Selbst bei U18-Bundestagswahlen merkt man, wenn es in einer Region wie Sachsen keine flรคchendeckenden Regionalzeitungen mehr gibt und sich auch Jugendliche nur noch รผber diverse Kanรคle informieren, auf denen von einer realistischen Information keine Rede sein kann. Und so liegt die AfD bei der U18-Wahl in Sachsen vorn, anders als etwa im Bund oder in der Groรstadt Leipzig.
Die Leipziger Ergebnisse verรถffentlichte am Montag, 20. September, der Stadtjugendring Leipzig e.V. In 57 Wahllokalen gaben 2.194 junge Leipziger/-innen ihre Stimme ab. โJunge Menschen wรคhlen fรผr ihre Interessenโ, konnte der Stadtjugendring nach Auswertung der Ergebnisse titeln.โKinder und Jugendliche haben am 17. September bei der U18-Bundestagswahl deutlich gemacht, wie aus ihrer Sicht der Bundestag aussehen soll. In Leipzig haben in 57 Wahllokalen knapp 2.200 Kinder und Jugendliche ihre Stimme abgegeben. Hier stellen Bรผndnis 90 / Die Grรผnen mit 25 % den klaren Wahlsieger vor SPD (15,8 %) und Die Linke (14,3 %). Weit abgeschlagen und auffรคllig dicht beieinander liegen die AfD (8,5 %), CDU (8,3 %), FDP (7,6 %) und die Tierschutzpartei (7,6 %). Der Anteil an Stimmen fรผr weitere Kleinstparteien ist mit 13 % hรถher als bei den Wahlumfragen der Erwachsenenโ, analysiert der Stadtjugendring die Leipziger Ergebnisse.
โDas Ergebnis aus Leipzig liegt nรคher am Bundestrend der U18-Wahl als an dem sรคchsischen Ergebnis. Mit einem hohen Anteil an Stimmen fรผr Kleinstparteien weisen alle drei Ebenen eine Gemeinsamkeit in den Ergebnissen auf. Das macht deutlich, das Kinder und Jugendliche ihre Entscheidung weniger an taktischen Grรผnden ausrichten, sondern ihre Themen wie der Schutz von Tieren, Umwelt und Natur sowie soziale Gerechtigkeit Ausdruck verleihen.โ
Die hohe Bereitschaft, ein Wahllokal anzumelden, sorgte 2021 auch fรผr neue Rekorde.
โLeipzig hat ein Viertel aller Wahllokale in ganz Sachsen gestellt. Damit ist die U18-Wahl einer der grรถรten Projekte der politischen Bildung in Leipzigโ, fรผhrt Frederik Schwieger, Geschรคftsfรผhrer des Stadtjugendrings Leipzig, aus. Der Rekord ist auf das allgemeine Interesse zur Bundestagswahl und insbesondere den Wunsch von Kindern und Jugendlichen selbst wรคhlen zu dรผrfen, zurรผckzufรผhren.
In Leipzig finden seit 2013 die U18-Kinder- und Jugendwahlen statt. Der Stadtjugendring Leipzig e. V. und das Kinder- und Jugendbรผro des Deutschen Kinderschutzbunds Leipzig e. V. koordinieren seit 2017 die U18-Wahlen in Leipzig.
Der gravierende Unterschied zum sรคchsischen U18-Wahlergebnis
Der hohe Zuspruch in Leipzig sorgte freilich auch dafรผr, dass das sรคchsische Ergebnis nicht ganz so AfD-lastig ausfiel und damit auch nicht so deutlich weit vom Bundesergebnis, wo Grรผne, SPD und CDU/CSU ganz รคhnlich wie in den Meinungsumfragen der Erwachsenen die meisten Stimmen bekommen haben.
Natรผrlich mรผssten Sozialforscher genauer erkunden, warum Jugendliche in Sachsen so oft ihr Kreuz bei der AfD machen. Die drastische Abweichung vom Bundesergebnis lรคsst zumindest vermuten, dass hier einerseits die Beeinflussung durch die Erwachsenen sichtbar wird, die ja gerade in lรคndlichen Regionen Stimmenbringer fรผr die AfD sind, andererseits aber auch die Fragmentierung der Lebenswelten deutlich wird, die durch die sogenannten โsocial mediaโ befeuert wird.
Eine Fragmentierung, die dafรผr sorgt, dass selbst Gleichaltrige in vรถllig verschiedenen medialen Welten sozialisiert werden. So richtig ernst haben Kommunikationswissenschaftler das Thema noch nicht genommen. Aber die Fragmentierung der Mediennutzung befรถrdert zwangslรคufig die Fragmentierung der Gesellschaft โ und die Radikalisierung.
Denn obwohl Netzwerke wie Facebook schon vorher gemerkt haben, wie ihre Zerstรถrung klassischer Medien die Radikalisierung der Gesellschaft befeuert, hat Mark Zuckerberg die Arbeitsweise seiner Algorithmen 2018 noch einmal verschรคrfen lassen, wie z B. die โSรผddeutscheโ berichtete:
โEin dritter Fall beschรคftigt sich mit einer รnderung des Facebook-Algorithmus, den Zuckerberg 2018 ankรผndigte. Statt des Fokus auf Nachrichten sollten kรผnftig sogenannte โMeaningful Social Interactionsโ im Newsfeed belohnt werden. Doch Untersuchungen von Facebook zeigten schnell, dass der Fokus auf Likes, Shares und Kommentare dazu fรผhrte, dass Inhalte, die Menschen wรผtend machten, mehr geteilt wurden. Sogar Parteien hรคtten ihre Botschaften deshalb negativer formuliert, gegenรผber Facebook aber die Sorge geรคuรert, damit der Gesellschaft langfristig zu schaden. Facebook-Chef Zuckerberg habe dennoch abgelehnt, die รnderung zurรผckzunehmen.โ
Das klingt aus dem Mund des Facebook-Chefs immer ganz menschenfreundlich und harmlos, aber eine Demokratie lebt eben nicht von der Schlacht der Meinungen, sondern von kenntnisreichen Wรคhler/-innen, die vor allem rationale Wahlentscheidungen treffen. Gerade dann, wenn Parteien dazu neigen, Emotionen zu schรผren und sie ihre Wahlkรคmpfe mit รbertreibungen und Fakenews zu bestรผcken.
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