Wer die Leipziger Bürgerumfragen genau liest, merkt schnell, wie diese „Boomstadt“ im Osten mit viel Kreativität aus ziemlich wenig Geld etwas Vorzeigbares macht. Man hört jedes Mal das Seufzen der Leipziger Statistiker, wenn sie nach der jüngsten Bürgerumfrage wieder feststellen, dass der Anteil des Wohneigentums einfach nicht gewachsen ist. Nur 14 Prozent leben in den eigenen vier Wänden. So niedrig ist der Wert auch noch in Berlin, der anderen „Arm aber sexy“-Stadt im Osten.

Und der Anteil wächst nicht, egal, welche neuen Rekordhöhen das Bevölkerungswachstum erreicht. Oder das Durchschnittseinkommen. Aber natürlich liegt es am Einkommen. Jeder vernünftige Immobilienmakler rechnet es mit seinen Kunden durch, ob sie sich den Erwerb von Wohneigentum überhaupt leisten können.

Das Ergebnis: Die Leipziger Normaleinkommen reichen überhaupt nicht, um auch nur an den Erwerb eines Hauses oder einer Wohnung zu denken. Schon gar nicht mit den rasant gewachsenen Preisen der letzten Jahre. Mancher erbt vielleicht Oma ihr klein Häuschen. Dann wohnen auch schon mal Menschen mit Haushaltsnettoeinkommen unter 2.000 Euro drin. Das gibt es auch.

Aber die simple Wahrheit ist: Haushalte mit Nettoeinkünften unter 2.300 Euro leben in Leipzig nur zu maximal 13 Prozent in Wohneigentum. Ihnen nutzen auch die ganzen Förderprogramme nichts. Es kommt kein belastbarer Finanzierungsplan für Wohneigentum dabei heraus.

In der Auswertung der „Bürgerumfrage 2018“ haben Leipzigs Statistiker einmal grafisch dargestellt, ab wann es eigentlich ganz selbstverständlich ist, dass sich Leipziger Wohneigentum kaufen. Und der Knackpunkt liegt irgendwo bei 3.200 Euro netto. Ab da steigt die Kurve steil an, wird es geradezu zum Lebensmodell, in den eigenen vier Wänden zu wohnen.

Zwar wohnen bei den Haushalten, die mindestens 3.200 Euro monatlich zur Verfügung haben, trotzdem noch 63 Prozent zur Miete (Stadtdurchschnitt 2018: 84 Prozent). Aber bei Haushaltseinkommen über 5.000 Euro kehrt sich das Verhältnis um, wird die eigene Immobilie tatsächlich zur sicheren Wertanlage.

Wohneigentum nach Haushaltseinkommen. Grafik: Stadt Leipzig, Bürgerumfrage 2018
Wohneigentum nach Haushaltseinkommen. Grafik: Stadt Leipzig, Bürgerumfrage 2018

Leipzig ist und bleibt also eine Mieterstadt. Der Anteil der Mieterhaushalte bewegt sich mit 86 Prozent (Bürgerumfrage 2019) im langjährigen statistischen Mittel, stellt denn auch das Amt für Statistik und Wahlen fest. Was eben auch bedeutet, dass steigende Mieten für die meisten Leipziger ein Problem sind – und zwar eines, das wächst.

Für 34 Prozent der Leipziger/-innen gehören die Wohnkosten zu den drängendsten Problemen der Stadt. 2018 lag der Wert mit 37 Prozent zwar etwas höher. Aber mittlerweile gab es ja mehrere Vorstöße im Stadtrat, die Mieten zu deckeln oder mit Milieuschutzsatzungen in den Griff zu bekommen.

Und – so betont Statistikerin Dr. Andrea Schultz – die Mieten steigen in Leipzig bislang noch relativ parallel zu den Einkommen.

So betrugen die Kaltmieten (Bestandsmieten) 2018 im Mittel (Median) 6,03 Euro pro Quadratmeter. Seit 2012 sind sie jedes Jahr angestiegen. Damals lagen sie noch bei 5,12 Euro.

Angebotsmieten sind alle derzeit üblichen Mieten. Jeder Befragte in den Bürgerumfragen gibt ja an, was er augenblicklich zahlt. Wenn also die Angebotsmieten steigen und mehr Menschen auch in den teureren Wohnungen wohnen, erhöht das logischerweise auch den Durchschnittswert aus den Bürgerumfragen.

Und nicht jede Einkommensgruppe hat dieselben Spielräume, das wegzustecken. Am heftigsten treffen Mieterhöhungen alle Einkommen unter 1.100 Euro im Monat: Diese Einkommensklassen haben im Schnitt Mietbelastungen von 45 Prozent. Und das betraf auch 2019 immer noch 20 Prozent aller Haushalte. Der Wert sinkt zwar seit Jahren. 2010 gehörten noch 33 Prozent der Leipziger Haushalte zu der Gruppe.

Entwicklung der Bestandsmieten in Leipzig. Grafik: Stadt Leipzig, Bürgerumfrage 2019
Entwicklung der Bestandsmieten in Leipzig. Grafik: Stadt Leipzig, Bürgerumfrage 2019

Aber das bedeutet eben trotzdem, dass jeder fünfte Leipziger bestenfalls mal träumen kann von einer eigenen kleinen Hütte. Und auch die Einkommensgruppe darüber – die zwischen 1.100 und 2.300 Euro – bleibt eher beim Träumen. Denn ihre Mietbelastung am monatlichen Budget liegt bei 30 Prozent – konstant seit Jahren. Auch davon kann man keine Extra-Raten für Wohneigentum abzwacken. Das betrifft immerhin 43 Prozent der Leipziger Haushalte.

Und auch in der Einkommensgruppe von 2.300 bis 3.200 Euro werden die Spielräume noch nicht so groß, dass tatsächlich eine sichere Planung für Wohneigentumserwerb möglich ist. Dafür kann man sich etwas teurere Mietwohnungen leisten, denn die Mietbelastung in dieser Einkommensgruppe liegt hier nur bei 23 Prozent.

Was dann zumindest ein durchwachsenes Bild ergibt: 20 Prozent der Leipziger Haushalte haben so gute Einkommen (über 3.200 Euro), dass Wohneigentum in den Bereich des Möglichen rückt. Sie sind von den Sorgen der Gentrifizierung nicht betroffen. Darum sorgen sich eher die 63 Prozent der Leipziger Haushalte, deren Mietbelastungsquote schon bei 30 Prozent und darüber liegt, wo jede Mieterhöhung also sofort ans Eingemachte geht.

Und dazu kommt natürlich, dass die Finanzierung von Wohneigentum lange Zeiträume fester Beschäftigung in gut bezahlter Arbeit braucht, damit feste Raten bezahlt werden können. Etwas, was in Leipzig über 20 Jahre fast undenkbar war und bis heute für Verwerfungen und manifeste Armut selbst in Altersgruppen sorgt, wo man eigentlich längst auf festen finanziellen Füßen stehen müsste. Doch gerade ältere Leipziger Erwerbstätige bezahlen noch heute die Kosten der Transformationsjahre – mit schlechten Einkommen, lückenhaften Erwerbsbiografien und absehbar niedrigen Altersrenten.

Dazu mehr im nächsten Beitrag zum Thema.

Der ernüchternde Blick in die Peanuts-Welt der Leipziger Solo-Selbstständigen

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