Das Leipziger Amt für Statistik und Wahlen hat es genauso wenig an die große Glocke gehängt wie das Sächsische Landesamt für Statistik: 2018 hat Leipzig einen neuen Höchstwert für die Jahrestemperatur erreicht. Was ja sogar OBM Burkhard Jung am 30. Oktober im Stadtrat zu der eher beiläufigen Feststellung brachte, dass Leipzig ja schon heute spüre, wie das Klima in den nächsten Jahren sein werde.
Die Daten findet man im Leipziger Statistik-Portal. Doch die Grafik, die man sich dort ausspielen lassen kann, zeigt nicht wirklich, wie dramatisch die Entwicklung ist. Das liegt daran, dass sowohl die jeweiligen Höchst- und Tiefstwerte mit eingeblendet sind. Die sorgen natürlich dafür, dass die tatsächliche Verlaufskurve der Durchschnittstemperatur weniger dramatisch aussieht und auch nicht sichtbar wird, wo die tatsächlich schon nachweisbaren 2 Grad Überschreitung der langjährigen Normaltemperatur stecken.
Deswegen haben wir die Temperaturdaten von 2001 bis 2018 noch einmal gesondert aufbereitet, um das sichtbarer zu machen.
Den Orientierungswert haben wir als rote Linie eingetragen: 8,8° C.
Das ist der in den Jahren 1961 bis 1990 gemessene Durchschnittswert, also der Wert, der heute auch als Referenzwert genommen wird, um die Erwärmung auch im Raum Leipzig deutlich zu machen. Wir hätten auch noch einen anderen Wert eintragen können: 8,3° C. Das war der Leipziger Durchschnittswert im frühen 19. Jahrhundert, also zu Beginn der Industrialisierung.
Auch das war ein Durchschnittswert. So erreichte das Jahr 1838 als kältestes Jahr im 19. Jahrhundert nur eine Durchschnittstemperatur von 6,5° C. Ähnlich kalt waren die Jahre 1864 und 1871. Im 20. Jahrhundert gab es kein einziges Jahr, das so kalt war.
Und wer sich die Grafik anschaut, sieht, dass 2010 das bisher kühlste Jahr im 21. Jahrhundert war und mit 8,3° C als einziges unter dem Referenzwert aus dem 20. Jahrhundert lag. Alle anderen Jahre seit 2000 lagen drüber. Auch das Jahr 2000 selbst, das in der Grafik nicht mehr enthalten ist. Das hatte zum ersten Mal den bis dahin geltenden Höchstwert aus dem Jahr 1934 von 11,1° C überschritten mit 11,2° C.
Die galten bis 2018. Da wurde mit 11,3° C ein neuer Spitzenwert erreicht.
Und die Grafik zeigt noch etwas deutlich: Bis 2005 lagen die Durchschnittswerte eher um die 9,5° C. Danach aber häufen sich die Jahre mit Durchschnittstemperaturen über 10° C. Und nach 2014 mit 11,0° C gab es jetzt den zweiten Wert über 11° C in kurzer Zeit.
Was in der Grafik des Amtes für Statistik und Wahlen wie eine Linie ohne große Ausschläge aussieht, entpuppt sich bei näherem Anschauen als relativ munteres Zappeln – aber eben deutlich über der alten Referenzlinie. Seit 2014 liegen praktisch alle Jahre zwischen 1,5 bis 2,5 Grad über dem alten Referenzwert. Davon wird sich wohl auch das Jahr 2019 nicht unterscheiden.
Und es ist eben kein kurzfristiger Ausschlag. Auch nicht in Leipzig. Das kann, wer mag, in dem 2014 erschienenen Buch „Leipzig. Alle Wetter!“ von Peter Noack, Franz Jacobs und Michael Börngen nachlesen. Die Temperaturkurve hat zwar viele Zacken, bescherte auch im 20. Jahrhundert noch einige frostige Winter und kalte Jahre. Aber die Kurve zeigt auch, wie die Durchschnittstemperaturen mit der Industrialisierung immer weiter anstiegen. Und mit ihnen die Zahl der warmen und heißen Tage.
Extrem und normal: Die lange, spannende Wettergeschichte Leipzigs
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