Einer der Faktoren, die darüber mitentscheiden, ob Menschen sich in der Region, in der sie leben, wie Zuhause fühlen, ist auch der „weiche“ Standortfaktor Kultur. Daran sparen ja Politiker nur zu gern, wenn sie meinen, der Haushalt des Landes oder der Kommune müsse „konsolidiert“ werden. Aber wie sieht es mit Kultur tatsächlich aus in deutschen Kleinstädten? Das Institut für Länderkunde hat es mal ausgewertet.
Denn immerhin mehr als ein Drittel aller Kultureinrichtungen Deutschlands befindet sich in Kleinstädten, die damit einen wichtigen Teil der Daseinsvorsorge für knapp 30 Prozent der Bevölkerung erbringen. Doch ein deutliches Süd-Nord-Gefälle besteht hinsichtlich der Spartenausstattung und Spartenvielfalt, wie Deutschlandkarten im Nationalatlas aktuell des Leibniz-Instituts für Länderkunde (IfL) zeigen.Die größte Dichte kulturell vergleichsweise gut ausgestatteter Kleinstädte findet sich demnach in den ländlichen Regionen Bayerns und im städtischen Raum Baden-Württembergs. In Nord-, Ost und Westdeutschland sind dagegen nur wenige Kleinstädte mit kultureller Vielfalt anzutreffen. Berücksichtigt wurden bei der Erfassung des IfL Gemeinden mit 5.000 bis 20.000 Einwohnern oder mindestens grundzentraler Funktion nach Angaben des Bundesministeriums für Bau-, Stadt- und Raumforschung.
Die Gründe für fehlende Kulturausstattung in Kleinstädten
Einen Grund für die ungleiche Verteilung sehen Madeleine Wagner von der Universität Heidelberg und Christoph Mager vom Karlsruher Institut für Technologie in der regional unterschiedlichen Erreichbarkeit größerer Zentren. Auch länderspezifische politische Entscheidungen bei der Ausweisung zentraler Orte im ländlichen Raum und der finanziellen Unterstützung kultureller Einrichtungen spielten eine Rolle.
Und so wird auch deutlicher, warum nicht nur Sachsen, sondern der komplette Osten wie eine leere Wüste wirkt: Hier waren es drastische Kommunal- und Gebietsreformen, die insbesondere in Ostdeutschland zu zahlreichen Zusammenlegungen und Schließungen von Kultureinrichtungen geführt. Reformen aufgrund schwindender Bevölkerung haben die ländlichen Räume also auch kulturell ausgedünnt. Was dann in der Folge wieder ein Faktor für weitere Abwanderung gewesen sein kann.
Was gehört zu einer kulturellen Grundausstattung?
Als Grundausstattung identifizierten die Autoren des jüngsten Beitrags im Nationalatlas aktuell Bibliotheken, Museen, Volkshochschulen, Musikschulen und Kinos. In vier Fünftel der Kleinstädte mit mindestens fünf verschiedenen Sparten gibt es eine der genannten Einrichtungen und in 40 der 70 Kleinstädte sind sogar alle fünf Sparten vertreten. Jugendkunstschulen, Kunstvereine und insbesondere Theater befinden sich nur vereinzelt in Kleinstädten.
In Sachsen selbst freilich ist die Lage deutlich ausgedünnter: Bei den kleineren Kleinstädten (5.000 bis 10.000 Einwohner) haben nur sechs noch drei Kulturfunktionen, 47 haben nur zwei Kulturfunktionen, 52 haben gar nur eine solche Funktion bewahrt, in 19 ist gar nichts (mehr) los. Und nicht viel besser sieht es bei den größeren Kleinstädten (10.000 bis 20.000 Einwohner) aus, hier verfügen nur 15 über drei Kulturfunktionen, 17 über wenigstens zwei und zwölf über eine verbliebe Funktion. Zehn größere Kleinstädte haben überhaupt kein Kulturangebot mehr.
Mit dem Ergebnis, dass nur sechs sächsische Kleinstädte es auf die Karte des Instituts für Länderkunde geschafft haben
Die Auswertung basiert auf Daten für das Jahr 2017. Diese geben keine Auskunft über die tatsächlich geleistete Kulturarbeit, das Personal, die Größe und die Einzugsgebiete der Einrichtungen sowie die Besucherzahlen und deren Zusammensetzung, wie die Autoren betonen.
Originalpublikation: Wagner, Madeleine und Christoph Mager (2021): Kleine Städte, k(l)eine kulturelle Ausstattung? In: Nationalatlas aktuell 15 (10.2021) 6 [08.10.2021]. Leipzig: Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL).
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