In der Leipziger Verkehrspolitik wird ja auch um begrenzte Budgets gekämpft. Und die vergangenen zehn Jahre erscheinen Radfahrer/-innen und ÖPNV-Nutzer/-innen auch deshalb als verlorene Jahre, weil praktisch nichts passiert ist in ihrem Netz. Das sehen die Stadtplaner zwar bestimmt etwas anders. Aber die Bürgerumfrage zeigt eine drastische Veränderung: Auch Autofahrer denken um.
„Defizite werden von jeweils einem Drittel bei ÖPNV und Radverkehr gesehen. Hinzu kommen 27 Prozent, die die größten Probleme beim Kfz-Verkehr sehen sowie 6 Prozent, die den Fußverkehr nennen“, beschreiben die Statistiker in der „Bürgerumfrage 2019“ die Sichtweise auf die Probleme im Leipziger Verkehr.„Auch hier wird, wie bereits im Abschnitt zum Fahrradverkehr, deutlich, dass die Wahrnehmung von Problemen und Handlungsbedarfen stark von der eigenen Verkehrsmittelwahl geprägt wird: Nur 13 Prozent der Befragten, in deren Haushalt kein Pkw vorhanden ist, sehen den Kfz-Verkehr als Verkehrsart mit den größten Defiziten. Unter den Befragten, in deren Haushalt mindestens ein PKW vorhanden ist, liegt der Anteil bei 35 Prozent. Am Stadtrand sehen 43 Prozent der Befragten den Kfz-Verkehr als den Verkehrsmodus mit den größten Defiziten in Leipzig.“
Aber ganz so einfach ist das Bild nicht.
Denn auch die befragten Autofahrer/-innen sagten zu 51 Prozent, dass für den ÖPNV das meiste getan werden müsste – deutlich vor Radverkehr (25 Prozent) und Kfz-Verkehr (24 Prozent).
Das kann natürlich Ergebnis der großen Diskussion um das Mobilitätskonzept der Stadt Leipzig sein, das 2018 vom Stadtrat mit großer Mehrheit angenommen wurde. Das kann aber auch das tägliche Erleben spiegeln und die eigenen Erfahrungen mit dem ÖPNV-Netz, das eigentlich nur den Stand des Jahres 2000 abbildet. Die vergangenen Jahre wurden nicht durch neu eröffnete Strecken bereichert, die Takte wurden nur punktuell verdichtet. Und dass der Innenstadtring zum Nadelöhr geworden ist, bekommen auch Autofahrer mit.
Allein die Lösung des Innenstadtring-Dilemmas ist seit zehn Jahren fällig.
Da ist zwar für Verwaltungshandeln keine Zeit. Für normale Menschen aber eine mächtig lange Zeit im Leben. Wenn man die immer nur mit einem ungenügend funktionierenden System verbringt, ist das ärgerlich. Und entmutigend.
Und da verblüfft natürlich, dass ausgerechnet die Autofahrer den höchsten Bedarf beim ÖPNV sehen. Die Nicht-Autobesitzer sehen zwar auch mit 44 Prozent den höchsten Bedarf beim ÖPNV, aber gleich dahinter kommt mit 38 Prozent der Radverkehr. Noch so eine Dauer-Nichtbaustelle.
Eigentlich wird auch hier deutlich, warum so viele Autofahrer/-innen lieber das Auto behalten: Ihnen fehlen schlicht die attraktiven Alternativen. Das wird besonders deutlich am Stadtrand, wo 50 Prozent der Befragten sagen, dass der ÖPNV mehr Einsatz braucht. Denn dort ist er besonders dünn, wie ja die Diskussion um den Nahverkehrsplan 2019 zeigte.
Die ja auch ans Licht brachte, dass man schon vor vielen Jahren die Planer für neue Straßenbahntrassen einfach eingespart hat. Manches in Leipzig ist nicht mal eine Investitionsfrage, sondern eine Personalfrage. Die wirkt sich mit Planungs- und Bauverzögerungen viel massiver aus.
Und erzeugt dann aus Sicht der befragten Leipziger/-innen ein eindeutiges Bild: Sowohl beim ÖPNV als auch beim Radverkehr sehen sie mit jeweils 34 Prozent die größten Defizite.
Da muss man nicht über eine Mobilitätswende reden. Die kommt erst, wenn die umweltfreundlichen Angebote endlich auf den Stand einer modernen Großstadt gebracht werden. Und das dauert noch. Wenn man die Pläne zum Ausbau des Straßenbahnnetzes anschaut, noch einmal 10 Jahre.
Da sind wir dann alle grantige Senioren, die dann wohl mit Schildern an den Schneckenbaustellen stehen werden, auf denen nur steht: „Haltet euch ran!!!“
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