Da rätseln auch Leipzigs Statistiker/-innen: Auch wenn noch immer 7 von 10 Leipzigerinnen und Leipziger mit ihrem Leben zufrieden oder sehr zufrieden sind, nahm die Zuversicht im zweiten Pandemiejahr leicht ab. Aber das hat eher nichts mit ihrer wirtschaftlichen Situation zu tun, denn die schätzen die meisten nach wie vor als gut ein. Aber dafür glauben immer mehr, der Stadt gehe es wirtschaftlich schlechter.
Was verblüfft. Denn gleichzeitig zeigt die aktuelle Kurzauswertung der „Bürgerumfrage 2021“, dass für viele Leipziger auch die Einkommen weiter deutlich gestiegen sind. Und zwar deutlicher noch als in den Vorjahren.
Das persönliche monatliche Nettoeinkommen ist auch im Jahr 2021 weiter angestiegen, es liegt im Schnitt bei 1.590 Euro (+ 150 Euro). Auch das monatliche Haushaltseinkommen wächst leicht um 90 Euro – es liegt jetzt bei rund 2.070 Euro.
Wobei auch schon die erste Auswertung zeigt, dass nicht alle gleichermaßen an den Lohnzuwächsen partizipieren. Den größten Sprung bei Nettoeinkommen hatten die Männer mit fast 200 Euro, die Frauen hatten nur einen Zuwachs von knapp 70 Euro.
Der Grund, so Dr. Andrea Schultz, Abteilungsleiterin Stadtforschung, Amt für Statistik und Wahlen, könnte darin bestehen, dass Frauen sowieso in schlechter bezahlten Branchen arbeiten. Und 2021 profitierten sie auch deutlich weniger von Lohnzuwächsen.
Und die Grafik zu den Haushaltseinkommen zeigt dann auch, dass Arbeitslose praktisch gar nicht von den Einkommensanstiegen der letzten Jahre profitierten. Und auch bei den Rentnern wuchsen die Haushaltseinkommen deutlich unterdurchschnittlich.
Was dann einen anderen Effekt erklären könnte: „Die Einschätzung der eigenen wirtschaftlichen Situation stagniert entsprechend auf mittlerem bis hohem Niveau bei 61 Prozent“, heißt es einerseits. Was ja belegt, dass fast zwei Drittel der Leipziger auf stabilen wirtschaftlichen Füßen steht.
Aber gleichzeitig bilanziert das Amt für Statistik und Wahlen: „Zunehmend kritischer als die eigene wird die aktuelle wirtschaftliche Lage Leipzigs eingeschätzt. Nur noch 38 Prozent der Befragten schätzt diese positiv ein, ein Rückgang um 21 Prozentpunkte in den vergangenen drei Jahren. Dabei ist die Leipziger Bürgerschaft aktuell etwas zufriedener mit der Arbeitsmarktsituation als noch 2020: 59 Prozent sind mit dem Angebot an Arbeitsplätzen und 63 Prozent mit dem Angebot an Ausbildungsplätzen zufrieden oder sehr zufrieden. Im Vorjahr waren es 52 beziehungsweise 60 Prozent gewesen.“
Und dieser Negativtrend in der Sicht auf die Wirtschaft der Stadt begann eben nicht mit Corona, sondern hatte schon 2019 seine Spuren in der Bürgerumfrage hinterlassen. Damals vermuteten die Statistiker/-innen dahinter noch einen Ausrutscher. Aber Corona hat den Stimmungsumschwung beschleunigt, ohne dass greifbar wird, was die Menschen glauben lässt, dass es der Leipziger Wirtschaft schlechter geht, wenn ihr Einkommen immerfort steigt.
Gleichzeitig äußerten 59 Prozent der Befragten ihre Zufriedenheit mit dem Arbeitsplatzangebot in Leipzig, 7 Prozent mehr als 2020. Mitten in der Corona-Zeit.
Das heißt: Diese Fremdeinschätzung der wirtschaftlichen Lage der Stadt hat eine Menge mit Gefühlen zu tun. Denn natürlich erzielen auch die täglichen Medienberichte Wirkung, die immerfort die Lage einzelner Branchen problematisieren.
Das heißt: Gerade weil die Befragten gar keine wirkliche Übersicht über den Zustand der ganzen Leipziger Wirtschaft haben, folgen sie nur zu leicht der negativ konnotierten Berichterstattung, die natürlich immer auch Zukunftsängste enthält.
Das wird bei der direkten Nachfrage in Bezug auf die Corona-Folgen deutlich, wo nur 27 Prozent der Befragten negative wirtschaftliche Folgen für sich selbst erwarten (2020 waren es 26 Prozent), aber 69 Prozent negative wirtschaftliche Folgen für die Stadt vermuteten. Ein Wert, der 2020 sogar noch bei 75 Prozent lag.
Was ja bedeutet: Die Furcht, es könnte zu einem wirtschaftlichen Einbruch kommen, bestimmt die Einschätzung für die gesamte Wirtschaft. Und da sind ja nun einmal auch die Medien nicht außen vor, die kaum einen Tag vergehen lassen, düstere wirtschaftliche Aussichten herbeizuorakeln. Und genau solche Nachrichten dominieren ja den Wirtschaftsteil in den Nachrichten.
Da glaubt man lieber den schlechten Nachrichten als dem Blick auf sein eigenes Konto.
Was nicht heißt, dass ein Drittel der Stadtgesellschaft nicht tatsächlich echte Sorgen hat. Da können wir ja im nächsten Beitrag weitermachen.
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