Da ist der Wurm drin, auch wenn die Arbeitsagentur Leipzig einen möglichen Grund gefunden hat, warum ausgerechnet in Leipzig im August die Arbeitslosenzahl gestiegen ist, während sie deutschlandweit sogar um 12.000 sank. Das Leipziger Ergebnis mit 465 Arbeitslosen mehr als im Juni beeinflusst auch das sächsische Ergebnis, wo dann insgesamt 330 als Plus steht.
Insgesamt waren Ende August in der Stadt Leipzig 23.413 Menschen, 465 mehr als im Juli, bei der Arbeitsagentur und dem Jobcenter, arbeitslos gemeldet. Im Vergleich zum August 2020 sank die Arbeitslosigkeit freilich um 3.311.„Die Arbeitslosigkeit ist im August leicht angestiegen. Das ist eine Entwicklung, die wir im August oft beobachten. Das hängt mit dem Ende der Ausbildung junger Leute zusammen, die nicht von ihren Ausbildungsunternehmen übernommen wurden und sich für oft kurze Zeit arbeitslos melden“, versucht die Geschäftsführerin Operativ der Agentur für Arbeit Leipzig, Nadia Arndt, eine Erklärung für die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt im August 2021.
„Das ist eine gute Gelegenheit für andere, diese jungen und gut ausgebildeten Fachleute einzustellen. Insgesamt ist der Arbeitsmarkt in Leipzig robust und erholt sich weiter von den pandemiebedingten Einflüssen. Das zeigt auch der erhebliche Rückgang der Arbeitslosigkeit im Vergleich zum August des vorigen Jahres und an der großen Zahl freier Stellen, die uns gemeldet wurden.“
Denn auch das war zu beobachten: Auch Leipzig erlebt gerade wieder eine Steigerung der Nachfrage nach Arbeitskräften. Beim Zugang an offenen Arbeitsstellen verzeichnete die Arbeitsagentur und das Jobcenter Leipzig im August einen Anstieg gegenüber dem Vormonat.
Die Wirtschaft und die Verwaltung haben in den letzten vier Wochen 2.038 freie Stellen, das waren 228 mehr als im davor liegenden Monat und 166 mehr als vor einem Jahr, zur Besetzung gemeldet. Im Ergebnis stieg das Angebot an freien Stellen auf 9.501 und scheint auf dem besten Weg Richtung 10.000.
Und trotzdem tun sich viele Unternehmen schwer, gerade die frisch ausgebildeten Berufsanfänger zu übernehmen. Und das ist nicht das einzige Problem. Darauf wies am Dienstag, 31. August, die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) hin, das nämlich jeder zweite Vertrag bei Neueinstellungen in Leipzig mittlerweile befristet ist.
Das passt einfach nicht zu einem Arbeitsmarkt, dem immer öfter die Fachkräfte fehlen, auch wenn die Zahlen jetzt erst einmal noch aus dem ersten Corona-Jahr stammen.
In Leipzig waren zuletzt 50 Prozent aller neu abgeschlossenen Arbeitsverträge befristet, stellt die NGG fest. 8.963 von insgesamt 18.107 Neueinstellungen hatten im zweiten Quartal 2020 ein Verfallsdatum. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) beruft sich hierbei auf eine Untersuchung der Hans-Böckler-Stiftung.
„Befristete Stellen sind im Lebensmittelhandwerk und im Gastgewerbe, aber auch in der Ernährungsindustrie stark verbreitet – und können für die Betroffenen gerade in der Corona-Pandemie zur Falle werden“, sagt Jörg Most von der NGG-Region Leipzig-Halle-Dessau.
Was zumindest ein Hinweis ist darauf, dass gerade einige Branchen wie das Gastgewerbe sich schwertun, die Folgen der Corona-Lockdowns in den Griff zu bekommen. Dass während der Lockdown-Monate rund 2.000 Servicekräfte im Gastro-Bereich verloren gegangen sind, ist nach wie vor in vielen Leipziger Restaurants und Hotels zu spüren.
Oft fehlen dann auch die erfahrenen Mitarbeiter/-innen, die sich um die Berufseinsteiger kümmern könnten. Oft sind aber auch die Umsätze derart eingebrochen, dass sich die Inhaber mit Neueinstellungen lieber noch zurückhalten.
Es steckt also mit ziemlicher Sicherheit noch ein starker Corona-Effekt in den Zahlen, während in manchen Branchen das Fehlen von Berufsnachwuchs immer stärker spürbar wird.
Wesentlich erstaunlicher ist da, dass einige Unternehmen noch im Juli Kurzarbeit angezeigt haben. Auch dazu liefert die Arbeitsagentur jetzt Zahlen: Im Juli 2021, dem jüngsten statistisch ausweisbaren Monat, haben immernoch 34 Leipziger Unternehmen Kurzarbeit angezeigt. Diese Anzeigen umfassten 1.090 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte.
Kleiner Überraschungseffekt: die Automobilbranche scheint sich besonders schwer damit zu tun, wieder in Tritt zu kommen. Denn besonders viel Kurzarbeit meldeten Unternehmen der Kfz- und der Kfz-Teilefertigung (7), der Vermittlung und Überlassung von Arbeitskräften (4) und der Vorbereitung von Baustellen und Ausbaugewerke (4).
Die „Überlassung von Arbeitskräften“ – das ist die Zeitarbeitsbranche. Zeitarbeiter waren die ersten, die im Frühjahr 2020 in Kurzarbeit geschickt wurden.
Wirklich umfängliche Zahlen zur Kurzarbeit gibt es aktuell freilich erst bis zum Januar 2021.
Im Januar 2021 haben 3.463, im Februar 3.510, im März 3.030 und im April, jüngster statistischer Datenstand, 2.842 Betriebe Kurzarbeit abgerechnet. Zum Höhepunkt der Kurzarbeit im April 2020 waren es 4.759 Betriebe, meldet die Arbeitsagentur. Im Januar 2021 haben die Leipziger Unternehmen für 25.183 Beschäftigte, im Februar für 24.907, im März für 19.615 und im April für 19.752 bezogen. Im April 2020 lag diese Zahl noch bei 50.956 Beschäftigten.
Andererseits macht sich aber auch bemerkbar, dass der Gastrobereich aufgrund seiner Einbußen auch deutlich weniger Auszubildende übernommen hat. Das macht auch den größten Teil des Rückgangs an Ausbildungsstellen aus. Und das in einem Jahr, in dem die Zahl der Bewerber/-innen für eine Berufsausbildung erstmals wieder leicht gestiegen ist – von 2.770 auf 2.773. Doch den 2.773 Bewerber/-innen standen bislang nur 2.559 Ausbildungsstellen gegenüber.
„In den letzten Wochen haben uns viele Betriebe noch ihre freien Ausbildungsstellen gemeldet. Die Unternehmen warten auf den Nachwuchs und manche entschließen sich mitunter sehr kurzfristig, ihre Lehrstellen zu melden“, sagt Arndt. „Es lohnt sich also für den bevorstehenden Ausbildungsbeginn auch noch jetzt, unsere ständig aktualisierte Ausbildungsbörse zu sichten.“
Und wohl auch noch danach. Denn wenn der Nachwuchs derart spürbar fehlt, ist jedes Unternehmen gut beraten, so viel auszubilden wie möglich. Die Zeiten, da man sich zurücklehnen konnte, sind seit über zehn Jahren vorbei. Und allein über Stellenausschreibungen bekommt man die Leute nicht mehr, die man für einen stabilen Personalstamm braucht.
Ein Manko dabei ist freilich auch, dass der Großteil der Stellenvermittlungen nach wie vor über Zeitarbeitsfirmen passiert, wohin viele Unternehmen ihre Personalsuche ausgelagert haben. Von den 9.500 Stellenangeboten werden 3.969 allein über Zeitarbeitsfirmen angeboten.
Das ist gerade für junge Berufsanfänger nicht wirklich ein lukrativer Einstieg ins Arbeitsleben. Genauso wenig wie die befristeten Arbeitsverträge und all die anderen Instrumente eines prekären Arbeitsmarktes, der vor 20 Jahren vielleicht mal Sinn ergeben haben mag, aber nicht in einer Zeit, wo der Fachkräftenachwuchs so spürbar fehlt wie jetzt.
Der Leipziger Arbeitsmarkt in Zahlen
Der Anstieg der Arbeitslosigkeit im Vergleich zum Vormonat Juli betrug bei den Unter-20-Jährigen 145 auf 558 und bei den Unter-25-Jährigen 311 auf 2.505.
Bei den Lebensälteren, in der Altersgruppe ab 50 Jahren, fiel die Arbeitslosigkeit um 60 auf 6.217 Personen.
Der Zugang in die Arbeitslosigkeit aus der Erwerbstätigkeit betrug in den letzten vier Wochen 2.079. In Erwerbstätigkeit meldeten sich 1.914 vorher arbeitslose Menschen in der gleichen Zeit ab.
Zum statistischen Zähltag im August betrug die Arbeitslosenquote in der Stadt Leipzig 7,2 Prozent (Vormonat: 7,1 Prozent). Im August 2020 lag diese Quote noch bei 8,4 Prozent.
Im August waren 7.736 Menschen in der Arbeitsagentur im Rechtskreis SGB III arbeitslos gemeldet. Das waren 314 mehr als im Vormonat und 2.718 weniger als vor einem Jahr.
Im Jobcenter Leipzig im Rechtskreis SGB II waren 15.677 Menschen arbeitslos registriert. Das waren 151 mehr als im August 2021 und 593 weniger als vor einem Jahr. In Leipzig gab es im August 32.200 Bedarfsgemeinschaften. Das waren 126 weniger als im Vormonat und 2.738 weniger als im August des Vorjahres.
Das Jobcenter Leipzig betreut aktuell 40.417 erwerbsfähige Leistungsberechtigte. Im Vergleich zum Vormonat betrug der Rückgang 172. Im Vergleich zum Vorjahr sank die Zahl um 3.337 Personen.
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