Eigentlich wäre diese Party schon 2020 dran gewesen, gern auch mit Sekt am Monitor oder einem frischen Zahlensalat mit Gurke. Aber die Party fiel aus, genauso wie das Jahrbuch 2019 der Stadt Leipzig. So wurde das Jahrbuch 2020 jetzt die Jubiläumsausgabe – das offiziell 50. Jahrbuch. Kurz vorgestellt in einer Video-Pressekonferenz am Mittwoch, 20. Januar.
Dabei ist die Geschichte des Jahrbuchs an Lücken reich. Lücken aus völlig verschiedenen Gründen. In einem schön bebilderten Textteil im neuen Jahrbuch wird diese Geschichte kurz erzählt. Offiziell erschien das erste Jahrbuch im Jahr 1913, kurz vor dem 1. Weltkrieg.„Den historischen und politischen Gegebenheiten der jeweiligen Zeiten geschuldet ist die Erscheinungsfolge der Jahrbücher nicht frei von Lücken. Bedingt durch den 1. Weltkrieg wurden beispielsweise die Daten der Jahre 1915 bis 1918 in einem Sammelband, der als 5. Ausgabe herausgegeben wurde, zusammengefasst. Auch in den Folgejahren bis zum 2. Weltkrieg wurden ausschließlich Sammelbände publiziert. So umfasste die 6. Ausgabe die Jahre 1919 bis 1926, die 7. Ausgabe die Jahre 1919 bis 1929 und die 8. Ausgabe die Jahre 1929 bis 1937. Letztere Ausgabe enthielt erstmals nicht nur Tabellen, sondern auch einfache Grafiken.“
Und wie zu erwarten, riss der 2. Weltkrieg wieder ein großes Loch in die statistische Berichterstattung.
„Nach dem Ende des 2. Weltkrieges veröffentlichte die Stadt Leipzig erstmals 1948 wieder ein Jahrbuch – ebenfalls als Sammelband mit Daten bis zum Jahr 1945 (9. Ausgabe). Darin wurden auch die bereits im 8. Band veröffentlichen Zahlen der Jahre 1929 bis 1936 nochmals aufgenommen, weil bei dem verheerenden Luftangriff auf Leipzig am 04.12.1943 nicht nur die Archivbestände des Statistischen Amtes, sondern auch die Bestände der 8. Jahrbuchausgabe bis auf wenige Exemplare vernichtet worden waren. Daneben wurden zu der Zeit auch Statistische Monatsberichte veröffentlicht. Die 10. Ausgabe des Jahrbuchs wurde dann allerdings erst 1955 aufgelegt. Die elf zwischen 1956 und 1970 erschienenen Jahrbücher wurden von der Staatlichen Zentralverwaltung für Statistik, Kreisstelle Leipzig, herausgegeben.“
„Bis zum 21. Band von 1970 lag – auch wenn das Jahrbuch nicht jährlich publiziert wurde – zumindest eine fast lückenlose Folge kommunaler Statistikdaten für die Stadt Leipzig vor“, wird das Ende der Reihe beschrieben.
„Mit jener Ausgabe fand diese Tradition infolge zentraler staatlicher Vorgaben dann ein vorläufiges Ende. Zwar erschienen noch bis 1982 Statistische Jahrbücher für den damaligen Bezirk Leipzig, doch enthielten diese nur wenige Daten für die Stadt Leipzig. 1983 wurde auch diese Reihe eingestellt. Erst 1991 konnte vom nun neu gebildeten Amt für Statistik und Wahlen wieder ein Statistisches Jahrbuch für die Stadt Leipzig herausgegeben werden. Es war das 22. seiner Art und schloss in einigen Themenbereichen zumindest teilweise die zuvor aufgerissenen Datenlücken. Seitdem erscheint das Jahrbuch mit Ausnahme von 2019 wieder jährlich, in diesem Jahr in der nunmehr 50. Ausgabe.“
Da ist diese kleine Ausnahme, die nicht weiter erklärt wird. Denn auch andere Berichte aus dem Amt für Statistik und Wahlen kamen ins Stocken oder wurden deutlich geschrumpft.
Was deshalb so verwunderte, weil das Amt seit 1991 gezeigt hatte, dass es sich durch nichts von einer regelmäßigen profunden Berichterstattung abbringen ließ – auch nicht durch Superwahljahre, in denen das Personal besonders in Anspruch genommen wurde. Und die Berichterstattung ist nicht nur notwendig, sondern ist wesentliche Grundlage einer modernen Stadtplanung.
Denn dass sich eine Stadt wie Leipzig ein statistisches Büro zugelegt hat, hängt damit zusammen, dass eine wachsende Großstadt belastbare Daten zu allen wichtigen Lebensbereichen braucht, sonst kann nicht mehr adäquat geplant und verwaltet werden. Und die Verwaltung der Stadt ist mit ihrer zunehmenden Technisierung und Modernisierung auch zunehmend auf wissenschaftliche Basis gestellt worden.
Das vergisst man oft, wenn man es mit all den drögen Vorschriften, Richtlinien und Verwaltungsakten zu tun bekommt, aus denen das tägliche Verwaltungshandeln besteht – bis in die Wortwahl unserer Bürgermeister hinein, die zuweilen klingt wie das Kauen trockenen Papiers. Aber das ist Oberfläche. Manche Leute kommen über die Oberfläche nie hinweg und halten sie für die Wirklichkeit (was leider auch die Wirklichkeitswahrnehmung so manchen Amtsleiters betrifft), aber in einem Großteil der Ämter und Abteilungen arbeitet man sehr datenbasiert und genau – und verzweifelt auch oft daran, dass die eigene profunde Arbeit in kleinen Macht- und Kompetenzkämpfen, Egoismen oder Abstimmungslöchern verloren geht.
Was am Ende teuer wird. Sehr teuer.
Wie die Alten dachten, als sie im Rathaus eine statistische Abteilung gründeten, liest sich so: „Am 1. Mai 1867 wurde in Leipzig das Statistische Bureau gegründet, das in seinen Anfangsjahren verwaltungsorganisatorisch zunächst noch mit dem Stadtarchivariat verbunden war. Leipzig gehörte damit zu den Pionieren. Zuvor waren statistische Ämter 1861 in Bremen, 1862 in Berlin, 1865 in Frankfurt am Main und 1866 in Hamburg eingerichtet worden. Eine der ersten Aufgaben des Statistischen Bureaus war die Ausführung der Volkszählung am 3. Dezember 1867, deren Ergebnisse in den ,Mitteilungen des Statistischen Bureaus der Stadt Leipzig‘ veröffentlicht wurden.“
Und warum war das so wichtig damals? Genau in der Zeit machte Leipzig den Schritt zur Großstadt und übersprang die 100.000-Einwohner-Marke.
Aus Berichten wurden Monatsberichte, aus Monatsberichten ein erstes Jahrbuch.
Seit 2008 gibt es die Jahrbücher auch als PDF-Datei, seit 2011 werden die eintrudelnden Daten auch unterjährig schon online veröffentlicht.
Und natürlich stimmt auch das Fazit: „Die über die Jahrzehnte hinweg publizierten Statistischen Jahrbücher gewähren trotz der bestehenden Lücken nicht nur Einblick in historische Entwicklungen, sondern sind auch wichtige zeitgeschichtliche Dokumente.“
Manchmal liest sich so ein altes Jahrbuch mit gelindem Entsetzen, weil die nackten Zahlen erst im Nachhinein oft erst richtig deutlich machen, durch was für harte Zeiten die Leipziger da gegangen sind. Oft ohne sich dessen überhaupt gewahr zu sein, weil man die harten Zeitbedingungen eben für das Normale ansah. Man denke nur an die 1990er Jahre zurück mit ihrer hohen Arbeitslosenzahl und dem permanenten Bevölkerungsverlust.
Aber selbst zehn Jahre zurück wirken sie wie der Blick in eine fremd gewordene Zeit. 518.862 Einwohner/-innen hatte Leipzig im Jahr 2009. Da hatte sich auch die Verwaltungsspitze erst ganz vorsichtig wieder daran gewöhnt, dass Leipzig wieder wuchs. Obwohl nicht ganz klar war, ob die Zahl stimmte. Der Zensus 2011 ließ die Einwohnerzahl ja regelrecht auf 502.979 abstürzen. 2019 wurden offiziell dann doch wieder 593.145 Leipziger/-innen gezählt. Das ist übrigens die vom Landesamt für Statistik bestätigte Zahl. Die Zahl im Leipziger Melderegister liegt um rund 8.000 darüber, sodass keiner wirklich weiß, wie viele Menschen nun tatsächlich in Leipzig wohnen.
Die Stadtverwaltung neigt dazu, die Zahl aus dem Melderegister zu nehmen, weil sie zumindest davon erzählt, dass diese Menschen auch tatsächlich mit Name und Wohnanschrift hier registriert sind. Die Zensus-Zahlen, mit denen das Land arbeitet, haben ihre Tücken und beruhen auf Hochrechnungen aus Teilerhebungen. Ein Abgleich mit dem Melderegister darf aus Datenschutzgründen nicht erfolgen.
Womit plant man also am besten? Und worauf setzt man seine Prognosen für die Zukunft an? Alles Fragen, die auch Planer zur Verzweiflung bringen können.
Interessenten können die historischen Jahrbücher am Dienstsitz des Amtes für Statistik und Wahlen in der Thomasiusstraße1, Zimmer 207, einsehen, lädt das Amt für Statistik und Wahlen ein.
Die aktuelle Ausgabe des Jahrbuchs 2020 findet man auf der Website des Amtes.
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