Die Corona-Einschränkungen ab Frühjahr 2020 haben viele Menschen in Sachsen nicht nur in ihrer wirtschaftlichen Existenz getroffen, es hat sie auch dazu gezwungen, Wohngeld zu beantragen. Was gerade in Leipzig die Zahl der Wohngeldberechtigten ab März 2020 noch einmal deutlich ansteigen ließ.
Auf das als Ausnahme ermöglichte Instrument, Mietzahlungen vorübergehend auszusetzen, haben die sächsischen Antragsteller lieber weitestgehend verzichtet. Gerade wenn man sowieso schon knapp bei Kasse ist, ist das eher ein Risiko, das die Betroffenen eher nicht eingehen wollten.Oder wie es Staatsminister Thomas Schmidt (CDU) in einer Antwort auf eine Anfrage der Landtagsabgeordneten Juliane Nagel (Die Linke) jetzt formuliert: „lm Austausch mit sächsischen Verbänden nimmt die Staatsregierung wahr, dass nur wenige Mieterinnen und Mieter von der genannten Regelung Gebrauch machen. Vor diesem Hintergrund ist keine weitere Erhebung von konkreten Zahlen über die Verbände erfolgt.“
Stattdessen weist die von seinem Ministerium erhobene Wohngeldstatistik deutlich aus, wie die Zahl der genehmigten Anträge für Wohngeld in Sachsen ab März/April 2020 sofort deutlich anzog, von 35.492 im Februar auf 36.889 im März und 39.317 im April. Ab Mai lagen die Zahlen über 40.000. Und am stärksten stiegen die Zahlen in Leipzig an, das vorher schon die meisten Wohngeldberechtigten im Freistaat aufwies. Oder genauer: wohngeldberechtigten Haushalte, denn meistens steht hinter einem Antrag ja nicht nur eine Person.
Überraschend ist eher, wie schnell die Zahlen anzogen, denn das erzählt davon, wie knapp am Limit mindestens die 5.000 zusätzlichen Empfänger-Haushalte auch vorher schon waren. Wer ohne Puffer und Rücklagen in den ersten Corona-Lockdown geriet, war hier oft schon bei den ersten Zahlungsausfällen darauf angewiesen, Hilfe beim Amt zu holen oder sich gleich in Hartz IV zu melden.
In Leipzig sprang die Zahl der Wohngeldberechtigten schon vom Februar zum März von 4.708 auf 5.001, begann sich auch von den Dresdner Zahlen zu lösen, die im Februar noch auf ähnlicher Höhe lagen (4.536).
Doch während die Zahl der Dresdner Antragsteller nur im Juli und August kurz die 5.000er-Marke übersprang, macht die Leipziger Entwicklung sehr deutlich, wie groß der prekäre Einkommensbereich in der Messestadt nach wie vor ist. Schon im Mai wurde die Marke von 6.044 Anträgen erreicht, im Juli der Spitzenwert von 6.316, was eben bedeutet, dass rund 2.000 Haushalte in dieser kurzen Zeit in die Bedürftigkeit abgerutscht sind.
Wie stark der zweite Lockdown ab November dann zuschlug, kann auch Schmidt noch nicht sagen. Bislang liegen erst die Daten bis September 2020 vor, die zumindest für August und September eine leichte Entspannung andeuteten. Immerhin trafen die Schließungen ab November dann wieder vor allem die kreativen Soloselbstständigen besonders hart, denen mit öffentlichen Auftritten oft der Großteil der Einnahmen wegbrach.
Was durchaus ein Problem werden dürfte für die Kulturstadt Leipzig. Denn wenn man von kreativer Arbeit nicht mehr leben kann, wechselt man lieber in Festanstellungen ohne Kreativität – oder wandert ab.
Im April 2020 hatte Juliane Nagel schon einmal eine Anfrage zu diesem Thema gestellt, aber damals konnte ihr Schmidt überhaupt noch nichts sagen zur Entwicklung der Wohngeldanträge im ersten Lockdown. Die Entwicklung wurde erst mit den jetzt vorgelegten Zahlen sichtbar, auch wenn jetzt die Daten zum langen zweiten Lockdown fehlen.
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