Am Montag, 12. August, war Internationaler Tag der Jugend. Solche Tage lieben Sachsens Statistiker. Denn dann kรถnnen sie sich auch einmal mit Zahlen Gedanken รผber die Zukunft machen. รœber die Alten und Griesgrรคmigen wurde ja schon viel geredet und geschrieben. Aber die sterben irgendwann. Und dann werden jรผngere Leute das Leben im Freistaat bestimmen. Dann normalisiert sich auch das Ungleichgewicht der Altersklassen wieder. Alles wรคchst sich aus. Und die Zukunft wird anders aussehen.

โ€ž428.001 junge Menschen im Alter von 14 bis unter 27 Jahren lebten am 31. Dezember 2018 im Freistaat Sachsenโ€œ, teilt das sรคchsische Landesamt fรผr Statistik mit. โ€žDas waren reichlich 10 Prozent der Gesamtbevรถlkerung. In den drei Kreisfreien Stรคdten lag der Anteil junger Menschen mit jeweils ca. 14 Prozent in Dresden und Leipzig und 11 Prozent in Chemnitz รผber dem Sachsendurchschnitt. Die Landkreise wiesen in dieser Altersgruppe einen Anteil von rund 9 Prozent an der Gesamtbevรถlkerung aus.โ€œ

Das ist kein normaler Zustand. Aber dass es in Sachsen viel zu wenige Jugendliche gibt, hat ja eine bekannte Ursache: โ€žVon Ende 1990 bis 2017 sank die Zahl der jungen Menschen um 44 Prozent. Ursache waren vor allem die geburtenschwachen Jahrgรคnge von Anfang der 1990er Jahre. 2018 konnte erstmals seit dem Jahr 2002 wieder ein Anstieg im Vergleich zum Vorjahr um 3.936 bzw. 0,9 Prozent verzeichnet werden.โ€œ

Ein Anstieg, der nicht nur mit den seit 2000 wieder gestiegenen Geburtenzahlen zu tun hat, sondern auch mit der Zuwanderung nach Sachsen. Denn so kommen gerade in den GroรŸstรคdten immer neue Student/-innen dazu. Und es kommen junge Einwandererfamilien dazu. Und diese jungen Leute bekommen wieder Kinder. Mit ihnen entsteht ein Sachsen, das kaum noch etwas mit den plakatierten Wahlbildern von AfD und CDU zu tun hat.

Die Statistiker kรถnnen sogar recht genau voraussagen, wie sich das Bild allein bis 2035 wandeln wird: โ€žNach der 14. koordinierten Bevรถlkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes wird sich die Zahl der jungen Menschen in Sachsen in den nรคchsten Jahren erhรถhen und im Jahr 2035 zwischen 503.000 und 527.000 liegen. Der Anteil der jungen Menschen an der Gesamtbevรถlkerung im Jahr 2035 erhรถht sich damit voraussichtlich auf bis zu 13 Prozent.โ€œ

Das ist eine leichte Normalisierung. Als Vergleichsjahr kann man das Jahr 1990 nehmen. Da lag der Anteil der Jugendlichen noch bei 16 Prozent. Selbst in den Jahren 2000 bis 2005 lag er รผber 16 Prozent. Das waren immer noch junge Menschen, die in den letzten Jahren der DDR mit ihrer relativ hohen Geburtenquote geboren wurden. In den Folgejahren machten sich die rapide abgestรผrzten Geburtenzahlen der 1990er Jahre bemerkbar und lieรŸen die Jugendquote auf 10,4 Prozent (2017) abstรผrzen.

Anteil der Leipziger mit Migrationshintergrund nach Altersgruppen. Grafik: Stadt Leipzig, Quartalsbericht 1 / 2019
Grafik: Stadt Leipzig, Quartalsbericht 1 / 2019

โ€žNahezu die Hรคlfte aller jungen Menschen im Alter von 14 bis unter 27 Jahren lernten im Schuljahr 2018/2019 an einer allgemeinbildenden oder berufsbildenden Schule in Sachsenโ€œ, teilen die Statistiker noch mit. โ€ž81.123 junge Menschen studierten an einer der sรคchsischen Hochschulen oder an der Berufsakademie Sachsen. 2018 waren knapp 48 Prozent der jungen Menschen Frauen. Damit war der Frauenanteil unter den jungen Menschen geringer als in der Gesamtbevรถlkerung (50,7 Prozent).โ€œ

Und dann kommen sie auf ein Zukunftsthema zu sprechen, das Sachsen verรคndern wird, egal, wie aggressiv die Politiker der konservativen Parteien wettern und die โ€žรœberfremdungโ€œ beklagen. โ€ž11 Prozent der jungen Menschen hatten eine auslรคndische Staatsangehรถrigkeit, fรผr die Gesamtbevรถlkerung Sachsens lag der Auslรคnderanteil bei 4,9 Prozent.โ€œ

Im letzten Quartalsbericht der Stadt Leipzig war sehr schรถn verbildlicht, wie der Anteil der Leipziger mit Migrationshintergrund mit sinkendem Alter steigt. Bei den unter 30-Jรคhrigen liegt er in Leipzig schon รผber 20 Prozent. Diese jungen Menschen werden den Arbeitsmarkt bereichern, selbst Familien grรผnden. Und da die GroรŸstรคdte mit ihren deutlich hรถheren Geburtenzahlen auch die Bevรถlkerungsentwicklung des Landes zunehmend dominieren, wird es im Lauf der Zeit immer normaler, dass Sachsens Bevรถlkerung immer bunter wird, auch bunter werden muss, wenn das Land wirtschaftlich nicht zusammenbrechen will.

Eine kluge Landespolitik integriert das und akzeptiert, dass sich Sachsen der Welt รถffnen muss. Denn die griesgrรคmigen Alten, die jetzt wieder eine Abschottung verlangen, werden das Land nicht retten, nicht als Arbeitskrรคfte, nicht als Familienvรคter und schon gar nicht mit klugen Ideen, die das Land modernisieren. Aber diese Entwicklung geht eh von den GroรŸstรคdten aus.

Und noch etwas zeigt die Analyse: Je weniger junge Leute nach Sachsen kommen, umso schneller rutscht der Freistaat unter die 4-Millionen-Marke. Die Frage ist also: Wรคhlen die Sachsen jetzt eine rรผckwรคrtsgewandte Regierung, die glaubt, in der Abschottung die Zukunft zu finden? Oder wรคhlen sie eine Regierung, die das Land mit jenen jungen Menschen umkrempelt, die hierherkommen, weil hier Zukunftschancen lebbar sind? Es geht am 1. September tatsรคchlich um die Frage Vergreisung oder Weltoffenheit.

Leipzig wรคchst auch, weil es Menschen aus vielen Lรคndern Chancen bietet

Leipzig wรคchst auch, weil es Menschen aus vielen Lรคndern Chancen bietet

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