„Wer ging wählen und wer nicht?“, fragt Falk Abel in seinem Beitrag zur Auswertung der beiden Befragungen zur Leipziger Oberbürgermeisterwahl am 2. Februar und 1. März. Mit denen wollte das Amt für Statistik und Wahlen tatsächlich herausbekommen, welche Bevölkerungsgruppen in Leipzig eigentlich OBM-Wahlen besonders stark beeinflussen. Die sind ja nicht ganz unwichtig, auch wenn sie nur alle sieben Jahre stattfinden.

Und wenn sie stattfinden, sorgen sie in der heißen Wahlkampfphase für viel Aufregung, werden danach aber sehr schnell wieder vergessen, wenn wieder die Mühen der Ebene den politischen Alltag bestimmen. Und Februar und März? Die wirken gerade in diesem Corona-Jahr längst so lange her, dass sie wie Märchen aus einer anderen Zeit wirken.

Und dieser politische Alltag ist auch nicht leicht zu verdauen. Und wie es aussieht, überfordert er auch viele Menschen, die sich weder für das aktuelle politische Geschehen in ihrer Stadt interessieren, noch zu OBM-Wahlen gehen.

Genau das legen die Befragungsergebnisse zumindest nahe.

„Soziale Selektivität bei Wahlen und Abstimmungen ist wissenschaftlich in vielen Studien nachgewiesen“, geht Falk Abel auf das Themenfeld ein. „Bevölkerungsgruppen mit höherem sozialen Status und besserer Ressourcenausstattung gehen häufiger wählen und bestimmen somit demokratische Prozesse stärker als Gruppen mit geringerer sozial-struktureller Ressourcenausstattung. Die nachfolgende Analyse nimmt sozio-demografische und sozio-ökonomische Merkmale von Wählerinnen und Wählern in den Blick und vergleicht die Relationen mit der Gesamtbevölkerung. Dies lässt Schlüsse auf ein selektives Wahlverhalten zu.“

Verglichen haben die Statistiker die beiden Befragungsergebnisse mit den Ergebnissen aus der Kommunalen Bürgerumfrage 2019, die zumindest einen Vergleich zwischen den dort relativ gut erfassten sozialen Gruppen und den Wähler/-innen, die tatsächlich zur Wahl gegangen sind, ermöglicht. Und schon beim ersten Punkt fällt auf, dass Erwerbstätige etwas häufiger von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen als Rentner/-innen. Ihr Anteil an den Wähler/-innen ist um zehn Prozent höher gewesen als ihr realer Anteil an der gesamten wahlberechtigten Bevölkerung.

Die Wählergruppen nach höchstem beruflichen Abschluss. Grafik: Stadt Leipzig, Quartalsbericht 1 / 2020
Die Wählergruppen nach höchstem beruflichen Abschluss. Grafik: Stadt Leipzig, Quartalsbericht 1 / 2020

Was ja logisch ist: Politik – auch die auf lokaler Ebene – greift direkt in ihr Erwerbs- und Familienleben ein. Das, was in der Stadt entschieden wird, beeinflusst ihr Leben, mit den Entscheidungen müssen sie auskommen.

„Tendenziell ist der Anteil der Erwerbstätigen unter der Wählerschaft (64 Prozent im ersten Wahlgang, 69 Prozent im zweiten Wahlgang) höher als in der Stadt insgesamt (59 Prozent). Rentnerinnen und Rentner haben hingegen – insbesondere beim zweiten Wahlgang – vergleichsweise seltener von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht“, so Abel. Was auch den Versuch des CDU-Kandidaten Sebastian Gemkow, mit dem absoluten Rentner-Thema ‚Sicherheit‘ im Endspurt punkten zu wollen, ad absurdum führt. Er hat die älteren Wählergruppen damit nicht zusätzlich mobilisieren können.“

Aber noch deutlicher waren zwei andere Erkenntnisse aus der Wählerbefragung.

Die erste, so Abel: „Deutlich größer sind die Unterschiede bei Betrachtung des höchsten beruflichen Abschlusses. So ist der Anteil der Befragten, die einen Hochschulabschluss haben, bei beiden Wahlgängen (59 bzw. 62 Prozent) mehr als doppelt so hoch wie in der Stadt insgesamt (28 Prozent). Gleichzeitig sind Personen mit Berufsausbildung bei den Wählerinnen und Wählern (31 bzw. 29 Prozent) im Vergleich zur Stadtbevölkerung (56 Prozent) deutlich unterrepräsentiert. Gleiches gilt für Personen ohne Berufsabschluss. Akademikerinnen und Akademiker sind also deutlich häufiger wählen gegangen als Befragte ohne akademischen Abschluss.“

Kann es sein, dass Demokratie vor allem eine Sache für hochgebildete Menschen ist? Fühlen sich Menschen ohne Hochschulabschluss nicht angesprochen oder gar überfordert? Oder sind sie sogar froh, dass sie die „schwere Sache Politik“ an die mit den höheren Abschlüssen delegieren können, obwohl die politischen Entscheidungen ja auch in ihr Leben eingreifen?

Eine spannende Frage. Denn höherer Bildungsabschluss bedeutet in Leipzig nun einmal oft auch eine höher dotierte Arbeitsstelle.

Falk Abel: „Die nach dem höchsten beruflichen Abschluss betrachteten Unterschiede bei der Wahlteilnahme zeigen sich ähnlich beim Einkommen. So sind Personen mit einem persönlichen monatlichen Nettoeinkommen unter 1.000 Euro deutlich seltener zur Wahl gegangen. Bei Personen mit einem Einkommen ab 3.000 Euro war die Wahlteilnahme hingegen überdurchschnittlich.“

Aber selbst bei den für Leipzig normalen Einkommen zwischen 1.000 und 2.000 Euro gingen anteilig weniger Wahlberechtigte zur Wahl, was dann zu einer deutlichen Verschiebung des Gewichtes zugunsten der besserverdienenden Wählergruppe geführt hat. Laut kommunaler Wählerumfrage macht diese Gruppe eigentlich nur 27 Prozent an den Wahlberechtigten aus. Aber an denen, die dann wirklich den OBM am 1. März gewählt haben, machte diese Gruppe dann 42 Prozent aus.

Was übrigens nicht bedeutet, dass die Besserverdienenden am Ende auch den SPD-Kandidaten Burkhard Jung, der die Wahl knapp gewann, auch gewählt haben.

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