Am Dienstag, 30. Juni, stellte das Amt für Statistik und Wahlen gleich zwei wichtige Veröffentlichungen vor: zum einen die lang erwartete Auswertung der „Bürgerumfrage 2018“, zum anderen schon einmal den kleinen Schnellbericht zur „Bürgerumfrage 2019“. Der hat es natürlich in sich, auch weil er zum Beispiel ein großes Diskussionsthema aufgreift: das 365-Euro-Jahresticket.
Beschlossen hat der Stadtrat ja 2019, dass der Oberbürgermeister prüfen soll, ob und wie so ein Jahresticket für 365 Euro bei den Leipziger Verkehrsbetrieben (LVB) in den Jahren 2021, 2024 oder 2027 eingeführt werden könnte. Das wird nicht ohne Anschubfinanzierung funktionieren. Und es funktioniert natürlich nicht, wenn nicht noch mehr Leipzigerinnen und Leipziger als bisher zu Stammkunden der LVB werden.
Rund 3.000 Befragte haben dazu in der „Bürgerumfrage 2018“ Stellung genommen. Dass nicht gleich 100 Prozent melden würden, sie würden bei Existenz so eines Tickets ein Abonnement abschließen, war zu erwarten. Wir leben ja in einer Zeit, in der sich auch Mobilitätsgewohnheiten erst so langsam ändern. Nach wie vor (so zeigen es die Umfrageergebnisse von 2018) fahren 43 Prozent der Leipziger/-innen mit dem Auto zur Arbeit, 24 Prozent nehmen das Fahrrad, 25 Prozent nutzen den ÖPNV. Das ist der maßgebliche Ausgangswert.
Wobei immer zu bedenken ist, dass Bus und Bahn eben nicht nur in Konkurrenz zum Auto stehen, sondern auch zur Alternative Fahrrad oder gar dem zu Fuß gehen. Gerade jetzt in Corona-Zeiten, auch wenn weder die Bürgerumfrage von 2018 noch die von 2019 auch nur mit der Ahnung behaftet waren, dass Leipzig 2020 mit einer Corona-Welle zu tun bekommen würde.
In der „Bürgerumfrage 2019“ fanden es nun 44 Prozent der Befragten eher bis sehr unwahrscheinlich, dass sie sich ein solches Jahresticket holen würden. Das müssen nicht nur Menschen sein, die unbedingt am Pkw festhalten möchten. Das können auch Gelegenheitsnutzer sein, die ihr Verkehrsmittel je nach Ziel und Gelegenheit ändern. Wer meistens mit dem Rad unterwegs ist, wird auch eher mal sporadisch ein Ticket kaufen, wenn das Wetter zu schlecht ist, aber eher kein Abo.
18 Prozent der Befragten waren übrigens unentschieden, sind also mental in dem Raum, wo sie sich mit der möglichen Einführung so eines Tickets zwar beschäftigen, aber noch keinen überzeugenden Grund sehen, es auch zu kaufen. Zum Beispiel auch, weil ihnen das Fahrplan-Angebot noch nicht genügt.
Zum Jahresende 2019 hatten die LVB übrigens 116.937 Abonnenten, was ungefähr 19,5 Prozent verglichen mit der Leipziger Einwohnerschaft ausmachte.
Wie groß ist also das Potenzial, das die LVB tatsächlich erschließen könnten, wenn man die Meinungen der Befragten ernst nimmt?
20 Prozent sagten in der Bürgerumfrage, dass sie „sehr wahrscheinlich“ ein 365-Euro-Ticket kaufen würden (eine noch festere Kategorie wurde nicht abgefragt). Und 18 Prozent kreuzten die Aussage an, dass sie „eher wahrscheinlich“ ein solches Ticket kaufen würden.
Das heißt: Das Potenzial möglicher Abonnenten bei einem solchen Ticketpreis wäre fast doppelt so groß wie der existierende Abonnenten-Pool. Die Umfrage bestätigt also das Potenzial bei Einführung eines solchen Tickets.
Was von der Frage ergänzt wurde: „Befürworten Sie die Einführung eines 365-Euro-Tickets?“
Und das Ergebnis: Nur 22 Prozent der Leipziger/-innen sind prinzipiell gegen ein 365-Euro-Ticket.
Warum und weshalb, das verrät die Kurzauswertung nicht. Und bei den anderen gibt es eigentlich auch keine Differenz, außer dass 23 Prozent der Befragten sogar bereit wären, mehr Abgaben oder Steuern zu zahlen, um die mögliche Finanzierungslücke beim 365-Euro-Ticket zu schließen. Eigentlich eine verblüffend große Zahl von Menschen, die hier eigentlich im Sinne der Allgemeinheit (und des Klimaschutzes) handeln würden, damit Leipzig ein 365-Euro-Ticket bekommt.
54 Prozent der Befragten begrüßen zwar ein 365-Euro-Ticket, wären aber nicht bereit, dafür höhere Abgaben zu zahlen. Was auch verständlich ist. Für einen Großteil der Leipziger/-innen ist das 365-Euro-Ticket ja deshalb ein Traum, weil es endlich ihr knappes Haushaltsbudget entlasten würde. Da macht dann die Erhöhung städtischer Abgaben nicht wirklich Sinn. Aber dass 77 Prozent der Leipziger/-innen hinter dem Projekt eines 365-Euro-Tickets stehen, dürfte Verwaltung und LVB Rückenwind geben, ernsthaft daran zu arbeiten. Und zwar auf allen Ebenen – bei der Suche nach der richtigen Finanzierung, beim Ausbau des Angebots und in der Kommunikation mit all jenen, die sich ein solches Abo vorstellen könnten, aber noch unsicher sind.
LVZ singt das nächste Abschiedslied fürs Leipziger 365-Euro-Ticket
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