Manchmal bringen einen auch sächsische Gewerkschafter auf Gedanken, wenn sie mal aus ihrem üblichen Standardrepertoire heraus neue Zahlen aus dem Statistischen Landesamt kommentieren. Am Donnerstag, 7. Juli, veröffentlichte das Statistische Landesamt Sachsen neue Vergleichszahlen zu den Verdiensten in Sachsen im Jahr 2020, also dem ersten Corona-Jahr. Ein Jahr, das auch die regionalen Unterschiede deutlicher machte.

„Die Lohnlücke zwischen den Landkreisen und Städten in Sachsen muss schleunigst geschlossen werden“, erklärte dazu der sächsische DGB-Vorsitzende Markus Schlimbach. „Die neuen Landräte sind gefordert, sich stärker für gute Arbeitsbedingungen und tarifliche Entlohnung in den Betrieben einzusetzen. Ansonsten droht eine immer stärkere Landflucht von Beschäftigten, die für eine ordentliche Bezahlung aus den Landkreisen in die Städte ziehen.“

Aus der Sicht der Gewerkschaften sehen die Verdienstunterschiede zwischen sächsischen Landkreisen und Großstädten tatsächlich so aus:

„Die Gewerkschaften kämpfen für bessere Löhne und mehr Tarifverträge in allen Regionen. Nun ist aber auch die Politik gefragt, die notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen für bessere Löhne zu schaffen. Ein Vergabegesetz mit Tariftreueklausel kann dafür sorgen, dass Unternehmen, die gute tarifliche Löhne zahlen, nicht weiter bei der Vergabe öffentlicher Mittel benachteiligt werden.

Wir fordern den Freistaat Sachsen auf, im Vergabegesetz festzuschreiben, dass Steuermittel durch den Freistaat und die Kommunen nur noch für tarifgebundene Arbeit eingesetzt werden darf. Gleichzeitig muss im Zuge des Strukturwandels auf die Schaffung von gut bezahlten, tariflichen Arbeitsplätzen geachtet werden. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Kohleregionen bei den Löhnen und Zukunftschancen abgehängt werden.“

Sind nur die Kohleregionen ein Problem?

Der durchschnittliche Pro-Kopf-Verdienst in Sachsen betrug 2020 brutto 32.440 Euro und stieg im Vergleich zu 2019 um 1,1 Prozent, teilte das Statistische Landesamt mit. Was durchaus erstaunt, da ja ganze Branchen im Jahr 2020 in Kurzarbeit gingen. Aber eben nicht alle. Einige Wirtschaftszweige erlebten auch in diesem Jahr weitere Zuwächse – verbunden auch mit deutlichen Zuwächsen bei den ausgezahlten Bruttolöhnen.

Und da die wachsenden Wirtschaftscluster sich immer mehr in den Großstädten und ihrem Umland konzentrieren, hat das eben auch Auswirkungen auf die regionale Verteilung der Verdienste.

Über dem sächsischen Pro-Kopf-Wert lagen nämlich nur die Verdienste der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Arbeitsplatz in den Kreisfreien Städten Dresden, Leipzig und Chemnitz.

Am niedrigsten waren die Bruttolöhne und -gehälter je Person 2020 im Erzgebirgskreis (28.409 Euro) und im Landkreis Görlitz (29.139 Euro).

Im Vergleich zum Vorjahr erhöhten sich die Pro-Kopf-Verdienste in allen sächsischen Kreisen außer im Landkreis Zwickau. Hier gab es einen Rückgang um 0,7 Prozent, der vorwiegend aus einem überdurchschnittlichen Minus im Verarbeitenden Gewerbe resultierte, betont das Landesamt für Statistik.

Mit einem Plus von 2,4 Prozent konnte der Landkreis Nordsachsen den höchsten Zuwachs im Vergleich zu 2019 verbuchen und war gleichzeitig der einzige Kreis, dessen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Verarbeitenden Gewerbe keine Verluste hinnehmen mussten.

In den letzten zehn Jahren stieg der Pro-Kopf-Verdienst in Sachsen um rund 36 Prozent. Die Spanne der Entwicklung nach Kreisen reicht von rund 32 Prozent im Landkreis Meißen bis zu 44 Prozent in Nordsachsen. In allen sächsischen Kreisen wurden 2020 im Produzierenden Gewerbe deutlich höhere Pro-Kopf-Verdienste als in den Dienstleistungsbereichen erzielt und mit 43.590 Euro lag die Stadt Leipzig im Produzierenden Gewerbe vorn.

In den Dienstleistungsbereichen befand sich die Stadt Dresden mit 35.080 Euro an der Spitze der Kreise. Innerhalb dieses Sektors waren die Verdienste im Bereich Öffentliche und sonstige Dienstleister, Erziehung und Gesundheit in allen Kreisen am höchsten.

2020 wurden reichlich 60 Milliarden Euro Bruttolöhne und -gehälter an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Sachsen gezahlt, 0,6 Prozent mehr als 2019. Die Bruttolöhne und -gehälter sind Teil der Arbeitnehmerentgelte und werden ab 2000 vergleichbar zum aktuellen Gebietsstand publiziert.

Die Lohnunterschiede in verschiedenen Branchen innerhalb Sachsens. Grafik: Statistisches Landesamt
Die Lohnunterschiede in verschiedenen Branchen innerhalb Sachsens. Grafik: Statistisches Landesamt

Das Statistische Landesamt veröffentlichte auch eine Grafik, die die unterschiedlichen Verdienstspannen in den verschiedenen Branchen zeigt. Etwa die deutlichen Unterschiede zwischen den Verdiensten im Verarbeitenden Gewerbe in Leipzig und im Erzgebirgskreis.

Wie Metropolen funktionieren

Aber diese Spannen reduziert man nicht, indem man im Erzgebirgskreis die Löhne auf Leipziger Niveau hebt. Denn diese resultieren in Leipzig auch aus der Ansiedlung mehrerer großer Konzernfilialen, die sich mit höheren Löhnen natürlich auch das Fachpersonal sichern.

Sie haben wesentlich größere Spielräume in Zeiten des zunehmenden Fachkräftemangels, mit höheren Löhnen ihren Wettbewerbsvorteil gegenüber kleineren Unternehmen im ländlichen Raum auszuspielen. Gleichzeitig bilden sie auch noch eine Landschaft von Logistikern, Zulieferern und Dienstleistern in ihrem direkten Umfeld aus, die dann ebenfalls höhere Löhne zahlen können als Unternehmen in ländlichen Regionen.

Die Ausbildung dieser starken Wirtschaftskonzentration rund um die Großstädte ist aufs Engste verbunden mit der demografischen Entwicklung, aber auch mit den bestehenden Infrastrukturen und den vorhandenen, gut ausgebildeten Fachkräften.

Sachsens Regierung hat jahrzehntelang versucht, Gewerbegebiete mit der Gießkanne im ganzen Land zu verteilen und sie mit Autobahnanschlüssen zu verbinden. Eine Strategie, die gerade das Gegenteil dessen bewirkt hat, was sich die Regierung damit gedacht hat. Und das werden auch Landräte nicht ändern.

Das kann sich in den Kohleregionen nur ändern, wenn man die Strukturfördergelder jetzt tatsächlich auf die bisherigen Kohlereviere konzentriert und eine funktionierende grüne Energiewirtschaft aufbaut. Sodass dann zumindest einige Landkreise wieder eine tragfähige Wirtschaftsbasis haben, was aber der Sächsischen Schweiz / Osterzgebirge, dem Erzgebirgskreis oder dem Vogtlandkreis wenig nützt.

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