022 fertiggestellt. Mit den üblichen aktuellen Quartalszahlen, aber auch wieder detaillierten Berichten zu lebenswichtigen Fragen der Stadt Leipzig. Darunter auch der Frage nach dem Wachstum der Stadtbevölkerung. Denn da ist ja 2022 auch was passiert.
Und das wird nicht das letzte Mal gewesen sein, wie Dr. Christian Schmitt, Leiter des Amts für Statistik und Wahlen, bei der Vorstellung des Quartalsberichts am Mittwoch, dem 21. Dezember, erklärte.
Denn Migration und Fluchtbewegungen aus unterschiedlichsten Gründen wird es in Zukunft immer wieder und immer mehr geben. Kriege und Bürgerkriege sind dabei nur ein Aspekt einer zunehmend von Krisen geschüttelten Welt.
Seit 2000 wächst Leipzig – Zenit im Jahr 2015
Was dann freilich die Hochrechnungen für das Leipziger Bevölkerungswachstum immer schwieriger macht. Zwei Phasen sind ja in der Grafik oben sehr gut zu sehen.
Das erste ist die Zeit der Transformation von 1990 bis 2000, als Leipzig massiv an Bevölkerung verlor. Nach dem Abbau fast der kompletten Industrie Anfang der 1990er Jahre zogen zehntausende Leipzigerinnen und Leipziger weg aus der Stadt – meist den Arbeitsplätzen im Westen der Bundesrepublik hinterher. Gleichzeitig rauschten die Geburtenzahlen in den Keller. Und Leipzigs Verwaltung hatte sich so sehr daran gewöhnt, dass Leipzig eine schrumpfende Stadt ist, dass sie nach 2000 die Zeichen der Zeit regelrecht verschlief und erst ab 2005 langsam wieder verstand, dass in eine wachsende Stadt investiert werden musste.
Seitdem prägen steigende Bevölkerungszahlen die Stadt, auch wenn nach dem Gipfel im Jahr 2015 wieder ein deutlicher Rückgang der Zuwachszahlen zu sehen war.
„Nach den starken Wanderungsgewinnen um das Jahr 2015 herum bestand guter Grund zur Annahme, die Wanderungsgewinne könnten sich auf einem Pfad der rückläufigen, wenngleich positiven Salden befinden“, schätzt deshalb auch der kleine zugehörige Artikel im Quartalsbericht ein. „Das Jahr 2022 durchbricht diesen Trend – zumindest vorerst.“
„Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine führte ab März zu einer Zuwanderung von Geflüchteten und Vertriebenen aus der Ukraine. Bis November 2022 haben insgesamt rund 11.800 Ukrainer/-innen Zuflucht in Leipzig gefunden. Circa 1.950 von ihnen sind zwischenzeitlich weiter- oder zurückgewandert. Per Saldo leben aktuell (November 2022) circa 9.850 Ukrainer/-innen mehr in Leipzig als vor Ausbruch des Krieges.“
2015 und 2022 keine Ausnahme: Fluchtereignisse werden häufiger
Womit das Jahr 2022, was die Zuwanderung betrifft, mit dem Jahr 2015 vergleichbar ist. Und Christian Schmitt ist sich sicher, dass es solche nicht voraussehbaren Ereignisse mit verstärkten Flüchtlingszahlen in Zukunft immer wieder geben wird. Waren es 2015 Syrien und Afghanistan und 2022 nicht nur die Ukraine, könnten in naher Zukunft weitere solcher Wellen entstehen, mit denen gerade die großen Städte in Europa umzugehen lernen müssen.
Denn anders, als es sich die Rechtspopulisten in Deutschland so gern ausmalen, haben die meisten der vor Krieg, Bürgerkrieg und Hungersnot geflüchteten Menschen gar keine Möglichkeit, überhaupt wieder in ihre Herkunftsländer zurückzukehren. Ein Großteil integriert sich und erwirbt mit der Zeit auch den Anspruch auf die Einbürgerung. Auch bei den Menschen aus der Ukraine geht man davon aus, dass rund drei Viertel in Leipzig bleiben werden, weil ihre Heimat schlichtweg immer noch im Krieg ist oder so gründlich zerstört, dass an eine Heimkehr nicht zu denken ist.
Im Jahr 2022 stecken übrigens nicht nur Geflüchtete aus der Ukraine in der Statistik: „Aber auch jenseits der Entwicklungen aufgrund von Flucht und Vertreibung aus der Ukraine ist Leipzig im laufenden Jahr durch Zuwanderung gewachsen, in den ersten 11 Monaten bereits um 6.180 Personen. Insgesamt ergibt sich somit ein vorläufiger Wanderungssaldo von +16.026 bis Ende November. Bis Jahresende könnte der Wanderungsgewinn das Niveau des Spitzenjahres 2015 erreichen oder überschreiten.“
Weiteres Wachstum ist sicher
Und das wirft natürlich Fragen zur Leipziger Bevölkerungsvorausschätzung auf. Denn wie viele Einwohner wird Leipzig, wenn das so sprunghaft weitergeht, im Jahr 2030 haben? Nur 660.000, wie zuletzt im Gespräch, oder doch die in der Vorausschätzung errechneten 720.000?
Denn daraus ergeben sich gerade für die Verwaltung wichtige Fragen, wie Schmitt betont. Da müssen Schulen und Kitas geplant werden, braucht es neue Sporthallen und Schwimmhallen, müssen neue Wohnquartiere gebaut und auch Instrumente der Integration ausgebaut werden.
Irgendwann Mitte 2023 wird wohl die neue, aktualisierte Bevölkerungsvorausschätzung vorliegen, sagt Dr. Andrea Schultz, Abteilungsleiterin Stadtforschung im Amt für Statistik und Wahlen. Aber die Zahlen deuten darauf hin, dass die Prognose von 700.000 bis 720.000 Einwohnern im Jahr 2030 wohl der Realität nahe kommen wird und Leipzig gut daran tut, genau so ein Wachstum in seinen Planungen zu berücksichtigen.
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