Wer arm ist, eine schlecht bezahlte Arbeit hat und ein niedrigeres Bildungsniveau, der stirbt früher. Das ist auch in Leipzig statistisch nachweisbar. Auch wenn sich Statistiker schwertun mit der Interpretation von Zahlen zur Lebenserwartung. Aber Christoph Bein und Christian Schmitt haben es im neuen Quartalsbericht Nr. 3 für 2022 einmal versucht. Auch weil Leipzig eigentlich – so wie Dresden – aus der ostdeutschen Landschaft heraussticht.
Denn beide Städte haben von der wirtschaftlichen Stabilisierung nach dem Jahr 2000 profitiert. Und wirtschaftlicher Aufschwung bedeutet auch, dass die Lebenserwartung der Bevölkerung ansteigt:
„Die Lebenserwartung der Stadtbevölkerung ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten kontinuierlich angestiegen und erreichte 2019 im städtischen Mittel einen Wert von 81,0 Jahren. Bedingt durch die Pandemie ergab sich 2021 ein Rückgang auf 80,4 Jahre“, können die beiden Autoren in ihrem Beitrag im Quartalsbericht feststellen.
„Dennoch zeigt sich für die Leipziger Bevölkerung eine hohe Lebenserwartung, die deutlich über dem ostdeutschen Durchschnitt liegt. Im bundesdeutschen Stadtvergleich nimmt Leipzig einen Rang im unteren Mittelfeld ein.“
In Leipzig stieg die Lebenserwartung von 1998 bis 2019 von 77,2 auf 81 Jahre, in Ostdeutschland von 76,6 auf 80,7 und in Westdeutschland von 77,8 auf 81,3 Jahre.
„Der Anstieg der Lebenserwartung verlangsamte sich jedoch innerhalb dieses Zeitraumes stetig“, so die beiden Autoren.
Eine Frage des Wohlstands?
Was zumindest Dr. Christian Schmitt zu der Frage bringt, ob damit nicht eigentlich so eine Art Grenze erreicht ist, an der die durchschnittliche Lebenserwartung der Menschen nicht mehr weiter erhöht werden kann.
Andererseits macht die Statistik auch sichtbar, dass manche Bevölkerungsteile noch ganz und gar nicht in diesen Altershöhen sind. Männer haben noch immer eine deutlich niedrigere Lebenserwartung als Frauen, Menschen aus prekären Verhältnissen erst recht.
Und diese leiden dann auch besonders, wenn in einer Pandemie die gesundheitliche Versorgung schlechter wird: „Durch die Corona-Pandemie kam es schließlich zu einem signifikanten Rückgang: In Leipzig sank die Lebenserwartung zwischen 2019 und 2021 um 0,6 Jahre auf 80,4 Jahre, in Ostdeutschland insgesamt um 1,1 Jahre auf 79,6 und in Westdeutschland um 0,3 Jahre auf 81,0 Jahre.“
Und so verweisen auch die beiden Autoren auf den letztlich entscheidenden sozialen Status. Denn natürlich profitierten viele Leipziger vom Wirtschaftsaufschwung ab 2000. Und dazu kam: Die Stadt wurde zum Magneten für Menschen, die hier gut dotierte Arbeitsplätze im hochqualifizierten Segment fanden.
„Das Wachstum Leipzigs wurde vor allem getrieben von Menschen, deren sozioökonomischer Status mit einer höheren Lebenserwartung assoziiert ist. Entsprechend verzeichnete Leipzig zwischen Ende der 90er und Ende der 2010er Jahre den stärksten Bevölkerungszuwachs unter den aufgeführten Städten und gleichzeitig im ersten Beobachtungszeitraum hinter Berlin den höchsten Anstieg der Lebenserwartung“, so die Autoren.
„Die steigende Lebenserwartung in Leipzig ist damit auch wesentlich mit einer Änderung der Bevölkerungsstruktur assoziiert.“
Und gleichzeitig differenzierten sich die Ortsteile aus, stieg die Lebenserwartung besonders in den gut situierten Ortsteilen im Zentrum und am Stadtrand.
Eine Frage von Jobs und Gesundheitsversorgung
„Die beiden einkommensstarken Cluster des Zentrums und der Ortschaften liegen klar über dem städtischen Durchschnitt, der etwas einkommensschwächere Innenstadtrand darunter. Grünau mit dem niedrigsten Einkommen aller Cluster weist dementsprechend eine deutlich unter dem städtischen Durchschnitt liegende Lebenserwartung auf“, gehen die Autoren auf diese unübersehbare soziale Spannung ein.
Aber das erklärt eben noch nicht, warum die eh schon niedrigere Lebenserwartung gerade in den sozial benachteiligten Ortsteilen in der Corona-Zeit noch deutlich stärker sank als in der Gesamtstadt.
Bildungsstand und Einkommen mögen ja Indizien sein dafür, warum die hier Wohnenden besonders betroffen waren. Aber zu den Erklärungsansätzen dürfte eben auch gehören, dass die hier Wohnenden oft in genau jenen Dienstleistungsbereichen arbeiten, in denen man nicht einfach mal ins Homeoffice wechseln kann und wo man auch die Kontakte mit anderen Menschen nicht einfach abbrechen kann.
Man denke nur an den Pflegebereich, den Einzelhandel oder das Fahrpersonal.
Dass gleichzeitig meist das Geld fehlt, mehr für die Gesundheit zu tun und qualitativ besseres Essen zu kaufen, verstärkt den Effekt nur. Und auch das bedrängtere Wohnen in zu kleinen Wohnungen verstärkt den Effekt.
Das hat weniger mit Bildung zu tun, als damit, dass Wohnraum in Deutschland teuer und knapp geworden ist und „Gesundheit“ in weiten Teilen privatisiert wurde. Mit überlasteten Kliniken und Arztpraxen als Folge.
Im Ergebnis haben die Bewohner der Plattenbausiedlungen und der Transformationsgebiete (Lindenau, Volkmarsdorf, Neustadt-Neuschönefeld usw.) im Schnitt eine um fünf Jahre geringere Lebenserwartung als die Bewohner der wohlhabenderen Ortsteile.
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