Heute ist der Tag, der den aktuellen Gender Pay Gap in Deutschland bezeichnet. Der Gender Pay Gap beziffert die Lohnlücke zwischen vollzeitbeschäftigten Frauen und Männern. Die Arbeitsagentur Sachsen nimmt die Gelegenheit wahr, ein wenig zu analysieren, warum auch in Sachsen Frauen deutlich weniger verdienen als Männer. Auch wenn sich die rechnerische Lücke mit 7,5 Prozent erst einmal weniger dramatisch ausnimmt als die bundesweiten 20,8 Prozent.
Zur Grundlage nimmt die Abeitsagentur eine IAB-Studie von 2017.
Danach lag 2017 der Gender Pay Gap in Sachsen bei 7,5 Prozent und fällt damit deutlich niedriger aus als im gesamten Bundesgebiet (20,8 Prozent). Mit diesem Gender Pay Gap liegt Deutschland im EU-Ranking auf Platz drei – nach Estland und Tschechien.
Die Gründe für die Lohnunterschiede liegen in der Beschäftigungs- und Betriebsstruktur, erklärt dazu die Arbeitsagentur Sachsen. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte wird deutlicher, wenn es um Berufe und Arbeitsstellen geht, die Frauen bevorzugt annehmen. Diskriminierung fängt nämlich genau hier an.
Der Gender Pay Gap lässt sich in zwei Teile aufteilen: der Teil der Lohnlücke, der sich anhand der unterschiedlichen Charakteristika von Frauen und Männern erklären lässt und der unerklärte Teil der Lohnlücke, der den Teil der Lohnlücke umfasst, den man nicht beobachten bzw. messen kann.
Vergleicht man Frauen und Männer, die sich hinsichtlich ihrer individuellen, betrieblichen und regionalen Merkmale ähneln, wäre der Entgeltunterschied mit 11,4 Prozent größer. Das heißt, Frauen verfügen über lohnrelevante Eigenschaften, die den Entgeltunterschied zu ihren Gunsten reduzieren, so die Arbeitsagentur.
„Die Frauen in Sachsen sollten aufgrund ihrer lohnbestimmenden Faktoren wie z. B. einer höheren formalen Qualifikation mehr verdienen. Das ist ein Grund warum der unbereinigte Lohnunterschied niedriger ist als der bereinigte. Letzterer beinhaltet die nicht messbaren Faktoren, wie das Verhalten bei Gehaltsverhandlungen, das Vorhandensein bestimmter Rollenmuster oder unterschiedliche Aufstiegschancen für Männer und Frauen“, sagte Dr. Antje Weyh, Wissenschaftlerin des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) – Stützpunkt Sachsen.
Die nachweisbaren Gründe für geschlechterspezifische Lohnunterschiede
Natürlich gibt es individuelle Merkmale, die dafür sorgen, dass Frauen weniger verdienen als Männer. Aber auch hier steckt schon eine stille Diskriminierung. Die Faktoren:
– Arbeitszeit (Frauen arbeiten häufiger in Teilzeit als Männer um z. B. die Pflege von Kindern/Angehörigen zu sichern)
– Persönliche Qualifikation (Männer profitieren bei der Entlohnung deutlich mehr von einer hohen Qualifikation als Frauen)
– Berufliche Erfahrung (Erwerbsunterbrechungen treten bei Frauen häufiger auf als bei Männern)
– Berufswahl (Frauen wählen häufiger Berufe, die eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie erlauben / Zugeständnisse der Betriebe zeigen sich dann in geringeren Löhnen)
– gesellschaftliche Rollenerwartung prägen Berufswahl
– Berufliche Tätigkeit (Frauen arbeiten häufiger im sozialen Bereich und in Bürojobs; Männer arbeiten häufiger in technischen und verarbeitenden Berufen)
– Frauen sind deutlich seltener in Führungspositionen „Gläserne Decke“ – sie haben oft schlechtere Karrierechancen
Einige dieser Gründe stehen für manifeste gesellschaftliche Diskriminierung. Zwar erwartet man von Frauen, dass sie bevorzugt in soziale Berufe gehen, denkt aber nicht daran, diese Berufe besser zu bezahlen. Oft haben dann auch die gebotenen Arbeitsbedingungen wenig mit der „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ zu tun. Was beides dann übrigens dafür sorgt, dass Männer dann lieber in technische Berufe gehen. Die „gesellschaftliche Rollenerwartung“ verfestigt vor allem patriarchalische Denkmuster. Und sie entwertet soziale Berufe.
Dazu kommen noch betriebliche Faktoren:
– Betriebsgröße (fehlende Tarifverträge und Betriebsräte in kleinen Betrieben | Entgelt der Männer nimmt mit steigender Betriebsgröße zu – bei Frauen bleibt es gleich | ist auch auf unterschiedliche Tätigkeiten im Betrieb zurückzuführen)
– Qualifikationsniveau unter den Beschäftigten (je höher das Qualifikationsniveau im Betrieb, umso höher der Gender Pay Gap)
– Generelle Lohnhöhe im Betrieb (je höher das Lohnniveau im Betrieb, umso höher der Gender Pay Gap | geringere Aufstiegschancen von Frauen)
– Verhaltensweise der Arbeitgeber (Diskriminierung: Frauen wird eine geringere Arbeitsleistung unterstellt, weil sie zusätzlich häuslich/familiär eingebunden sind | Arbeit von Frauen und Männern wird unterschiedlich bewertet à Entwertung weiblicher Arbeit | „scheinbar höhere gesellschaftliche Stellung der Männer“)
Und für Sachsen kommen dann auch noch regionale Faktoren zur Wirkung:
Denn zwischen Großstadt und Landkreisen gibt es deutliche Unterschiede in der Wirtschaftsstruktur:
– in ländlichen/strukturschwachen Regionen fehlen häufig hochbezahlte Arbeitsplätze,
– Frauen sind seltener bereit zur Arbeit zu pendeln und entscheiden sich häufiger für eine wohnortnahe Beschäftigung
– Städtische Regionen haben eine höhere Arbeitsplatzdichte, einen stärkeren Wettbewerb um Fachkräfte und damit höhere Löhne
Der bereinigte Gender Pay Gap
Und dann gibt es noch den unbereinigten Pay Gap. Weil Frauen andere Berufe wählen als Männer, weil sie in unterschiedlichen Branchen arbeiten oder in gleichen Unternehmen unterschiedliche Positionen haben, gibt der unbereinigte Gender Pay Gap ein unvollständiges Bild wider. Um eine mögliche Benachteiligung von Frauen bei der Entlohnung beziffern zu können, erfolgt die Berechnung eines sogenannten bereinigten Gender Pay Gap. Das bedeutet, dass der Entgeltunterschied von Frauen und Männern mit gleichen Eigenschaften bestimmt wird.
Der bereinigte Gender Pay Gap liegt in Sachsen bei 11,4 Prozent (Bund: 14,7 Prozent). Er ist damit höher als der unbereinigte GPG. Frauen weisen bessere individuelle, betriebliche und regionale Merkmale als Männer auf – sie müssten demzufolge mehr verdienen bzw. ihre lohnbestimmenden Eigenschaften reduzieren den Entgeltunterschied. Eine Vielzahl an Faktoren, die nicht in die Analyse einbezogen werden können, wie z. B. das Verhalten bei Gehaltsverhandlungen oder der familiäre Hintergrund, führen dennoch zu einem Entgeltunterschied zuungunsten von Frauen.
Nur in Ostdeutschland ist der bereinigte Gender Pay Gap höher als der unbereinigte.
Berücksichtigt man die unterschiedlichen lohnrelevanten Eigenschaften von Männern und Frauen bei der Berechnung, steigt der Gender Pay Gap in den ostdeutschen Bundesländern und Berlin, in den westdeutschen sinkt er. Das heißt, in den ostdeutschen Regionen verfügen Frauen über Eigenschaften, die den Entgeltunterschied zu ihren Gunsten reduzieren. Es kann auch sein, dass Männer in Ostdeutschland nicht die lohnrelevanten Eigenschaften der Männer in Westdeutschland haben, die den Entgeltunterschied zu ihren Gunsten erhöhen.
Höchste Lohnunterschiede in Baden-Württemberg und Bayern
In Sachsen verdienen die Frauen im Schnitt 7,5 Prozent weniger als Männer. Der Gender Pay Gap liegt damit deutlich unter dem bundesweiten Durchschnitt von 20,8 Prozent. Geringer ist der Gender Pay Gap nur in Berlin (7,1 Prozent), Sachsen-Anhalt (4,1 Prozent) sowie Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern (jeweils 3,8 Prozent). Den höchsten Gender Pay Gap gibt es in Baden-Württemberg (29,5 Prozent) und Bayern (25 Prozent). Auffällig ist der Ost-West-Unterschied à ostdeutsche Länder sind einstellig und westdeutsche zweistellig.
Höchster Gender Pay Gap in städtischen Kreisen
Der Gender Pay Gap auf regionaler Ebene ist hauptsächlich durch das Entgelt der Männer beeinflusst. So liegt beispielsweise das Tagesentgelt der Männer in Dresden bei 103,73 Euro, das Tagesentgelt der Frauen in Dresden bei 93,79 Euro. Damit ist der Unterschied im Tagesentgelt in Dresden sachsenweit mit am höchsten – nur Zwickau hat einen höheren Gender Pay Gap. Mit dem Blick auf sächsische Regionen zeigt sich, dass in Großstädten höhere Löhne gezahlt werden. In Südwestsachsen ist festzustellen, dass die Tagesentgelte für Männer und Frauen geringer sind, jedoch Männer wegen besser bezahlter Industriearbeitsplätze mehr verdienen als Frauen.
Große Unterschiede innerhalb Sachsens
In nahezu allen sächsischen Regionen führen der gewählte Beruf und die Qualifikation dazu, dass sich der Entgeltunterschied zugunsten der Frauen reduziert. Eine hohe Qualifikation im Betrieb oder pendeln zu müssen hingegen, erhöht den Entgeltunterschied zwischen Männern und Frauen.
Und wie glaubt die Arbeitsagentur Sachsen, dass man diese versteckten und teilweise offenkundigen Diskriminierungen ändern kann?
„Es sollten Anreize für Frauen und Männer gleichermaßen geschaffen werden, auch geschlechtsuntypische Berufe zu ergreifen. Zudem muss weiter an den ungleichen Aufstiegschancen gearbeitet und vor allem in den westdeutschen Regionen die Kinderbetreuungsmöglichkeiten verbessert werden.“
Und das selbst bei einem sächsischen Arbeitsmarkt, auf dem der Mangel an Fachkräften gerade in den sozialen Berufen (von Gesundheit über Pflege bis hin zu Bildung) immer größer wird?
Der Ansatz der Arbeitsagentur ist mittlerweile ja Jahre alt. Und er funktioniert einfach nicht. Frauen gehen aus guten Gründen nicht in frauenuntypische Berufe. Die sind nämlich in der Regel nicht mit einer Familie vereinbar.
Die Lösung liegt nach wie vor in den Wegen, die Männern in Verwaltungspositionen immer nicht einfallen wollen: Deutliche finanzielle Aufwertung aller sozialen Berufe, Herstellung grundsätzlicher Familienfreundlichkeit in allen Arbeitsstellen und eine massive Reduzierung des Zwangs zum Pendeln. Denn gerade Pendeln frisst die Zeit, die normalerweise junge Familien für sich brauchen.
In der Summe spiegelt die Sicht der Arbeitsagentur eine alte, eigentlich nicht mehr tragbare Sicht auf Arbeit. Und sie bestätigt, dass Männer nicht sehen, warum Frauen immer mit weniger Geld abgespeist werden.
Auch in Leipzig beträgt die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen fast ein Viertel Jahr
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