Es ist noch gar nicht lange her, da diskutierte der Stadtrat mit harten Bandagen über Kürzungen in der Kultur. Selbst vor der Schließung beliebter Häuser wie der Muko oder gar des Schauspiels schreckten einige Fraktionen nicht zurück. Selbst als die Debatte längst abgeebbt war, preschte die CDU-Fraktion mit Plänen für eine Art Theaterkonzern vor. Und scheiterte. Denn ohne die breite Kulturlandschaft würde Leipzig viel Attraktivität verlieren. Aber: Sehen das auch die Bürger so?

2018 belegte es eine deutschlandweite Umfrage, in der Befragte aus beiden Landesteilen bestätigten, dass Leipzig deswegen eine Stadt ist, in die man gerne reist, weil sie ein breites und buntes Kulturangebot hat. Völkerschlachtdenkmal, Zoo, Gewandhaus und Thomanerchor sind Leuchttürme, die man in West und Ost kennt. Und man schätzt auch die Weltoffenheit und Freundlichkeit der Stadt.

Aber das ist erst einmal nur die Außensicht. Touristen lieben natürlich ein derart großes Kulturangebot in der Stadt, die sie besuchen.

„Schlimm wäre es“, sagt Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke, „wenn die Leipziger das Gefühl bekommen, dass wir das alles nur für die Touristen finanzieren.“

Die Debatte um die Schließung einzelner Häuser klang beinah so. Unübersehbar: Außer den Streiflichtern aus der jährlichen Bürgerumfrage hatte man gar keine Zahlen zu dem, wie Leipziger die eigene Kulturstadt betrachten. Kann es sein, das sich viele ausgegrenzt fühlen?

Von November bis Februar verschickte das Amt für Statistik und Wahlen deshalb erstmals einen dicken Fragebogen an über 3.000 nach Proporz ausgewählte Leipziger, der genau das abfragte. Ein Drittel antwortete. Ausgewertet hat die Fragebögen jetzt Dr. Volkmar Müller von IMAROS Marktforschung Leipzig.

Und das Ergebnis hätte auch Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke so nicht erwartet.

90 Prozent aller Leipzigerinnen und Leipziger sehen die Sicherung bezahlbarer Kulturangebote als eine wichtige kommunale Aufgabe. Das ist eines der wichtigen Ergebnisse der repräsentativen kommunalen Bürgerumfrage „Freizeit, Kultur und Lebensgefühl in Leipzig“. Vielleicht sogar das wichtigste.

Wie wichtig ist den Leipzigern Kultur als kommunale Aufgabe? Grafik: Stadt Leipzig, Bürgerumfrage
Wie wichtig ist den Leipzigern Kultur als kommunale Aufgabe? Grafik: Stadt Leipzig, Bürgerumfrage

Denn das bedeutet eben auch, dass Leipziger aller Altersstufen, aller Schichten und Gehaltsklassen zu 90 Prozent bestätigen, dass sie die Finanzierung der Leipziger Kulturlandschaft in dem hohen Maß, das seit 1990 gilt, für richtig halten. Selbst dann, wenn sie einige Kulturangebote gar nicht oder nur selten wahrnehmen.

Aber 88 Prozent der Befragten ist auch bewusst, dass von diesem Geld auch einiges eingesetzt wird, um bezahlbare Kulturangebote z. B. für Jugendliche oder Leipzig-Pass-Inhaber zu ermöglichen.

Von den städtischen Kultureinrichtungen werden vor allem der Zoo (94 Prozent), Musikspielstätten (89 Prozent) und die Angebote des Marktamtes, wie beispielsweise der Weihnachtsmarkt, als (sehr) wichtig für die Attraktivität der Stadt eingeschätzt.

Was aber auch erst einmal nur heißt: Die Leipziger sehen ein, dass sie wichtig sind.

Aber nutzen sie sie auch?

Natürlich gibt es da Unterschiede. Augenscheinlich unterscheiden viele Leipziger wirklich zwischen der wichtigen Image-Rolle der Kultur und dem, was sie selbst am liebsten wahrnehmen. Da liegen die Märkte und Feste in der Innenstadt mit 81 Prozent bei häufigen Besuchen ganz vorn in der Gunst der Leipziger, gefolgt vom Kinobesuch (68 Prozent) und dem Zoo (63 Prozent).

Zur Verblüffung der Kulturbürgermeisterin gehört natürlich auch, was für eine große Bandbreite an Kultur die Leipziger überhaupt wahrnehmen und goutieren. Tatsächlich waren die Listen zum Ankreuzen sogar zu kurz, hunderte Umfrageteilnehmer schrieben noch viele weitere Kulturangebote auf ihr Blatt.

Welche Kulturangebote die Leipziger am häufigsten nutzen. Grafik: Stadt Leipzig, Bürgerumfrage
Welche Kulturangebote die Leipziger am häufigsten nutzen. Grafik: Stadt Leipzig, Bürgerumfrage

Und 17 Prozent der Befragten waren sogar der Meinung, dass noch Kulturangebote in Leipzig fehlen.

Aber ganz zentral für Skadi Jennicke war die hohe Zustimmung zum schon bestehenden Angebot, das immerhin 9 Prozent des Stadthaushalts bindet – nicht nur für Zoo, Gewandhaus und Oper, sondern auch für die Museen, Bachfest, Open-Air-Konzerte, soziokulturelle Zentren und – nicht zu vergessen – die Freie Szene.

„Für die städtische Kulturpolitik ist von großer Bedeutung, dass 90 Prozent der Befragten Kultur als eine wichtige kommunale Aufgabe ansehen“, hebt Jennicke hervor. „Dieses Ergebnis ist auch eine Legitimation für die erheblichen finanziellen Mittel, die die Stadt aufwendet, um ein vielfältiges und auch bezahlbares Kulturangebot vorzuhalten.“

Aber eine echte Überraschung war für sie dann die Frage, wie die Leipziger einschätzen, ob der Kulturetat in der Form so in Ordnung ist.

„Da hätte ich sogar ein völlig anderes Ergebnis erwartet“, sagt die Bürgermeisterin.

Denn 160 Millionen Euro sind eine Menge Geld. Da hätte man wirklich beinah erwartet, dass das vielen Leipzigern zu viel Geld ist.

Aber genau das sagten nur 3 Prozent der Befragten. 45 Prozent fanden die Größenordnung völlig ausreichend. 52 Prozent aber fanden sogar, dass es zu wenig ist. Vielleicht, weil sie durchaus noch Punkte sehen, wo noch mehr Kultur finanziert werden könnte.

Für Leipzigs Kulturpolitik ist die Befragung eine Bestätigung, auch wenn jetzt noch mit jedem einzelnen Haus konkret besprochen werden soll, was die Befragung für die jeweilige Einrichtung bedeutet.

Die wichtigsten Ergebnisse sind unter leipzig.de/buergerumfrage zu finden.

Für über 90 Prozent der Deutschen ist Leipzig tatsächlich ein Begriff

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