Manchmal hat auch die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) einen Lichtblick. Denn zumindest eines eint die Lobby-Gesellschaft der radikalen Marktbefürworter mit den eher linken Verfechtern Europas: Auch sie findet ein Engagement für eine funktionierende EU wichtig. Nur dass die befragten Bundesbürger ihre Prioritäten ein bisschen anders setzen als die INSM.

„Das Erstarken populistischer Parteien steigert bei zwei von drei Deutschen (67 Prozent) die Motivation, an der Europawahl teilzunehmen“, wertet die INSM die von ihr beauftragte Umfrage von Civey aus. 24 Prozent fühlen sich durch Populisten nicht motivierter als sonst, zur Wahl zu gehen, rund 9 Prozent sind unentschieden. Auf die Frage wie stark sie sich als Europäer, bzw. als Europäerin fühlen, antworten ebenfalls zwei Drittel (65,5 Prozent) mit „eher stark“ oder „sehr stark“. Gar nicht oder nur weniger stark fühlen sich 11 bzw. 13 Prozent der Befragten, 11 Prozent sind unentschieden.

Das überrascht auf den ersten Blick nicht. Viel überraschender wird es dann im Detail. Denn AfD-Wähler zeichnen sich auch noch durch einiges Unwissen über die EU aus. Viele von ihnen lehnen etwas ab, von dem sie so gut wie gar nichts wissen.

Fragt man die Deutschen nach der EU-Reform, von der sie persönlich am meisten profitiert haben, nennen jeweils 30 Prozent den freien Personenverkehr und den Euro. Die Abschaffung der Roamingkosten beim Mobilfunk empfinden rund 14 Prozent als den größten persönlichen Vorteil, den freien Güterverkehr immerhin noch 9 Prozent. Weit abgeschlagen folgen die europäische Hochschulreform (1,1 Prozent) und die Datenschutzgrundverordnung (0,9 Prozent). Mit „weiß nicht“ oder „einer anderen“ antworteten 12, bzw. 4 Prozent.

Bezeichnend, so die INSM: Unter den AfD-Wählern wussten mit rund 28 Prozent auffallend viele nicht, von welcher EU-Reform sie profitiert haben könnten.

„Der drohende Brexit und erstarkten antieuropäischen Stimmen müssen ein Weckruf für Europa sein: sie zeigen uns allen deutlich, was wir zu verlieren haben, wenn wir nicht zusammenhalten“, meint der Geschäftsführer der INSM, Hubertus Pellengahr. „Europa ist nicht die Antwort auf alle Fragen, aber ohne ein starkes Europa wären wir alle schwächer. Die Vorteile und Errungenschaften Europas – auch und gerade für Deutschland – müssen wir bekannter machen und stärker ins Bewusstsein rücken. Europa macht stark. Deshalb: Europa wählen.“

Aber die Umfrage macht eben auch deutlich, dass jene Vorteile, die der wirtschaftsnahen INSM besonders wichtig sind, sich nicht unbedingt mit den Vorteilen decken, die die Bürger als wichtig empfinden. Denn in der Europa-Kampagne der INSM dominieren der europäische Binnenmarkt und der einheitliche Führerschein. Und die Initiative betont auch, dass es ihr ganz besonders um den Freihandel geht: „Die INSM setzt sich dafür ein, die vier Grundfreiheiten von Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital in Europa zu bewahren und auszubauen. Dafür starten wir im Vorfeld der Europawahl die Kampagne ‚Europa macht stark‘.“

Da kann schnell aus dem Blick geraten, welch große Bedeutung die Freizügigkeit im Personenverkehr für die Europäer hat. Man nimmt es als selbstverständlich hin, vergisst aber, dass das erst durch die EU möglich wurde.

Nicht ganz unwichtig: Während sich die Wähler von Union, SPD, Grünen, FDP und Linken zu über 60 Prozent stark als Europäer fühlen, tun das bei den Wählern der AfD weniger als 20 Prozent. Der höchste Wert wurde bei Grünen-Wählern mit über 88 Prozent ermittelt.

Leipziger Zeitung: Wo ein Wille ist … zwei Wahlen stehen vor der Tür

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