Im neuen Quartalsbericht Nr. 1/2021 forscht Andrea Schultz auch einem Thema nach, das durchaus brisant ist: Wer zieht in Leipzig eigentlich um und welche Gründe stecken dahinter? Und was hat das mit der Einkommenslage der Umzugswilligen zu tun? Denn wo die einen umziehen, weil sie es sich schlicht leisten können, leben die anderen in der Angst, aus ihrer Wohnung ausziehen zu müssen.
„Einkommensreiche Leipziger Haushalte planen vergleichsweise häufig einen Umzug. Auch bei armutsgefährdeten Haushalten ist die Umzugsneigung erhöht, allerdings sind die Umzugspläne in dieser Gruppe oft noch unbestimmter“, fasst Andrea Schultz das Ergebnis ihrer Untersuchung zusammen, der die jüngste Bürgerumfrage zugrunde liegt, in der ja regelmäßig auch nach den Umzugsabsichten der Leipziger/-innen gefragt wird. Neu an dieser Auswertung ist diesmal, dass auch mal eingehender mit der Einkommenssituation der Betroffenen verglichen wurde.
Und da wird ganz schnell deutlich, wie sehr der Wohnungsmarkt in Leipzig vom Geld dominiert ist und Gentrifizierung ganz einfach über die Zahlungsfähigkeit funktioniert: „Armutsgefährdete Haushalte und auch jene der unteren Mittelschicht wollen bzw. müssen vergleichsweise häufig aus Kostengründen umziehen (23 bzw. 24 Prozent).“
Wobei hier hinzukommt: Eigentlich wollen diese befragten Haushalte meist gar nicht umziehen, sehen sich aber dem stillen Druck ausgesetzt, das trotzdem mitdenken zu müssen – meist völlig in Unklarheit darüber, wohin sie eigentlich noch umziehen können.
Während gutverdienende Haushalte ihre Umzüge strategisch planen können. Und noch etwas kommt hinzu: Sie können sich ihre Wohnform aussuchen. Denn: „Haushalte der oberen Mittelschicht bzw. einkommensreiche Haushalte planen Umzüge häufiger zum Erwerb von Wohneigentum (18 bzw. 23 Prozent).“
Das wird deutlicher, wenn Leipzigs Statistiker/-innen eben nicht nur die Umzugsgründe erfragen, sondern sie statistisch auch mit den erfassten Einkommensgruppen abgleichen, die sich – für Einzelverdienerhaushalte – so staffeln: Armutsgefährdet ist man bis 956 Euro Monatseinkommen, also 60 Prozent des für 2020 ermittelten Medians aller Einkommen.
Einkommensreich ist man, wenn man das Doppelte des Medians mindestens zur Verfügung hat – also 3.186 Euro und mehr. Dazwischen liegt der große Batzen Mittelschicht, die Andrea Schultz aber noch einmal in die Untere Mittelschicht (956 Euro bis unter 1.596 Euro) und die Obere Mittelschicht (1.596 Euro bis unter 3.186 Euro) aufgeteilt hat.
Da wird das Bild nämlich klarer und so mancher findet sich in der Unteren Mittelschicht wieder, der bislang glaubte, eigentlich zur Oberen zu gehören.
Aber genau da scheiden sich die Geister und die Sichtweisen auf die Welt. Denn oberhalb des Medians hat man völlig andere finanzielle Möglichkeiten als darunter. Und das sorgt natürlich dafür, dass man die Welt – und den Wohnungsmarkt – mit völlig anderen Augen sieht.
Es ist kein Wunder, wenn Leute, die in dieser Höhe sichere Einkommen haben, in Leipzig nicht mal ansatzweise einen angespannten Wohnungsmarkt sehen können, denn ihr Wohnungsmarkt ist nicht angespannt, sondern völlig entspannt. Nicht nur haben sie ein großes Angebot für sie bezahlbarer moderner Wohnungen in den attraktivsten Wohnlagen, die sie mieten können, sie verdienen auch genug, um sich den Kauf von Wohnungseigentum vorstellen oder gar planen zu können.
Erstes Ergebnis: Sie haben nicht nur – wie die Armutsgefährdeten – ziemlich hohe Umzugsabsichten (42 Prozent), sie haben auch zu 19 Prozent tatsächlich vor, umzuziehen. Zwar hegen auch 49 Prozent der Armutsgefährdeten Umzugs„absichten“, aber die sind nur für 9 Prozent relativ konkret. Und während die Personen mit den niedrigen Einkommen vor allem Kostengründe, berufliche Gründe und Wohnviertelgründe anführen für die (möglichen) Umzugsnotwendigkeiten, steht bei den Gutverdienenden neben Haushaltsgründen und Wohnungsgründen der Erwerb von Wohneigentum ganz oben auf der Liste der Gründe.
Und während 34 Prozent der Armutsgefährdeten nicht wissen, wohin sie vielleicht umziehen müssen, ist dieser Anteil bei den Gutverdienenden deutlich geringer. Und die Untersuchung macht auch deutlicher, dass es nicht die Armutsgefährdeten und die Mitglieder der Unteren Mittelschicht sind, die ins Leipziger Umland ziehen wollen (oder müssen) – gerade mal 1 bis 6 Prozent erwägen das.
Hingegen ist es für die Obere Mittelschicht (21 Prozent) und die Einkommensreichen (15 Prozent) eine ganz logische Option, sich eine gute Wohnung im Umkreis von 30 Minuten Fahrt mit dem Pkw zu suchen. Denn natürlich kommt beim Wegzug aus der Stadt nicht nur die Wegstrecke noch hinzu, die man dann täglich fahren muss zur Arbeit, sondern auch die Tatsache, dass dort die Anbindungen mit dem ÖPNV deutlich schlechter sind.
Kein Wunder, wenn gerade die Geringverdiener versuchen, in der Stadt wohnen zu bleiben. Aber gerade das Wohnungssegment, das sie bezahlen können, ist zur Mangelware geworden.
Ein Fazit zieht Andrea Schultz noch: „Unabhängig von der Einkommenssituation möchte die Mehrzahl der umzugswilligen Leipziger Haushalte innerhalb der Stadtgrenzen einen neuen Wohnstandort finden. Das Leipziger Umland profitiert vor allem vom Zuzug aus Haushalten der oberen Mittelschicht und aus einkommensreichen Haushalten. Für armutsgefährdete Haushalte ist das Umland als Wanderungsziel nur äußerst selten Option.“
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