Nachdem sich schon der erste Quartalsbericht 2022 für Leipzig intensiv mit der Suburbanisierung rund um Leipzig beschäftigt hat, arbeitet sich im neuen Quartalsbericht 2/2022 Jens Vöckler durch ein Thema, das derzeit einen Teil der Stadtspitze gehörig um den Schlaf bringt: den verstärkten Wegzug von Familien mit Kindern ins Leipziger Umland. Die Einwohnermeldestatistik gibt dazu jede Menge Zahlenmaterial.
„Seit 2016 ziehen jährlich über 2.000 Familien aus der Stadt fort. Hauptumzugsziele sind im engeren Raum die angrenzenden Landkreise Leipzig und Nordsachsen sowie im weiteren Raum die Landkreise Saalekreis, Burgenlandkreis, Anhalt-Bitterfeld und Altenburger Land. Knapp die Hälfte der Personen, die dorthin verziehen, sind Familien mit Kindern zuzurechnen“, kann Vöckler feststellen.
Das Leipziger Wachstum wird fast ausschließlich noch von Gewinnen aus dem Ausland getragen. „Im Jahr 2021 stehen im Saldo einem Zuwachs von 4.006 Personen aus internationalen Wanderungen nur 43 Personen aus innerdeutschen Wanderungen gegenüber“, stellt Vöckler fest.
Und die Wanderungsgewinne werden zudem durch Suburbanisierungsprozesse aufgezehrt. „Die Leipziger Wanderungsbilanz mit dem Umland ist bereits seit 2015 negativ, im Jahr 2021 stand dem Gesamtzuwachs von 4.049 Einwohnern schließlich ein Verlust von 3.943 Personen in den suburbanen Raum gegenüber.“
Dahinter steht auch die Tatsache, dass die ländlichen Räume in Sachsen abseits der großen Städte über Jahre regelrecht ausgeblutet sind, weil sie tausende junger Menschen an die Großstädte verloren.
Sie haben also aufgehört, ein Zuzugsreservoir für Leipzig zu sein. Folge einer völlig verfehlten Demografiepolitik. Ergebnis: Sachsen überaltert und würde ohne Zuzug aus dem Ausland längst wieder schrumpfen.
Speckgürtel lockt mit Wohnraum für Familien
Aber wie dramatisch ist eigentlich der Verlust von jungen Familien für die große Stadt Leipzig, wenn diese in den Speckgürtel ziehen?
Betrachtet hat Vöckler vor allem die Altersgruppen der bis Sechsjährigen sowie der 20- bis 35-Jährigen, die in den registrierten Wegzügen überdurchschnittlich vertreten sind. So hat sich die Zahl der unter sechsjährigen Kinder in Leipzig innerhalb der zurückliegenden vier Jahre um 3,5 Prozent verringert, die Zahl der unter dreijährigen Kinder sogar um 9,4 Prozent. Zugleich ist die Alterskohorte der 25- bis 34-Jährigen, also die potenzielle Elterngeneration, um 6,8 Prozent abgeschmolzen.
„Tatsächlich steigt die Zahl der aus Leipzig fortziehenden Familien von Jahr zu Jahr an. Seit 2016 verlassen jährlich über 2.000 Familien die Stadt“, kann Vöckler feststellen.
„Nach einem leichten Rückgang im ersten Corona-Jahr 2020 ist die Zahl der Fortzüge 2021 bereits wieder angestiegen. Demgegenüber ist die Zahl der Familienzuzüge nach Leipzig seit 2016 rückläufig und lag 2021 bei rund 1.400 Zuzügen. In der Dekade 2012 bis 2021 haben zusammen über 19.000 Familien mit Kindern die Stadt verlassen, 43 Prozent davon sind Ehepaare, 27 Prozent nichteheliche Paare und 30 Prozent sind alleinerziehende Frauen oder Männer.“
Besonders häufig zogen die jungen Familien in die Landkreise Leipzig (rund 4.600 aus der Stadt Leipzig verzogene Familien) und Nordsachsen (rund 2.700 verzogene Familien), die Kreise bzw. Städte Saalekreis, Berlin, Burgenlandkreis, Dresden, Mittelsachsen, Halle (Saale), Anhalt-Bitterfeld und Zwickau.
Beliebtester Zielort bei den Gemeinden ist dabei Markkleeberg, wo sich rund 830 ehemals Leipziger Familien neu niedergelassen haben, so Vöckler. „Ebenfalls oben auf der Beliebtheitsskala rangieren Markranstädt, Schkeuditz, Taucha, Grimma, Delitzsch, Brandis, Borsdorf, Großpösna, Naunhof, Zwenkau, Rackwitz, Machern, Borna, Eilenburg, Böhlen, Pegau, Krostitz, Rötha, Wurzen, Groitzsch, Leuna, Belgershain und Lützen, wohin jeweils über 100 Leipziger Familien ausgewandert sind.“
Dahinter steckt auch ein regelrechter Wettkampf der Gemeinden um die jungen Familien. Städte wie Markkleeberg stampfen immer neue Baugebiete vor allem für Einfamilienhäuser aus dem Boden, um die jungen Familien anzulocken.
Und das scheint zumindest auch einen Teil der Leipziger Stadtverwaltung in Alarmstimmung zu versetzen, denn deren Sicht beschreibt Vöckler, wenn er betont: „Um ungünstige Folgen verstärkter Familienfortzüge für die Stadt abzumildern, müssen die kommunale Familien- und Wohnraumpolitik sowie die Stadtentwicklung konsequent auf eine familiengerechte Quartiersgestaltung und die Schaffung passender Wohnungs-, Betreuungs- und Freizeit- und Unterstützungsangebote ausgerichtet sein.“
Es gibt 6 Kommentare
Es ist ein großer Unterschied, ob jemand im Umland bauen oder kaufen will/kann oder dorthin ausweicht, weil er in der Stadt keine wirtschaftlich zu rechtfertigende Mietwohnung mehr findet. Eine generelle Zusammenlegung beider Gruppen kann nur unzureichend Richtlinien städtischer Einwohnerpolitik entwickeln.
@TLpz:
“Das sind Angaben, die durch die Stadt in keinster Weise erhoben werden.”
Das ist ja wohl nicht korrekt, durch die Zusammenführung von der Meldebehörde (Wo wohne ich) und dem Grundsteuerbescheid (besitze ich das Grundstück) ist es der Gemeinde in den meisten Fällen schon möglich das zu ermitteln.
> “In der Statistik fehlt die Angabe, ob die Familien mit Kindern am Zielort mieten oder Wohneigentum erwerben oder errichten wollen.” Wie sollte die Leipziger Behörde das erfahren, da müssten die Behörden ja zusammen arbeiten
Das sind Angaben, die durch die Stadt in keinster Weise erhoben werden. Daher würde auch ein Zusammenarbeiten der Behörden in dem Falle nichts bringen. In eine Statistik kann diese Angabe daher gar nicht einfließen.
“In der Statistik fehlt die Angabe, ob die Familien mit Kindern am Zielort mieten oder Wohneigentum erwerben oder errichten wollen.” Wie sollte die Leipziger Behörde das erfahren, da müssten die Behörden ja zusammen arbeiten und ich für meiner Teil möchte nicht das mein alter Wohnort erfährt ob ich miete oder kaufe. Das wäre mir zu viel Überwachung.
Die Information zu Markkleeberg ist auch nicht korrekt. Erstens mieten sich auch junge Familien sich ein Haus und zweitens sind die in den letzten Jahren ausgewiesenen Baugebiete klein gehalten und Markkleeberg hat nicht mehr so viel Fläche die bebaut werden kann.
Es sind (statistische) Fehler vorgekommen. Das stimmt.
In der Statistik fehlt die Angabe, ob die Familien mit Kindern am Zielort mieten oder Wohneigentum erwerben oder errichten wollen. Das wird zwar für Markkleeberg kurz erwähnt, ergibt aber keine Gesamtinformation. In Leipzig „neue Baugebiete“ für Einfamilienhäuser zu deklarieren, halte ich für falsch. Familien, die solches planen und leisten können, wird Leipzig nicht zu halten vermögen. Da sind Stadt und Umland als Lebensgebiet zu unterschiedlich.
Stärker sollte Leipzig seine Unterstützung ausrichten auf Familien mit Kindern als Mieter und auch als Wohnungseigentümer. Die Möglichkeiten sind aber als Folge der verfehlten Stadtpolitik der letzten beiden Dekaden limitiert.