Es wurde ja schon jede Menge über die belastenden Gesundheitsfolgen auch und gerade im psychischen Bereich durch die Corona-Pandemie berichtet. Aber augenscheinlich hat das Kürzertreten in den Lockdowns auch noch ganz andere Folgen – nämlich positive. Denn wo die einen – Familien z. B. – akute Überlastungen erlebten, erlebten andere, wie gut es ihnen tat, dass auf einmal Druck aus dem Kessel war.

„Zwei Drittel der Leipzigerinnen und Leipziger schätzen ihren eigenen Gesundheitszustand als (sehr) gut ein“, kann man in der Auswertung der Bürgerumfrage 2020 der Stadt Leipzig lesen, die am Mittwoch, 2. Februar, veröffentlicht wurde.„28 Prozent bewerten ihre Gesundheit als mittelmäßig und nur 7 Prozent als (sehr) schlecht. Damit hat sich das positive Gesundheitsempfinden (sehr gut und gut) im Vergleich zur Vorjahresbefragung um +4 Prozentpunkte erhöht. Der Anteil derjenigen, die ihren Gesundheitszustand als sehr gut einschätzen, hat sich sogar um 7 Prozentpunkte auf 16 Prozent erhöht. Insbesondere bei Erwachsenen im jüngeren und mittleren Alter hat sich die subjektive Selbsteinschätzung in Richtung sehr gut verschoben. Während 2019 nur 16 Prozent der jungen Erwachsenen (18 bis 34 Jahre) ihre Gesundheit als sehr gut einschätzten, sind es im Pandemiejahr 2020 28 Prozent. Bei den Erwachsenen mittleren Alters (35 bis 49 Jahre und 50 bis 64 Jahre) stieg der Anteil sehr guter Einschätzungen um jeweils +7 Prozentpunkt.“Was ja wohl im Klartext heißt: Gerade jüngere Berufstätige erlebten die Zeit als wohltuend für ihr gesundheitliches Befinden.

Natürlich trifft das nicht auf alle zu. Denn die Malocher in den unteren Einkommensgruppen konnten nicht einfach zu Hause bleiben. Ohne sie läuft ja der Laden nicht. Und sie haben auch weniger Möglichkeiten, auch noch extra was für ihre Gesundheit zu tun, wenn der Knochenjob getan ist.

Oder im Text der Auswertung: „Deutliche Zusammenhänge zeigen sich auch mit dem Einkommen, dem Erwerbsstatus und der Lebenszufriedenheit. Je höher das Einkommen, desto besser wird auch der eigene Gesundheitszustand beurteilt. Dieser Zusammenhang besteht nicht nur in der Stadt Leipzig, vielmehr wurde er in verschiedenen wissenschaftlichen Studien gleichermaßen nachgewiesen.“

Höhere Bildung, höhere Einkommen, bessere Gesundheit

Natürlich hat das auch mit der Art der Arbeit zu tun, die unterschiedliche Einkommensgruppen haben. Höhere Bezüge haben meistens die Angestellten mit Hochschulabschluss, die aus dem Büro auch leichter ins Homeoffice wechseln können. Das gesundheitliche Befinden spiegelt also in gewisser Weise auch die Veränderung der Beschäftigung in Leipzig. Es gibt mehr hochqualifizierte Jobs, deren Inhaber dann in der Regel auch mehr auf ihre Gesundheit achten.

Wobei das Corona-Jahr die Statistiker trotzdem verblüffte. Denn landläufig war ja das Bild, dass die Bundesbürger in der Zeit öfter zu Hause vorm Fernseher saßen und sich mit Alkohol und Knabberspaß ganze Netflix-Serien reinzogen. Da hätten sie alle dicker werden müssen.

Und da die Umzugstätigkeit geringer wurde, zogen auch weniger junge Leute nach Leipzig, die Stadt wurde also statistisch etwas älter. Auch das hätte die Rate der Fettleibigen erhöhen müssen.

Aber nichts war.

„Tendenziell steigt der Anteil übergewichtiger und adipöser Personen mit zunehmendem Alter. Im Vergleich zu Studierenden und Schüler/-innen ist der Anteil Adipöser unter den Rentnerinnen und Rentnern zwölfmal so hoch. Auch der Vergleich von erwerbstätiger und arbeitsloser Bevölkerung zeigt nennenswerte Unterschiede auf“, heißt es in der Auswertung der Bürgerumfrage 2020.

„Ein Achtel der Erwerbstätigen ist als adipös einzustufen, bei Arbeitslosen ist es ein Fünftel. Die Leipziger Bevölkerung liegt hinsichtlich der Prävalenz übergewichtiger und adipöser Personen acht Prozentpunkte unter dem bundesweiten Durchschnitt.“

Und das begann auch nicht erst 2020. Augenscheinlich bewegen sich auch ältere Leipziger mehr und die Rate der Übergewichtigen sinkt, auch dann, wenn die Bevölkerung im Schnitt älter wird.

Im Bericht liest man dazu: „Insgesamt hat die Adipositasprävalenz (einschl. Übergewichtiger) im Verlauf der vergangenen vier Jahre in Leipzig leicht abgenommen, liegt aber aktuell immer noch bei 46 Prozent. Inwieweit für die positive Entwicklung eine gesündere Lebensweise mit verschiedenen Einflussfaktoren wie körperlich-sportliche Aktivität, gesunde Ernährung oder weniger Alkoholkonsum eine Rolle spielen, wurde aktuell nicht erfragt.“

Aber wer genau hinschaut, sieht, dass über die Zeit gerade der Anteil Adipöser an den älteren Berufstätigen (50 bis 64 Jahre) spürbar abnimmt. Parallel nahm der Anteil der Übergewichtigen bei den Männern stärker ab als bei den Frauen. Die Männer nähern sich so langsam dem etwas niedrigeren Niveau der Frauen an.

Was eben darauf hindeutet, dass wohl auch in diesem Fall die Pandemie nicht der Auslöser war, sondern ein Trend zu sehen ist, in dem sich möglicherweise ein gesünderes Essverhalten und eine gesündere Bewegungskultur ergänzen und gerade ältere Männer auch andere Vorstellungen von dem zu leben beginnen, „was ein Mann tun muss“.

Denn natürlich werden sie von den großen gesellschaftlichen Tendenzen nicht unberührt bleiben. Und nicht alle Männer wollen ihr Nackensteak braten und jeden Tag Fleisch auf dem Teller sehen und ihre Bierchen trinken.

Neue Lebensmodelle, neue Stadtmodelle

Die Langzeitbeobachtung lohnt sich. Und wenn sich das auch noch – wie 2020 – mit mehr Bewegung zu Fuß oder mit dem Rad ergänzt, könnte Leipzig sich tatsächlich spürbar ändern. Denn Bewegung beginnt im Kopf.

Und während die einen murrend beklagen, dass die alten Manns-Bilder gerade in den deutschen Großstädten unter die Räder geraten und vor allem unter Legitimationsdruck, haben andere Männer längst gemerkt, dass es ein Leben jenseits von Sofa und Autositz gibt. Und dass das sogar gesund ist und zum Wohlbefinden beiträgt.

Was natürlich die Frage aufwirft: Ist das vielleicht auch wieder nur ein Effekt der gestiegenen hohen Einkommen? Können sich die einen also mehr Gesundheit leisten, während die Einkommensarmen weiterhin unter Bedingungen leben, unter denen sie sich schlecht ernähren und richtige Erholung gar nicht leisten können?

Denn Fakt ist auch, dass die befragen Leipziger/-innen mit Einkommen zwischen 800 bis unter 1.400 Euro nur zu 8 Prozent sagen, dass ihr Gesundheitsbefinden sehr gut ist. Bei denen mit mehr als 2.000 Euro sind es dann schon 23 Prozent. Und auch wenn man die Einschätzung „gut“ und „sehr gut“ zusammenzieht, ist der Unterschied mit 55 und 80 Prozent eklatant.

Es sind also die Besserverdienenden, die den Durchschnitt nach oben ziehen, während Einkommen unterhalb des Mindestlohns die Wahrscheinlichkeit verstärken, dass jemand gesundheitlich schlechter dasteht.

Und da sind die Arbeitslosen noch nicht dabei, bei denen schon länger bekannt ist, dass sie unter der Arbeitslosigkeit nicht nur seelisch leiden, sondern auch körperlich. Hier sagen nur 39 Prozent der Befragten, dass sie sich gesundheitlich gut bis sehr gut fühlen. Oder anders formuliert: Arbeitslosigkeit macht krank. Das Übergewicht gehört dann bei 49 Prozent der Befragten dazu.

Wobei eben auch 43 Prozent der Erwerbstätigen übergewichtig sind. Die leichte Verbesserung im Jahr 2020 ist erst einmal so eine Art Silberstreif. Aber sie erzählt noch nicht davon, dass sich die Erwerbstätigen grundsätzlich mehr um ihre Gesundheit sorgen und vor allem gesünder arbeiten. Denn nicht jede Arbeit macht gesund und glücklich. Und nicht jede gibt den Beschäftigten die Möglichkeiten, sich auch wirklich körperlich fit zu halten.

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