Im Jahr 2020 stagnierte die Einwohnerentwicklung in den ersten drei Quartalen, insbesondere aufgrund der COVID-19-Pandemie, stellt das Leipziger Amt für Statistik und Wahlen im jüngsten Quartalsbericht Nr. 3/2021 fest. Erst im letzten Quartal des Jahres 2020 stieg die Bevölkerungszahl wieder an: Gegenüber dem Vorjahr lebten zum Jahresende 2020 3.739 Frauen und Männer mehr in Leipzig. Insgesamt sind es jetzt 605.407. Gleichwohl wurde mit 0,62 Prozent der geringste Einwohnerzuwachs der letzten zehn Jahre verzeichnet.
Was freilich zu erwarten war. Nicht nur wegen der Corona-Pandemie. Denn das Leipziger Wachstum resultiert seit 20 Jahren vor allem aus der Zuwanderung. Und zwar nicht irgendeiner Zuwanderung, sondern der aus den ländlichen Regionen vor allem Ostdeutschlands. Dass dieser Zustrom irgendwann verebben würde, war absehbar.Seit 2010 sind die Ausbildungsjahrgänge in Sachsen und den anderen ostdeutschen Bundesländern halbiert. Das heißt eben nicht nur, dass nur noch halb so viele junge Menschen in den Arbeitsmarkt drängen. Das sind auch halb so viele Familiengründungen und letztlich wieder deutlich sinkende Geburtenzahlen.
Und wie die deutsche Politik mit den jungen Familien und ihren Sorgen umgeht, war in den beiden Corona-Jahren nur zu gut zu beobachten.
Drittes Quartal wieder im Geburtenplus
Da ist es eher erstaunlich, dass Leipzig noch eine im Vergleich hohe Geburtenzahl verzeichnen konnte. Im Quartalsbericht heißt es dazu: „Der Saldo aus Geburten und Sterbefällen betrug im 3. Quartal +208 (+181 im entsprechenden Vorjahresquartal). Insgesamt wurden im vergangenen Quartal 1.649 Kinder geboren und 1.441 Personen verstarben.“
Insgesamt gab es in den ersten neun Monaten des Jahre 4.777 Neugeborene in Leipzig, nur 64 weniger als 2020. Man kann also zum Jahresende wieder mit einer Zahl von etwas über 6.300 Neugeborenen rechnen. Was aber wohl auch 2021 nicht reichen wird, um die Sterbefälle auszugleichen. Denn aufgrund der hohen Übersterblichkeit durch Corona Anfang des Jahres wurden bis Ende September in Leipzig schon 5.248 Sterbefälle registriert.
Was also die natürliche Bevölkerungsbewegung betrifft, wird Leipzig am Jahresende ein Minus aufweisen – genauso wie im ersten Corona-Jahr 2021.
Dazu heißt es im Quartalsbericht: „Im Jahr 2020 gab es erstmals seit 2013 wieder mehr Sterbefälle als Geburten in Leipzig. Die Zahl der Geburten stieg im Jahr 2020 leicht an auf 6.468. Die Zahl der Sterbefälle erhöhte sich aber deutlich stärker auf 6.554.“
Wo bleibt die Zuwanderung?
Und das wird durch die Zuwanderung nicht mehr so stark ausgeglichen wie in den Vorjahren, als Leipzigs Bevölkerungsprognosen gar 700.000, 720.000 oder 750.000 Einwohner/-innen bis zum Ende des Jahrzehnts vorhersagten. Die wird es aber nicht geben. Das Leipziger Hinterland kann „nicht mehr liefern“. Und vorsichtig spricht man im Rathaus jetzt eher von 650.000 möglichen Stadtbewohnern.
Aber auch das ist so sicher nicht.
Der Quartalsbericht dazu: „Das Bevölkerungswachstum in Leipzig verharrt im 3. Quartal 2021 auf niedrigem Niveau. Gegenüber dem 2. Quartal 2021 (Stichtage 30.06./30.09.) wuchs Leipzig um 453 Personen, gegenüber dem Stichtag zum Ende des 3. Quartals 2020 um 4.331 Personen. 8.330 Personen sind seit dem vergangenen Quartal neu nach Leipzig gekommen, 8.309 haben die Stadt verlassen (im gleichen Quartal des Vorjahres waren dies noch 8.119 Zuzüge und 7.936 Fortzüge).“
Was natürlich statistische Rätsel aufgibt, nachdem man in einigen Jahren Zuwächse von 10.000 und 15.000 verzeichnet hatte. Ist die Stadt weniger attraktiv geworden?
„Möglicherweise ist die Stagnation im Bevölkerungszuwachs der vergangenen Jahre mit einem veränderten Mobilitäts- und insbesondere Umzugsverhalten im Kontext der COVID-19-Pandemie assoziiert“, versuchen die Statistiker/-innen eine Erklärung zu finden. „Ob das Wachstum nach Abklingen der Pandemie wieder mehr Fahrt aufnehmen wird, bleibt abzuwarten.“
Zur Erklärung gehört freilich auch die Tatsache, dass Leipzig – stärker als alle anderen Städte in Sachsen – von der Zuwanderung aus dem Ausland profitierte. Denn natürlich ziehen auch Migranten zuallererst dorthin, wo sie Arbeit, Ausbildung und möglichst auch Wohnung finden. Aber mit der noch einmal radikal verschärften deutschen Zuwanderungspolitik nach 2015 ist dieser Zustrom gleich wieder abgewürgt worden.
Die sächsischen Behörden schieben stattdessen selbst gut integrierte Ausländer wieder ab. Und das, während selbst die Wirtschaftskammern dringend mahnen, dass das zunehmende sächsische Fachkräfteproblem ohne starke Zuwanderung nicht mehr zu lösen sein wird.
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