Lärm ist ein Dauerthema in Leipzig. Und seit ein paar Jahren findet das Thema auch regelmäßig Eingang in die Leipziger Bürgerumfrage. Das war auch 2019 so. Und wenn man bedenkt, wie lange sich Leipzig nun mit Lärmschutz und Lärmminderungsplänen herumschlägt, verblüfft es schon, dass sich vom Gefühl her bei den betroffenen Leipziger/-innen nicht viel geändert hat.
22 Prozent fühlten sich zum Beispiel auch 2019 vom Kfz-Lärm stark bis sehr stark belastet. Zwei Jahre zuvor lag der Wert bei 24 Prozent.Kfz-Lärm ist und bleibt damit die Lärmquelle Nummer eins, in einigem Abstand gefolgt von Straßenbahnen, die auch sehr laut sein können – die aber deutlich weniger Straßen befahren als Autos und Krafträder.
Aber auch hier scheint sich seit 2015 nicht viel geändert zu haben. Wie damals empfanden auch 2019 satte 14 Prozent der befragten Leipziger/-innen den Straßenbahnlärm als belastend. 11 Prozent merkten an, dass Baustellenlärm ihr Leben vergällt, Veranstaltungslärm wurde von 8 Prozent der Befragten genannt. Auch das alles Werte, die sich seit 2015 praktisch nicht verändert haben.
Verblüffend hingegen ist, dass in zwei Kategorien die Belastung scheinbar gesunken ist, obwohl sich da nichts zum Besseren verändert hat: Beim Eisenbahnlärm sank die Belastungsquote von 7 auf 4 Prozent, beim Fluglärm erstaunlicherweise von 7 auf 5 Prozent.
Haben die Leute da rund um den Flughafen also einen falschen Eindruck? Sind sie zu sensibel?
Die Antwort könnte ganz woanders liegen, nämlich in den Wachstumsgebieten der Stadt. Und das sind vor allem die innenstadtnahen Wohnquartiere, wo Eisenbahn- und Fluglärm tatsächlich eine untergeordnete Rolle spielen, der Lärm von Autos, Krädern und Straßenbahnen aber allgegenwärtig ist.
Das wird deutlicher, wenn man sich die beigefügten Karten im Bericht zur Bürgerumfrage anschaut. Dann sieht man, wie stark sich die Belastung durch Kfz- und Straßenbahnlärm im Stadtinneren konzentriert. Bei Kfz-Lärm noch ergänzt durch ein hochbelastetes Stück Leipzig im Nordosten, dort, wo Leipziger Wohngebiete an die Autobahn grenzen.
Schon beim Eisenbahnlärm verschieben sich die Belastungsgebiete Richtung Stadtrand.
Und beim Fluglärm wird das Bild dann ganz eindeutig – eigentlich sogar noch eindeutiger als bei vorhergehenden Befragungen: Sämtliche Ortsteile im Leipziger Norden und Nordwesten weisen Belastungsquoten deutlich über 20 Prozent aus.
So stellen es auch die Autor/-innen des Berichts fest: „Prägnant ist das räumliche Muster zur Fluglärmbelastung: Zwar steht die Belastung durch diesen Lärm insgesamt nur an fünfter Stelle, kleinräumig treten jedoch große Unterschiede auf, denn in Flughafennähe wird die Lärmbelastung deutlich stärker eingeschätzt: In Burghausen-Rückmarsdorf, Böhlitz-Ehrenberg, Wiederitzsch und Lindenthal empfinden über ein Viertel der Bewohner/-innen den Fluglärm als (sehr) starke Belastung. In Lützschena-Stahmeln und Seehausen sind es sogar 59 beziehungsweise 69 Prozent. In Seehausen stellt der Fluglärm im Übrigen den höchsten Belastungswert aller Lärmquellen in allen Ortsteilen dar.“
Logisch, dass immer mehr Leipziger den Lärmschutz noch wichtiger finden. Immerhin 78 Prozent der Befragten fanden Lärmschutz schon 2015 wichtig, 2019 waren es 82 Prozent.
Doch was nutzen eigentlich alle Lärmschutzpläne, wenn das Ergebnis keine signifikante Besserung mit sich bringt? Man kann doch flüchten, dachten sich Leipzigs Statistiker/-innen: „Eine Möglichkeit, dem Lärm in der Stadt zu entgehen, bieten Grünflächen. 83 Prozent der Leipzigerinnen und Leipziger geben an, dass sie in der Nähe ihres Wohngebiets fußläufig eine Grün- oder Erholungsfläche aufsuchen können, in der sie sich nicht durch Verkehrslärm beeinträchtigt fühlen.“
Diese Grünflächen gibt es ja bekanntlich. Und zumindest gaben 83 Prozent der Befragten an, dass diese Grüninseln von ihrer Wohnung aus auch fußläufig erreichbar sind. Was natürlich auch erklärt, warum die beliebtesten Wohngebiete alle in Auwaldnähe liegen. Ob es etwas nutzt, haben die Statistiker freilich nicht angefragt. Denn richtig störend wird Lärm ja vor allem in der Wohnung, wenn man mal abschalten oder gar schlafen möchte.
Und bei Fluglärm nutzen auch keine Parks und Wälder. Was jeder weiß, der im nördlichen Auwald mal unterwegs war, wenn die Deutsche Flugsicherung mal wieder meinte, die Frachtflieger unbedingt über die Kurze Südabkurvung schicken zu müssen. Was ja einer der Kritikpunkte der Stadt Leipzig auch am neuen Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau des Flughafens ist. Wenn es um Umwelt- und Gesundheitsschutz geht, zeigen sich die für den Flughafen Verantwortlichen seit Jahren unbelehrbar. Wahrscheinlich, weil niemand von ihnen in Leipzig wohnt und schon gar nicht im Leipziger Nordwesten.
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