Sachsen schrumpft wieder. Darüber haben wir ja schon geschrieben. Das hat mehrere Gründe – die meisten sind selbst gemacht und die Folge einer konservativen Politik, die lieber aussondert und abschiebt, als zu integrieren. Das war vor 2015. Das ist heute wieder so. Allein in den ersten vier Monaten des Jahres schrumpfte die sächsische Bevölkerung um 3.835 Menschen. Und der Metropoleneffekt wird immer stärker sichtbar.

Einige wenige Wachstumsinseln in Ostdeutschland sorgen dafür, dass sich die wirtschaftliche Entwicklung auf diese Punkte konzentriert und die jungen Leute aus den ländlichen Regionen weiterhin abwandern in diese Zentren, die nun einmal die attraktiven Ausbildungen und Berufe bieten, die es abseits davon kaum noch gibt.

In manchen Landkreisen ist auch das demografische Gleichgewicht längst gekippt, sterben deutlich mehr Menschen, als geboren werden. Die Zahlen zeigen im Grunde, dass der sächsischen Staatsregierung die Sache längst entglitten ist. Und es sieht ganz so aus, dass die rechtspopulistischen Entwicklungen in einigen Landkreisen die Entwicklung noch befeuern und noch mehr junge Menschen, die diese patriotische Selbstgerechtigkeit nicht mehr aushalten, abwandern.

Die Hitliste der Bevölkerungsverluste:

Erzgebirgskreis – 1.111
Zwickau – 778
Görlitz – 682
Mittelsachsen – 593
Bautzen – 540
Vogtlandkreis – 502

Eher nicht dazu gehört der Landkreis Leipzig, der ein leichtes Minus von 34 zu verzeichnen hatte. Dort werden die eigenen Bevölkerungsverluste mittlerweile durch Abwanderungen aus Leipzig weitestgehend ausgeglichen. Nicht überall, das stimmt. Während zum Beispiel Markranstädt um 52 Einwohner wuchs, schrumpfte Markkleeberg erstmals seit Jahren um 50. Die Gründe liegen auch hier auf der Hand. Die kleine Stadt im Süden Leipzigs hat ihr Potenzial ausgereizt. Für neuen Wohnraum gibt es praktisch kaum noch Platz, dafür sind die Mieten schon teilweise über Leipziger Niveau.

Junge Familien, die aus Leipzig wegziehen wollen, bevorzugen jetzt eher andere Orte wie Grimma (+ 45), Pegau (+ 38) oder Regis-Breitingen (+ 36).

Während Nordsachsen sogar insgesamt ein leichtes Plus von 40 Einwohnern verbucht. Noch höher waren die Einwohnerzuwächse im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge (+ 118) und in Meißen (+ 75). Die gehören direkt zum Dresdner Speckgürtel.

Und auch in Dresden macht sich längst bemerkbar, dass dort der Wohnraum knapp geworden ist und die Mieten für viele Normalverdiener zu hoch. Ergebnis: Die Dresdner Bevölkerungszahl sank in den ersten vier Monaten um 215. In Chemnitz sank sie um 274.

Während Leipzig trotz dieses Umfeldes weiter an Einwohnern gewinnt. Allein 661 waren es in den ersten vier Monaten des Jahres.

Was nun gerade im Vorfeld der nächsten Landtagswahl am 1. September ein weiteres prekäres Thema auf den Tisch bringt: Mit wie viel Direktmandaten ist Leipzig eigentlich im neuen Landtag vertreten? Das Verhältnis verschiebt sich ja seit Jahren immer weiter. Offiziell hat Leipzig zur Landtagswahl sieben Wahlkreise. Das hat aber mit der realen Bevölkerungsverteilung in Sachsen nichts mehr zu tun. Sachsens Regierung hat sich trotzdem geweigert, die Wahlkreiszuschnitte zu ändern.

Tatsächlich würden Leipzig längst nicht nur acht, sondern sogar 8,5 Wahlkreise zustehen. Wahlkreise, die vor allem in Ost- und Südsachsen durch Zusammenlegungen frei werden müssten. Der nächste Landtag kommt um eine deutliche Änderung der Wahlkreiszuschnitte nicht mehr umhin. Obwohl natürlich zu befürchten ist, dass zwei Parteien im Landtag vertreten sein werden, die sich dagegen mit aller Macht sträuben werden. Aber zur Tragödie des sächsischen Wechselspiels um die Direktkandidaten gehört eben auch, dass damit das Gewicht der Großstädte im Parlament verringert wird. Im Ergebnis bedeutete das in den vergangenen Jahren stets eine Art Gießkannenpolitik, mit der den Direktkandidaten aus den ländlichen Regionen der Rücken gestärkt werden sollte, ohne dass es wirklich fruchtbare Effekte für die Landkreise brachte.

Eher hat es eine kluge Infrastrukturpolitik bis heute verhindert. Stattdessen versuchen auch Landräte ihre kleinen Pfründen und Machtpositionen zu behaupten, selbst da, wo es angeraten wäre, für eine gemeinsame Entwicklung zu kooperieren. Im Ergebnis wird es einfach so weitergehen: Die Randlagen werden permanent Einwohner verlieren und um Dresden und Leipzig werden die Speckgürtel wachsen.

Und noch etwas gehört zur Wahrheit: Die sächsische Abschiebepraxis, die sich unter Innenminister Ulbig immer weiter verschärft hat und die unter seinem Nachfolger Wöller ohne Abstriche weitergeht. Allein 2018 hat Sachsen 1.084 Menschen abgeschoben – auch in Bürgerkriegsländer wie Afghanistan. Und 2019 ging das munter weiter. Allein in den ersten sechs Monaten wurden wieder 527 Menschen abgeschoben. Das schlägt sich natürlich auch in der Bevölkerungszahl nieder.

Bis 2032 rutscht der Freistaat wohl unter 4 Millionen Einwohner

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