Es wird nicht lange dauern, da werden es auch die ersten Manager und Wirtschaftsinstitute begreifen, dass das Jahr 2020 ein Jahr der Chancen war und die Corona-Pandemie geradezu eine Steilvorlage, endlich die Weichen zu stellen zu einer nachhaltigen, klimaverträglichen und robusten Zukunftswirtschaft. Denn dass Wirtschaft künftig anders funktionieren muss, war auch vor Corona schon klar. Selbst die Arbeitsmarktzahlen erzählen davon.
Insgesamt waren Ende November in der Stadt Leipzig 24.544 Menschen als arbeitslos registriert, 696 weniger als im Oktober. Im Vergleich zum November 2019 lag die Arbeitslosigkeit um 6.137 Personen oder 33,3 Prozent höher.
Aber in diesen Zahlen steckt nun einmal auch der hochgradig gefährdete Bereich, den die Corona-Einschränkungen auch direkt getroffen haben.
„Zum dritten Mal seit Beginn der Corona-Krise ist die Arbeitslosigkeit in Leipzig zum zurückliegenden Monat gesunken. Die Zahl der Abmeldungen von arbeitslosen Menschen in eine neue Erwerbstätigkeit ist hoch und gleichzeitig haben sich weniger Menschen arbeitslos gemeldet. Die Nachfrage nach Arbeitskräften ist zwar gesunken, aber der übliche Herbstaufschwung hat auch in diesem Jahr Menschen in neue Beschäftigungsverhältnisse gebracht“, interpretiert der Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit in Leipzig, Steffen Leonhardi, die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt im November 2020.
Beim Zugang an offenen Arbeitsstellen verzeichnete der gemeinsame Arbeitgeberservice von Arbeitsagentur und Jobcenter Leipzig im November einen Rückgang gegenüber dem Vormonat. Die Wirtschaft und die Verwaltung haben in den letzten vier Wochen 1.578 freie Stellen, das waren 637 weniger als im davorliegenden Monat und 182 weniger als vor einem Jahr, zur Besetzung gemeldet.
„Der Rückgang beim Stellenzugang war ein Zeichen für die nachlassende Nachfrage nach Arbeitskräften unter den aktuell verschärften Corona-Bedingungen“, meint Leonhardi. Aber genau das ist die Stelle, an der die Arbeitsagentur nicht nur interpretieren kann. Welche Branchen brauchen jetzt wirklich Leute? Und wo ist die Statistik der freien Stellen verzerrt?
Tatsächlich steht der Stellenmarkt regelrecht nackt da: Aber wie groß der Anteil realer Stellen ist, die inzwischen durch Leiharbeitsfirmen vermittelt werden, macht die Tatsache deutlich, dass von den 8.500 angebotenen Stellen 4.495 im November durch Leiharbeitsfirmen inseriert wurden.
Und das bedeutet eben, dass viele Unternehmen die komplette Suche nach neuen Mitarbeiter/-innen an Zeitarbeitsagenturen ausgelagert haben. Man kümmert sich nicht mehr selbst ums Recruiting, sondern lässt sich die Leute vermitteln.
Besonders stark ausgeprägt ist das in den Bereichen „Rohstoffgewinnung, Produktion, Fertigung“ und „Verkehr, Logistik, Schutz und Sicherheit“, die zwar jeweils rund 2.000 freie Stellen anbieten – aber fast alle vermittelt über Leiharbeitsfirmen.
Was nicht heißt, dass es in anderen Berufsgruppen nicht genauso zugeht. Als wäre da ein riesiges Fachkräftepotenzial, auf das man einfach nur mit spitzen Fingern zugreifen kann.
Dabei erzählt der Leipziger Arbeitsmarkt von zunehmenden Engpässen bei vielen qualifizierten Fachkräften. Auch wenn die jüngsten Beschäftigtenzahlen nach wie vor nur aus dem März stammen. In Leipzig gab es im März insgesamt 275.915 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte, davon – nur noch, muss man sagen – 12.232 in der Zeitarbeit, 551 weniger als im Vorjahresmonat, über 1.700 weniger als im Jahr davor.
Bis zum Ausbruch der Coronakrise war Leiharbeit also deutlich auf dem Rückgang. Und es steht nicht wirklich zu vermuten, dass sich das durch Corona ändert. Denn wenn Unternehmen ihre qualifizierten Stellen endlich besetzt bekommen, behalten sie die Leute in der Regel und übernehmen sie auch meist als Festangestellte.
Denn auch künftig werden die Ausbildungsjahrgänge nicht reichen, um alle qualifizierten Stellen auch zu besetzen. Und auch der Staat sucht weiter, auch wenn das in der Meldung der Arbeitsagentur etwas anders klang. 1.165 Stellen waren im November auch weiterhin im Bereich „Gesundheit, Soziales, Lehre u. Erziehung“ unbesetzt (der Mangel an Pflegepersonal wurde ja nun während der Corona-Pandmie oft genug thematisiert).
Und dazu kommt, dass nach wie vor risikoreiche und umweltschädliche Jobs in fossilen Branchen konkurrieren mit Arbeitsplätzen in zukunftsfähigen Bereichen. Jobs, die mit Milliardenhilfen auch in der Coronakrise wieder subventioniert wurden, während das ganze Land vor der riesigen Aufgabe steht, endlich klimaneutral zu werden.
Aber das hat nicht einmal die Bundeskanzlerin begriffen, die sich seit 2011 so gern als Klimakanzlerin titulieren lässt, in Wirklichkeit aber nur Politik für die großen Fossilkonzerne der Deutschland AG macht.
Am Montag, 30. November, erklärte sie laut „Spiegel“ tatsächlich wieder: „,Wir müssen auch immer an unsere industrielle Kraft denken‘, betonte die Kanzlerin mit Blick auf Maschinenbau und Autoindustrie. Nach der Pandemie stehe Europa vor einem großen Wettbewerb. Die EU dürfe die Industrie daher nicht ,vor eine Transformation stellen, die gar nicht zu bewältigen ist, sondern es muss auch machbar sein‘.“
Das ist nur noch eine Ausrede. Die davon zeugt, wie sehr die Lobbyarbeit der alten fossilen Konzerne funktioniert, die sich gegen Regelungen und Abgaben, die die alten, klimazerstörenden Gewohnheiten beenden, mit direktem Einfluss in allen CDU- und CSU-geführten Ministerien wehren und erst das Bild erzeugen, die Anforderungen zur Klimaneutralität würden sie heillos überfordern, während sie zukunftsfähige Branchen (siehe nur das Ausbremsen von Windkraft und Wasserstofftechnologie) mit aller Macht behindern.
Der November-Arbeitsmarkt in Zahlen
Der Rückgang der Arbeitslosigkeit im Vergleich zum Vormonat Oktober betrug bei den Unter-20-Jährigen 72 (- 14,5 Prozent) auf 426 und bei den Unter-25-Jährigen 251 (- 10,1 Prozent) auf 2.225. Zum Vorjahres-November lag der Anstieg bei den beiden Altersgruppen bei 17,1 und 41,0 Prozent.
Bei den Lebensälteren, in der Altersgruppe ab 50 Jahren, sank die Arbeitslosigkeit um 21 auf 6.601 Personen (Vorjahr: 5.242).
Auch die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist im zurückliegenden Monat in Leipzig gewachsen. Gegenüber dem Vormonat stieg sie um 193 auf 6.975. Im Vergleich zum November 2019 gab es 2.540 langzeitarbeitslose Menschen mehr. Das entsprach einem Anstieg um 57,3 Prozent.
In den letzten vier Wochen betrug der Zugang aus der Erwerbstätigkeit in die Arbeitslosigkeit 2.021 (Oktober + 2.391). In Erwerbstätigkeit abgemeldet haben sich im gleichen Zeitraum 2.292 (Oktober 2.432) vorher arbeitslose Menschen.
Zum statistischen Zähltag im November betrug die Arbeitslosenquote in der Stadt Leipzig 7,7 Prozent (Vormonat: 7,9 Prozent). Im November 2019 lag die Quote noch bei 5,9 Prozent, dem Tiefstand seit Anfang der 1990er Jahre.
Im November waren 8.970 Menschen in der Arbeitsagentur im Rechtskreis SGB III arbeitslos gemeldet. Das waren 455 weniger als im Vormonat und 2.833 mehr als vor einem Jahr. Im Jobcenter Leipzig im Rechtskreis SGB II waren 15.574 Menschen arbeitslos registriert. Das waren 241 weniger als im Oktober und 3.304 mehr als vor einem Jahr.
In Leipzig gab es im November 32.810 Bedarfsgemeinschaften. Das waren 191 weniger als im Vormonat und 901 mehr als im November des Vorjahres.
Das Jobcenter Leipzig betreut aktuell 41.082 erwerbsfähige Leistungsberechtigte. Im Vergleich zum Vormonat betrug der Rückgang 248. Im Vergleich zum Vorjahr wuchs die Zahl um 875 Personen.
Entwicklung in der Kurzarbeit
Insgesamt haben seit Jahresbeginn 7.343 Leipziger Betriebe in der Agentur für Arbeit Kurzarbeit angezeigt. In diesen Betrieben arbeiten 99.560 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte. Besonders betroffen sind Unternehmen der Gastronomie (853), des Einzelhandels (768) und des Gesundheitswesens (717). Die Zahl der Anzeigen stieg nach Monaten des Rückgangs wieder an.
Nach der bisherigen Abrechnung der Kurzarbeit durch die Betriebe in der Coronakrise haben im März 2.904, im April 4.759, im Mai 4.117, im Juni 3.011 und im Juli 2.282 Betriebe Kurzarbeit abgerechnet.
Kurzarbeitergeld wurde durch die Betriebe im März für 30.619, im April für 50.956, im Mai für 42.114, im Juni für 24.394 und im Juli für 16.833 Beschäftigte bezogen.
„Wir sehen, dass der Monat April der Höhepunkt bei den erstmaligen Anzeigen und auch beim Abrechnen der Kurzarbeit war. Im Mai wurde Kurzarbeit bereits etwas weniger, aber auf einem weiterhin hohen Niveau in Anspruch genommen. Dann sanken die Zahlen deutlich von Monat zu Monat bevor sie seit Oktober erneut anstiegen. Kurzarbeit ist und bleibt das Mittel, um Arbeitslosigkeit zu verhindern und den Betrieben ihre Fachkräfte zu erhalten“, so Leonhardi zu den aktuellen Kurzarbeiterzahlen.
Leipziger Zeitung Nr. 85: Leben unter Corona-Bedingungen und die sehr philosophische Frage der Freiheit
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