Es war überfällig. Es war schon vor Putins Überfall auf die Ukraine überfällig, dass Leipzig endlich eine Lösung findet, von der fossilen Beheizung des Gebäudebestandes wegzukommen. Seitdem aber die russischen Gaslieferungen nach Deutschland gekappt sind, merken auch die Leipziger, wie blauäugig es war, sich derart lange auf billiges Erdgas als Wärmelieferant zu verlassen. Wer noch eine Gasheizung hat, wird jetzt mit heftigen Preissteigerungen konfrontiert. Und das sind viele.
Aber schon allein der eigenen Klimapläne wegen muss Leipzig raus aus Erdgas, Erdöl und Kohle. Egal, ob die Stadt ihre Klimaneutralität erst im Jahr 2040, im Jahr 2035 oder schon 2030 sieht.
Dazu aber braucht es einen Wärmeplan für die ganze Stadt, den die Faktion Bündnis 90 / Die Grünen im Stadtrat auch so beantragt hat und der Stadtrat am 9. Februar beschlossen, zwei Wochen, bevor Wladmir Putin die russische Armee in die Ukraine einfallen ließ.
Seitdem sind die russischen Gaslieferungen mit fadenscheinigen Begründungen immer mehr gedrosselt worden und inzwischen gänzlich eingestellt worden.
Was die Bundesregierung zwang, teures Gas von anderen Lieferanten auf dem Weltmark einzukaufen. Immer mit der medialen Horrorstory im Hintergrund, sonst „müssten die Deutschen im Winter dann im Kalten sitzen“. Was nicht auf alle Haushalte zutreffen wird.
Etwa auf die Haushalte, die an der Fernwärmeversorgung der Stadtwerke Leipzig hängen. Noch wird diese Fernwärme im Kohlekraftwerk Lippendorf erzeugt.
Aber mit dem Bau des neuen Gaskraftwerks an der Bornaischen Straße haben sich die Stadtwerke Leipzig die Möglichkeit geschaffen, Leipzig im ersten Schritt von der Energieerzeugung aus Kohle in Lippendorf loszukoppeln und auf die etwas umweltfreundlichere Verbrennung von Erdgas umzustellen.
Die Testläufe im Sommer 2022 waren erfolgreich. Offiziell wollten die Stadtwerke das Heizkraftwerk Süd deshalb im Oktober ans Netz bringen.
Verzögert sich der Abschied von Lippendorf?
Ob da so geschieht, ist jetzt noch offen. Denn noch haben die Stadtwerke auch einen Puffer, den sie vertraglich nutzen können.
Das betont das Dezernat Wirtschaft, Arbeit und Digitales in einer Stellungnahme zu einer Petition des AfD-Kreisverbandes, die in der Ratsversammlung am, 9. November auf der Tagesordnung steht. Darin war eine Verlängerung des Liefervertrages mit dem Betreiber des Kraftwerks Lippendorf bis 2027 gefordert worden. Ob die Ratsversammlung dem folgt, ist offen.
Aber in der Geschäftsführung der Stadtwerke Leipzig erwägt man die Option eines verlängerten Liefervertrages ebenfalls, bestätigt das Wirtschaftsdezernat.
„Aktuell besteht ein Vertrag zwischen den Stadtwerken Leipzig und dem Betreiber des Kraftwerks Lippendorf zur Lieferung von Fernwärme. Einzelne Blockheizkraftwerke sowie das neue Heizkraftwerk Leipzig Süd (Inbetriebnahme Ende 2022) sollen die Erzeugung von Fernwärme schrittweise übernehmen und damit den spezifischen CO₂ Ausstoß je Wärmeeinheit im Vergleich mit der Wärmeerzeugung aus Braunkohle senken. Die genannten Erzeugungsanlagen werden die Lieferung aus Lippendorf jedoch vorerst nicht vollständig sicher ersetzen können“, heißt es in der Stellungnahme des Wirtschaftsdezernats.
„Die Leipziger Stadtwerke haben nach Ablauf des zum 30.09.2022 geltenden Fernwärmeliefervertrages einen Anschlussvertrag, welcher einen Bezug bis zum 31.12.2025 ermöglicht. Wären die Stadtwerke gezwungen, unverzüglich eine darüber hinausgehende Verlängerung des Vertrages anzustreben, kann sich dies ungünstig auf die Bezugsbedingungen auswirken. Die Stadtwerke sollten unabhängig von einem einzelnen Lieferanten ihre Energiebeschaffung optimieren (können).“
Das darf man als Warnung an die Ratsfraktionen lesen, der Petition lieber nicht zuzustimmen, um den Stadtwerken Handlungsfreiheit zu lassen, um mögliche Vertragsverlängerungen auszuloten.
„Die aktuelle geopolitische und wirtschaftliche Situation, bedingt durch die Folgen der Pandemie sowie den Einfluss des Ukrainekrieges, führt derzeit nicht nur zu erheblichen Preisanstiegen, sondern auch zu unkalkulierbaren Verzögerungen aufgrund gestörter Lieferketten. Noch gehen die Stadtwerke nicht davon aus, dass dies eine Verlängerung der Belieferung aus Lippendorf über 2025 hinaus erforderlich macht“, betont das Wirtschaftsdezernat.
„Dennoch gäbe die Option zur Verlängerung des bereits reduzierten Liefervertrages mit Lippendorf über das Jahr 2025 hinaus die Möglichkeit, auf etwaige Engpässe an den Energiemärkten reagieren zu können und so die Versorgung der Stadt zu sichern. Die Entscheidung über eine Vertragsverlängerung muss ökologisch und ökonomisch abgewogen sein. Die Dekarbonisierungsziele der Stadt Leipzig würden durch eine Vertragsverlängerung bis ins Jahr 2027 nicht gefährdet.“
Was aber die Aufgabe nicht mindert, eine ganze Menge Leipziger Haushalte in den nächsten Jahren auf eine klimafreundliche Wärmeversorgung umzustellen.
Das hat thematisch auch der Quartalsbericht 2/2022 aufgegriffen.
Wie steht es um die Energiewende bei Leipziger Wohngebäuden?
Dass selbst in neu gebauten Wohnbestandes selbst in den letzten Jahren immer noch auf fossile Wärmeversorgung gesetzt wurde, merken die Autoren des Quartalsberichts sehr kritisch an.
„Mit dem Ausbruch des Ukrainekriegs rückte die Energieversorgung in den Blick der öffentlichen Aufmerksamkeit. Daten zum Füllstand der Gasspeicher gehören zur täglichen Presseberichterstattung. Einen Großteil des Energiebedarfs benötigen die privaten Haushalte für Raumwärme und Warmwasser. Im aktuellen Baugeschehen bei Leipziger Wohngebäuden zeigt sich jedoch, dass in den letzten Jahren immer noch viele Wohngebäude mit Heizsystemen ausgestattet wurden, die auf fossilen Energieträgern beruhen“, kann man da lesen.
Die Zahlen: „42,4 Prozent der zwischen 2016 und 2020 neu fertiggestellten Wohngebäude werden mit Gas befeuert. An Fernwärme wurden 9,5 Prozent der neu erstellten Wohnungen angeschlossen. Die Leipziger Fernwärme wird aktuell noch hauptsächlich mit fossilen Energieträgern produziert. Somit stellten fossile Energieträger zuletzt die Mehrheit im Leipziger Wohnungsbaugeschehen. Unter den regenerativen Energien stellen Luft-/Wasser-Wärmepumpen aktuell den größten Anteil, gefolgt von der Geothermie. Holz (Pelletöfen) stellt als Brennstoff nur einen äußert geringen Anteil.“
Anzumerken ist freilich auch, dass im Heizkraftwerk Süd der Einsatz von Erdgas nur für die ersten Jahre geplant ist. Ab den 2030er Jahren sollen die Turbinen dort mit (grünem) Wasserstoff betrieben werden, also klimaneutral. Was aber erst funktioniert, wenn genug Wasserstoff mit Erneuerbaren Energien wie Windkraft und Solaranlagen erzeugt werden kann.
„Im deutschlandweiten Vergleich ist das Neubaugeschehen in Leipzig sogar noch von vergleichsweise wenig Gasbrennern geprägt“, bilanziert der Quartalsbericht. „Im Norden Deutschlands wurden teilweise 80 bis über 90 Prozent der zwischen 2016 und 2020 fertiggestellten Wohngebäude noch mit Gasheizung ausgestattet. Spitzenreiter sind der Landkreis Aurich mit 91,9 Prozent und der Landkreis Leer mit 90,9 Prozent Gas als primärer Energie in Neubauten.“
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