Dass die Bewältigung der Pandemie-Folgen richtig Geld kosten wird und die öffentlichen Haushalte zu neuen Schuldenaufnahmen zwingt, war eigentlich schon klar. Das hatte man alles schon im Kopf einsortiert. Aber dann liest man trotzdem wieder so eine „Spiegel“-Schlagzeile wie „Coronakosten treiben Staatsschulden auf Rekordhöhe“ und fasst sich an den Kopf. Ist denn Medienmachen endgültig zum großen Zirkus geworden? Beim Absatz zum Freistaat Sachsen wird es endgültig makaber.
Natürlich kann man sich immer wieder sagen: Die haben auch keine Leute. Die schrubben das alles runter, wie es über den Ticker, Reuters oder das Mail-Fach reinkommt. Aber das ist keine Entschuldigung. Man kann sich nicht bei jeder Nachricht wieder doof stellen und so tun, als hätte man von Tuten und Blasen keine Ahnung. Im Grunde hat der „Spiegel“ (man hat es ja so unsäglich eilig) nicht mehr gemacht, als alles, was das Bundesamt für Statistik am Mittwoch, 29. September, unter der Schlagzeile „Öffentliche Schulden steigen im 1. Halbjahr 2021 auf 2,25 Billionen Euro. Schulden des Öffentlichen Gesamthaushalts um 3,6 % höher als zum Jahresende 2020“ aussandte, ein bisschen umzuschreiben und dann schnell rauszuhauen.
Samt dem Absatz zu Sachsen, der beim Bundesamt für Statistik so klang: „Die höchsten prozentualen Schuldenanstiege gegenüber dem Jahresende 2020 wiesen Sachsen (+11,0 %), Niedersachsen (+5,0 %) und Nordrhein-Westfalen (+4,4 %) auf. Die Schuldenanstiege in diesen Ländern sind hauptsächlich auf eine Ausweitung der Emission von Wertpapieren zurückzuführen. In Sachsen resultiert dieser zu einem großen Teil aus Aufnahmen von Wertpapieren für den Corona-Bewältigungsfonds sowie einer Umschichtung der Kreditaufnahmen vom bislang vornehmlich genutzten öffentlichen Bereich (z. B. bei verbundenen Unternehmen) zum nicht-öffentlichen Bereich.“
Beim „Spiegel“ wurde daraus: „Sachsens Verschuldung wächst stark, Bremens sinkt deutlich. Die höchsten Zuwächse wiesen Sachsen (plus 11,0 Prozent), Niedersachsen (plus 5,0) und Nordrhein-Westfalen (plus 4,4) auf.“
Alarmismus mit Schulden
Der sächsische Finanzminister wird sich gefreut haben, weil solche Zirkusmeldungen natürlich seine Haltung bestärken, dem Landtag jetzt schon mal mit Milliardenkürzungen im nächsten Haushalt zu drohen.
Aber das Bundesamt für Statistik hat wenigstens noch eine Grafik dazugetan (siehe oben), die die tatsächliche Schuldenlast der Bundesländer zeigt. Wer da Sachsen oben an der Spitze sucht, wird lange suchen und nicht finden. Sachsen ist ganz, ganz unten. Auch und gerade mit den Schulden.
Denn kein anderes Bundesland hat einen so niedrigen Schuldenstand wie Sachsen, kein einziges. Wer aber sowieso schon vor Corona niedrigere Schulden hatte, bei dem wirken sich neue Kreditaufnahmen natürlich stärker aus. Das ist simple Prozentrechnung. Sachsens Schuldenstand wuchs im ersten halben Jahr 2021 von 5,1 auf 5,6 Milliarden Euro. Das sind dann schnell mal 11 Prozent.
Sachsens fragile Steuerbasis
Viel wichtiger aber ist eigentlich die Frage: Warum ist das so? Warum konnten einige Bundesländer ihre Schulden abbauen (sogar Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern schafften das), aber Sachsen muss drauflegen? Ist das so, weil die aktuelle Regierung zu viel Geld ausgibt (wovon Finanzminister Hartmut Vorjohann überzeugt ist) oder weil eine simple Krise wie die Corona-Pandemie sofort zeigt, wie unsicher die Steuereinnahmen eines Landes wie Sachsen sind? Denn die zusätzlichen Kreditaufnahmen federn vor allem wegbrechende Steuereinnahmen ab.
Im Oktober 2019 hatte der Arbeitskreis Steuerschätzungen für Sachsen noch Steuereinnahmen von 16,9 Milliarden Euro prognostiziert. Im November 2020 sackte die Prognose dann auf 15,5 Milliarden Euro. Im Mai 2021 erholte sie sich wieder auf 15,9 Milliarden. Bleiben rund 875 Millionen Euro, die durch Kreditaufnahmen ersetzt werden müssten.
Mit großen Fragezeichen, denn der Doppelhaushalt ist ja nicht mit Steuerschätzungen geplant, sondern mit ganz konkreten Zahlen zu Steuereinnahmen und steuerinduzierten Einnahmen. Und da hat Sachsen 2021 nun einmal nur mit 15,5 Milliarden Euro geplant. Bei den Steuereinnahmen ist Sachsen also – trotz Corona – auf Kurs.
Und selbst die jüngsten Berechnungen zeigen, dass der Freistaat die vom Landtag bewilligten 6 Milliarden Euro aus dem Corona-Bewältigungsfonds in dieser Größenordnung gar nicht brauchen wird, also auch die Ausfälle ab 2022 nicht so groß sein werden, wie vom Finanzminister noch in der „Mittelfristigen Finanzplanung“ vom Dezember 2020 prognostiziert.
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