Von den Arbeitslosenzahlen im Juli darf man sich nicht täuschen lassen. Niemand hat den Weg Sachsens oder Deutschlands in einen massiven Fachkräftemangel gestoppt. Und wenn jetzt die diversen Arbeitsagenturen steigende Arbeitslosenzahlen melden, versteckt sich dahinter noch immer die händeringende Suche vieler Unternehmen nach Arbeitskräften. Im Grunde lassen nur die aus der Ukraine Geflüchteten die Zahlen steigen.
Die Zahl der Arbeitslosen in Sachsen stieg im Juli auf rund 118.500 Menschen, knapp 3.000 mehr als im Vormonat. Die Arbeitslosenquote liegt bei 5,6 Prozent, meldete die Arbeitsagentur Sachsen.
„Die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine werden auf dem sächsischen Arbeitsmarkt sichtbar. Im Juli stieg die Arbeitslosigkeit stärker als üblich. Das lag vor allem daran, dass sich viele geflüchtete Menschen aus der Ukraine bei den Jobcentern angemeldet haben.
Gleichzeitig gibt es erste Zeichen der Verunsicherung: Die Unternehmen übermittelten uns weniger freie Stellen als gewöhnlich in einem Juli, wenngleich die Zahl der offenen Stellen nach wie vor hoch ist. Die weitere Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt ist derzeit schwer einzuschätzen“, erklärt Klaus-Peter Hansen, Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion Sachsen der Bundesagentur für Arbeit.
Auch Leipzig vermeldete einen leichten Anstieg der Zahlen.
Die Arbeitslosigkeit ist im Juli um 799 auf 20.539 gestiegen. Doch im Vergleich zum Vorjahresmonat gab es 2.409 Arbeitslose weniger. Die Arbeitslosenquote auf Basis aller zivilen Erwerbspersonen betrug im Juli 6,3 Prozent; vor einem Jahr hatte sie sich auf 7,1 Prozent belaufen.
Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine
„Der Arbeitsmarkt vor Ort zeigt sich aktuell stabil, wenn sich auch einige Indikatoren der positiven Entwicklung der letzten Monate saisontypisch verlangsamen. Die Zahl der Arbeitslosen und der Unterbeschäftigten haben sich im Juli leicht erhöht. Diese Erhöhungen sind überwiegend auf die Arbeitslosmeldungen der geflüchteten Menschen aus der Ukraine im Jobcenter Leipzig zurückzuführen. Diese Entwicklung wird sich mit weiteren Registrierungen in den kommenden Wochen fortsetzen und sukzessive in der Arbeitslosenstatistik niederschlagen“, kommentiert Steffen Leonhardi, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Leipzig, die derzeitige Entwicklung auf dem Leipziger Arbeitsmarkt.
Um welche Dimension es dabei inzwischen geht, machen die konkreten Zahlen zu Gemeldeten aus der Ukraine deutlich: Derzeit sind im Jobcenter Leipzig 4.615 erwerbsfähige Personen aus der Ukraine gemeldet. Darunter sind 4.228 Personen als arbeitssuchend und davon 717 Menschen als arbeitslos registriert. Da derzeit sukzessive die Gespräche zur Vermittlung mit den Geflüchteten stattfinden, sei davon auszugehen, dass sich die Zahl der als arbeitslos registrierten Geflüchteten aus der Gruppe der gemeldeten Arbeitssuchenden in den nächsten Wochen noch weiter erhöht, betont die Arbeitsagentur.
Während die Zahl der als frei gemeldeten Stellen weiter deutlich über 10.000 liegt.
So waren im Bezirk der Agentur für Arbeit Leipzig im Juli 10.604 Arbeitsstellen gemeldet. Gegenüber Juni ist das zwar ein Minus von 106 Stellen bzw. 1,0 Prozent. Doch im Vergleich zum Vorjahresmonat gab es 1.781 Stellen mehr (+20,2 Prozent). Die Arbeitgeber meldeten im Juli 1.669 neue Arbeitsstellen, das waren zwar 141 Stellen bzw. 7,8 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Doch seit Jahresbeginn sind damit 11.985 Stellen eingegangen, was einen Zuwachs gegenüber dem Vorjahreszeitraum von 1.414 Stellen bzw. 13,4 Prozent bedeutet.
Und das, obwohl die Arbeitsagentur viele Stellen besetzen kann. Denn wenn Stellen besetzt werden, werden sie abgemeldet.
So wurden im Juli 1.772 Arbeitsstellen abgemeldet, 312 oder 21 Prozent mehr als im Vorjahr. Von Januar bis Juli gab es insgesamt 10.745 Stellenabgänge, formuliert die Arbeitsagentur Leipzig. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist das trotzdem ein Zuwachs von 971 oder 10,0 Prozent. Das heißt: Es wurden fast 1.000 Stellen mehr besetzt als noch vor einem Jahr.
Denn der Leipziger Arbeitsmarkt wächst weiter. Auch wenn die jüngsten Zahlen zur Gesamtbeschäftigung jetzt erst aus dem Dezember 2021 stammen. Aber vom Dezember 2020 bis zum Dezember 2021 stieg die in Leipzig registrierte Beschäftigtenzahl weiter von 279.454 auf 284.897.
Die Meldung zu den „Stellenabgängen“ aus der Arbeitsagentur deutet darauf hin, dass das auch 2022 – trotz aller Verunsicherungen – so weitergeht. Denn der Blick in die Branchen, die händeringend Arbeitskräfte suchen, zeigt ja, dass der Mangel im Gesundheitswesen noch immer genauso gravierend ist wie bei kaufmännischen Dienstleistungen, am Bau und auch in vielen Bereichen der Produktion.
Da darf man nicht nur an die großen Industriebetriebe denken, sondern sollte auch all die Handwerksbetriebe im Auge haben, die überall gebraucht werden und übervolle Auftragsbücher haben – von Klempnern und Elektrikern bis zu Klimatechnikern und Heizungsinstallateuren. Denn Energiewende bedeutet nun einmal jede Menge Arbeit, Umrüsten und handwerkliches Knowhow.
Irritierende Bildungspolitik
Es ist eine Katastrophe, wenn ein Land wie Sachsen sich da immer noch über 10 Prozent der Schulabgänger leistet, die nicht mal einen ordentlichen Hauptschulabschluss haben. Und gleichzeitig tun sich Sachsens Ausländerbehörden immer noch schwer, Asylsuchenden eine Aufenthaltsgenehmigung zu geben, Abschlüsse anzuerkennen und statt auf Abschiebung auf Integration zu setzen. Was natürlich nur ein Teil der Problemlage ist.
Viele Firmen schreiben ihre unbesetzten Stellen jetzt wieder über Zeitarbeitsfirmen aus, weil sie glauben, so leichter an Personal zu kommen. Aber das dürfte mittelfristig ein Trugschluss sein. Auch bei Fahrern, Verkäuferinnen und anderen Dienstleistungs-Jobs werden gute Bezahlung und anständige Arbeitsbedingungen immer stärker zum Entscheidungskriterium, ob es Bewerber für die Stellen gibt.
„Viele Faktoren können das Arbeitsmarktgeschehen auch kurzfristig beeinflussen“, sagt Steffen Leonhardi. „Krieg in der Ukraine, Inflation, Rohstoffknappheit und steigende Energiepreise. Aus aktueller Sicht besteht noch immer eine hohe Aufnahmefähigkeit und Nachfrage am Leipziger Arbeits- und Ausbildungsmarkt. Damit bestehen für die Leipzigerinnen und Leipziger weiterhin gute Beschäftigungsperspektiven.“
So kann man es auch ausdrücken. Vor allem leidet die Wirtschaft darunter, dass der Nachwuchs fehlt und immer mehr Ausbildungsstellen unbesetzt bleiben.
Der Leipziger Arbeitsmarkt in Zahlen
Im Juli meldeten sich 2.122 zuvor erwerbstätige Personen arbeitslos, 226 mehr als vor einem Jahr.
Durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit konnten in diesem Monat 1.680 Personen ihre Arbeitslosigkeit beenden, 579 weniger als vor einem Jahr.
Nach Personengruppen entwickelte sich die Arbeitslosigkeit recht unterschiedlich, allerdings waren bei allen Rückgänge gegenüber dem Vorjahresmonat zu verzeichnen. Die Spanne der Veränderungen reicht im Juli von -14,8 Prozent bei 15- bis unter 25-Jährigen bis -1,5 Prozent bei Ausländern.
Die Zahl der langzeitarbeitslosen Menschen ist im zurückliegenden Monat in Leipzig zurückgegangen. Im Juli 2022 waren 6.621 Menschen langzeitarbeitslos, 65 weniger im Vergleich zu Juni bzw. ein Minus von 1,0 Prozent. Im Vergleich zum Juli 2021 gab es 1.937 Langzeitarbeitslose weniger, ein Rückgang um 22,6 Prozent.
Im Rechtskreis SGB III lag die Arbeitslosigkeit bei 6.629, das sind 364 mehr als im Vormonat und 793 weniger als im Vorjahr. Die anteilige SGB III-Arbeitslosenquote lag bei 2,0 Prozent.
Im Rechtskreis SGB II gab es 13.910 Arbeitslose, das ist ein Plus von 435 gegenüber Juni. Im Vergleich zum Juli 2021 waren es 1.616 Arbeitslose weniger. Die anteilige SGB II-Arbeitslosenquote betrug 4,3 Prozent.
Im Juli waren 2.763 Ausbildungsstellen bei der Arbeitsagentur Leipzig gemeldet. Das sind 277 Stellen mehr (+11,1 Prozent) als vor einem Jahr um diese Zeit.
Gegenwärtig sind davon noch 1.220 Ausbildungsstellen unbesetzt. Dies sind 423 unbesetzte Stellen bzw. 53,1 Prozent mehr als im Vorjahr. Offene Ausbildungsstellen sind vor allem in dem kaufmännischen Bereich zu finden.
Dem stehen derzeit 2.428 Bewerberinnen und Bewerber für einen Ausbildungsplatz gegenüber. Dies entspricht einem Rückgang von 198 Personen bzw. -7,5 Prozent im Vergleich zum Juli 2021.
Von dieser Personengruppe suchen aktuell noch 735 eine Ausbildungsstelle. Dies entspricht 208 Personen weniger bzw. -22,1 Prozent im Vergleich zum Juli 2021.
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Fachkräftemangel? Wenn ich das schon lese. Laut Rahmentarifvertag müsste ich in E6 2.804,88€ verdienen. Mein West AG, dessen Aktiendividene 5,5% betrug, hielt es nicht nötig mein Gehalt anzupassen. Darum sind alle Kollegen Jahrgang 1980 und jünger gegangen. 10-25% unter Tarif bezahlen ist unethisch. Die Altherrenwerkstattkollegen mit NVA-hintergrund werden dann geschlossen den Verein verlassen. Leider kommt dann keine Jugend und Herrenmanschaft nach.