Am Mittwoch, 8. Juni, hat das Sächsische Ministerium für Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung die aktualisierte Gender Pay Gap-Studie „Lohnunterschiede in Sachsen in Zeiten der Corona-Pandemie“ vorgestellt. Eine Studie, die auf den ersten Blick scheinbar zeigt, dass in Sachsen Frauen besser dastehen als ihre Geschlechtsgenossinnen in anderen Bundesländern. Aber die Tücken stecken im Detail.
Positives sah in der Studie zum Beispiel Hanka Kliese, stellvertretende Vorsitzende und gleichstellungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag:
„Die geschlechtsspezifische Lohnlücke liegt in Sachsen weiterhin unter dem Bundesdurchschnitt. An der Situation hat die Corona-Pandemie, anders als befürchtet, nichts geändert. Für die SPD-Fraktion steht mit Blick auf die Zahlen jedoch fest: Die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern muss in Gänze verschwinden. Wir wollen diese Ungerechtigkeit beseitigen, denn Frauen haben ein Recht auf Mehr. Die Grundbedingung dafür: gleiche Löhne für gleiche und gleichwertige Arbeit.“
Wirklich verändert hat sich an der Lohnlücke zwischen Männern und Frauen durch die Corona-Pandemie letztlich nichts, sagte die Staatssekretärin des Sächsischen Ministeriums der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung, Dr. Gesine Märtens, die die Studie am Mittwoch vorstellte.
„Frauen haben ein Recht auf gerechte und gleiche Entlohnung. Jedes Prozent Unterschied ist definitiv eines zu viel – auch in Sachsen. Unser Ziel muss es sein, diese unakzeptable Entgeltlücke in Gänze zu schließen. Die Studie zu geschlechtsspezifischen Lohnunterschieden zeigt klar, dass Frauen in Sachsen immer noch im Schnitt 11,7 Prozent (bereinigter gender-Pay-Gap 2020) weniger verdienen und wir weiter aktiv dafür kämpfen müssen eine Gleichstellung in der Arbeitswelt herzustellen“, so Märtens.
„Gerade auch die Coronakrise, in der viele, mehrheitlich weibliche Beschäftigte in systemrelevanten Berufen wie der Alten- und Krankenpflege, der Kinderbetreuung oder im Einzelhandel für unser aller Wohl hart gearbeitet haben, macht uns allen deutlich: Wir müssen die Diskussion um gerechte Löhne endlich konsequent führen.“
Die Sache mit der bereinigten Lohnlücke
Dass die sächsischen Lohnverhältnisse eine besondere Tücke aufweisen, stellte auch Lucie Hammecke, gleichstellungspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Sächsischen Landtag, fest:
„Der bereinigte Gender Pay Gap ist in Sachsen höher als der unbereinigte, das heißt: Trotz gleicher Qualifikation, gleichem Berufsfeld und gleicher Arbeitszeit ist der Lohn von Frauen im Schnitt 11,7 Prozent niedriger. Damit unterscheidet sich Sachsen stark von der gesamtdeutschen Betrachtung, bei der der unbereinigte Gender Pay Gap traditionell sehr viel höher ist als der bereinigte.“
Anders als in anderen Bundesländern liegt der bereinigte Gender Pay Gap laut der vorgelegten Studie des IAB im Jahr 2020 bei 11,7 Prozent gegenüber dem unbereinigten Gender Pay Gap von 7,6 Prozent lag. „Die Differenz zeigt, dass Frauen bezüglich der in der Analyse berücksichtigten lohnbestimmenden Faktoren besser qualifiziert sind als Männer“, stellt das Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung dazu fest.
„Dies gilt insbesondere für den ausgeübten Beruf und die Qualifikation. Sie müssten damit sogar ein höheres Entgelt als Männer erhalten. Dieses Ergebnis spricht der IAB-Studie zufolge für das Vorhandensein institutioneller und kultureller Rahmenbedingungen, die zu einer Benachteiligung von Frauen und zu geringeren Löhnen führen. Maßnahmen zum Abbau dieser Benachteiligungen umfassen etwa die Förderung von Vereinbarkeit und Beruf auch für Väter oder die Veränderung des sog. ‚Gender Pay Gap in den Köpfen‘, demzufolge geringere Frauenlöhne als gerecht empfunden werden.“
Das klingt fast zurückhaltend, legt aber offen, dass einige Arbeitgeber in Sachsen augenscheinlich besonders patriarchisch agieren.
Das IAB erläutert den bereinigten „Gender Pay Gap“ so: „Der (unbereinigte) Gender Pay Gap ist die Differenz des durchschnittlichen Bruttotagesentgelts der Frauen und Männer im Verhältnis zum Bruttotagesentgelt der Männer. Er lässt sich mit Hilfe von statistischen Verfahren in einen erklärten und einen unerklärten Teil zerlegen. Der erklärte Teil beziffert die unterschiedliche lohnbestimmende Ausstattung von Frauen und Männern zum Beispiel hinsichtlich des Berufes, der Qualifikation oder der Arbeitsmarkterfahrung. Der unerklärte Teil – oder bereinigte Gender Pay Gap – beziffert den Verdienstunterschied, der übrig bleibt, wenn man Männer und Frauen mit ähnlichen Berufen, Qualifikationen oder Erwerbsbiografien vergleicht.“
In Leipzig ist die Lücke am größten
Und wer meint, Leipzig müsste dabei ja mal wieder Vorbild und Ausnahme sein, der irrt: Hier werden die Qualifikationen von Frauen noch viel stärker abgewertet als im Rest von Sachsen. Liegt der bereinigte „Gender Pay Gap“ in Sachsen bei 11,7 Prozent, so sind es in Leipzig (übrigens genauso wie im Erzgebirgskreis) 13,8 Prozent.
Die Vergütungen für Frauen sind zwar in Leipzig deutlich höher als sonst in Sachsen (außer in Dresden), was möglicherweise erklärt, warum Frauen dann trotzdem in Leipzig eine Stelle annehmen. Aber in den Köpfen der Arbeitgeber scheint da nach wie vor das Denken lebendig, dass man Frauen bei gleicher oder gar höherer Qualifikation trotzdem weniger Gehalt zahlen müsse als Männern.
Und das ist noch nicht alles. Denn das IAB weist auch darauf hin, dass in die Auswertung lediglich Vollzeitbeschäftigte zwischen 15 und 65 Jahren erfasst werden. Selbstständige und Teilzeitbeschäftigte tauchen in dieser Statistik gar nicht erst auf, obwohl gerade Frauen besonders häufig in Teilzeit arbeiten. Die Studie hat also auch noch einen blinden Fleck, den das IAB aber nicht schließen kann, weil, es ausgerechnet diese Daten nicht erhebt.
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